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Wahlen 2015

Das war die Wien-Wahl: Der VICE Bericht

Heute wird in Wien gewählt. Wir sind live dabei, sagen euch, ob ihr beim Wählen betrunken sein dürft und berichten über alle Updates.
Grafik: VICE Media

Foto von Niko Ostermann

Wien hat gewählt. Zwar nicht den Bürgermeister und bei weitem nicht alle Einwohner, aber trotzdem waren es historische Wahlen wie selten zuvor in der Hauptstadt. Vielleicht zum ersten Mal war nicht absolut klar, wer das Rennen machen würde und die starke SPÖ, die in Wien seit der Gründung der Zweiten Republik an der Macht ist, geriet ins Wanken (auch, wenn es rückwirkend einfach ist, es angeblich besser gewusst zu haben).

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Das heutige Ergebnis bestimmt nicht nur die Politik der nächsten Jahre auf Gemeinde- und Bezirksebene. Was mit der ersten Hochrechnung vom Sonntag, 18:00 Uhr, als Ergebnis feststeht, lässt auch ganz gut Rückschlüsse auf die Stimmung in unserem Land zu. Und allem Anschein nach fällt die Entscheidung der Gesamtwählerschaft nicht wie prognostiziert für ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Sozialdemokraten und Freiheitlichen aus. Stattdessen hat die SPÖ ihre stärkste Konkurrenz deutlich abgehängt.

Ob eventuell sogar das herbei geschriebene Duell zwischen Bürgermeister Häupl und Herausforderer Strache die Wähler aus Angst vor zweiterem bei der SPÖ gehalten haben könnte, bleibt vorerst offen.

Hier könnt ihr nachlesen, was wir bisher für euch zur Wahl gesammelt haben.

Vorläufiges Endergebnis

Das vorläufige Endergebnis --> — ATV (@ATV)October 11, 2015

Mit 39,4 Prozent bleibt die SPÖ ziemlich exakt auf dem Hochrechnungsstand von 18:00 Uhr, während die FPÖ noch leicht aufholt und nun bei 32,2 Prozent liegt. Der Abstand ist, im Vergleich zu den Prognosen, immer noch beträchtlich. Einstweilen feiern beide Obmänner mit ihren jeweiligen Parteien ihren ganz persönlichen Wahlsieg.

Pausenunterhaltung

„Derzeit, etwa 180km südlich von Wien …" lautet die Bildunterschrift zu diesem Bild, das sonst eigentlich nicht viele Worte braucht. Entsprechend lassen wir es einfach so hier stehen.

FPÖ-Wahlparty: Begrenzter Zutritt für Medien

FPÖ verweigert kritischen Medien Zugang zum Festzelt. Begründung: 'Der Herr Kickl hat gesagt, die Frau Horaczek darf nicht rein. (1/2)

— Nina Horaczek (@NinaHoraczek)October 11, 2015

Offenbar hat die FPÖ—bei allen Rufen nach zu tendenziöser, selektiver Berichterstattung, die sie den Medien gerne unterstellt—selbst eine sehr selektive, tendenziöse Richtlinie dazu, wer bei ihren Wahlpartys reindarf und wer nicht. Wir versuchen der Sache gerade im Selbstversuch nachzugehen.

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Statements der Spitzenkandidaten

Bürgermeister Häupl hebt hervor, er sei mit dem Ergebnis „nicht zufrieden", könne aber „damit leben": „Die Flüchtlingsfrage war nicht mein Wunschthema. Ich hab keinen Wert darauf gelegt, in ein Duell mit Herrn Strache zu treten."

Hein-Christian Strache beharrt auf den Sieg, zumindest prozentuell gesehen. „Man wird unseren Erfolg nicht kleinreden können", so Strache. Außerdem sei er gespannt, ob Maria Vassilakou nun zurücktreten werde.

Manfred Juraczka meinte: „Es ist unbestritten, dass das Ergebnis schmerzlich ist." Gleichzeitig habe sich aber auch gezeigt, wie das hochgeschriebene Duell zwischen Häupl und Strache das Ergebnis beeinflusst hätte.

Maria Vassilakou fokussiere sich eher auf die nächsten 5 Jahre, als auf die Frage, ob sie nun wie angekündigt zurücktreten würde; weiters lässt sie offen, ob damit Prozentpunkte oder Mandate gemeint waren (bei zweiteren gäbe es noch genügend Spielraum, um den Vorwahl-Stand zu halten).

Beate Meinl-Reisinger sieht in der Hochrechnung für die NEOS „ein sehr, sehr gutes Ergebnis. Ich bin sehr glücklich. Wie es aussieht, sind wir auch die Gewinner des Abends, weil wir am meisten dazugewonnen haben."

Neue Hochrechnung, inklusive Mandatsvergabe

Die Schwankungsbreite sinkt, die Ergebnisse werden konkreter (diesmal mit Mandaten in Klammern): 39,5 Prozent SPÖ (44), 30,9 Prozent FPÖ (34), 9,4 Prozent ÖVP (7), 11,6 Prozent Grüne (10), 6,2 Prozent NEOS (5).

Erste Hochrechnung: SPÖ deutlich vor FPÖ

Grosse Erleichterung !!! Danke — Isabella Klausnitzer (@isaklausnitzer)October 11, 2015

Nach der Trendrechnung um 17:00 Uhr liegt mit 18:00 Uhr nun die erste tatsächliche Hochrechnung vor: Demnach steht die SPÖ bei 39,5 Prozent, die FPÖ bei 30,9 Prozent, die ÖVP bei 9,5 Prozent, die Grünen bei 11,6 Prozent und die NEOS bei 6,2 Prozent. Die Schwankungsbreite liegt derzeit noch bei 1,3 Prozent. Die Reihenfolge ist damit festgelegt.

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Hintergrund: FREIHEITLICHE VS. FLIEHENDE

Foto von Florian Voggeneder

Der Wahlkampf wurde die vergangenen Monate von der Flüchtlingsthematik dominiert. Während die FPÖ Zäune forderte und die ÖVP von „Asyl auf Zeit" sprach, trat die Stadtregierung aus Grünen und SPÖ für eine vergleichsweise eher liberale Politik ein—Menschen, die bei uns um Hilfe ansuchen würden, sollten sie auch bekommen.

Dennoch konnte Rot-Grün das Thema nicht für sich besetzen. Neben der aktuellen Regierungsstellung anstelle einer Oppositionsrolle dürfte daran auch das Versäumnis der Bundesregierung in der Refugee-Hilfe Mitschuld sein. Während des Wahlkampfs wurde der FPÖ in Umfragen von der Bevölkerung jedenfalls die größteKompetenzin Sachen Flüchtlingsthematik zugesprochen.

FPÖ: „Freudiges Ergebnis, Trend ist klar"

Johann Gudenus, Klubobmann der FPÖ Wien, sieht in der prognostizierten Niederlage im Duell Strache vs. Häupl fürs Erste keinen Grund zu Besorgnis. „Zuerst mal ist das ein freudiges Ergebnis." Der Trend sei klar, die FPÖ würde als Gewinner aus dieser Wahl hervorgehen—zumindest im Hinblick auf die Prozentpunkte ist Gudenus damit auf der sicheren Seite. Den immer wahrscheinlicher wirkenden Platz 2 für Strache kommentierte er nicht.

SPÖ: „Der eine siegt, der andere liegt"

Georg Niedermühlbichler, Landesparteisekretär der SPÖ, tätigt im ersten ORF-Interview nach der Trendrechnung eine mutige Aussage. Zwar sei man nicht zufrieden mit einem derartigen Verlust, aber bei einem Duell gewinne eben am Ende nur einer und das sei allen Prognosen und Umfragen nach nicht Heinz-Christian Strache—auch, wenn die FPÖ noch so stark prozentuell dazugewonnen haben mag.

17:00 Uhr: Erste Trendrechnung

Wahlumfrage — Markus Sulzbacher (@msulzbacher)October 11, 2015

Eine erste Trendrechnung um Punkt 17:00 Uhr sieht das Ergebnis für Wien ähnlich wie in den Prognosen. Die Trends sehen—mit entsprechender Schwankungsbreite von 3 bis 5 Prozent—die SPÖ bei 34,5 bis 37,5 Prozent, die FPÖ bei 33 bis 36 Prozent, die ÖVP bei 8 bis 10 Prozent, die Grünen bei 10,5 bis 12,5 Prozent und die NEOS bei 5 bis 7 Prozent. Noch liegt keine tatsächliche Hochrechnung vor; stattdessen basieren die Zahlen auf einem Mittelwert aus den jüngsten Vorwahl- sowie einer aktuellen SORA-Umfrage.

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Statement von Bürgermeister Häupl beim Wahlgang

Michael Häupl nach seinem Wahlgang. — Martin Thür (@MartinThuer)October 11, 2015

Wahl-Rückblick: 2005 und 2010 revisited

— seinerzeitung (@seinerzeitung)October 11, 2015

Im Vergleich von 2005 (siehe Tweet) und 2010 (siehe hier) konnte die FPÖ mit einer Verschiebung von 14,8 zu 25,77 den deutlichsten Zugewinn verzeichnen. Die SPÖ baute von 49 Prozent auf 44,3 ab und wird aller Voraussicht nach den Abwärtstrend fortsetzen. Die ÖVP sank von 18,7 auf knapp 14 Prozent—auch ihr werden für dieses Jahr weniger prognostiziert. Auch die Grünen mussten Verluste hinnehmen (von 14,6 auf 12,64 Prozent). Glaubt man den Umfragen der letzten Tage, wird sich bei allen Parteien die Tendenz der letzten beiden Wahlen fortsetzen.

GEGEN AUTOFAHRER, GEGEN DAS SYSTEM, GEGEN ASYL

Warum sollte man Sie wählen? Bin gegen Strache Bin gegen Strache Bin gegen Strache Bin a bissl gegen Strache. Bin HC Strache.— Rudi Fußi (@rudifussi)5. Oktober 2015

Geht man nach dem strategischen Handbuch, sollte eine Partei im Wahlkampf vor allem zwei Dinge berücksichtigen: Erstens ist es ratsam, sich nicht als nichtssagende Plattform für „eh alle" zu positionieren, und zweitens sollte sie den Zweikampf mit einer anderen Partei suchen, um ihre Wähler noch direkter zu mobilisieren.

Schaut man in die letzten Wochen, haben die meisten Parteien genau das auch gemacht: Die ÖVP hat sich als Autofahrer-Partei gegen die Grünen gestellt und letztere damit zur Anti-Autofahrer-Partei stilisiert. Die NEOS—und, trotz Regierungsbeteiligung, auch die Grünen—haben sich als frischen Wind inszeniert und damit versucht, das korrupte System anzugreifen, das unter Schlagwörtern wie „Proporz", „Große Koalition" und „Parteibuch" für viele tief verwurzelt in der Zweiten Republik ist.

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Aber alle diese Themen sind, wie schon gesagt, Randerscheinungen gegen die dominante Fluchtkrise, die im Vorfeld der Wien-Wahl zum Duell Häupl gegen Strache geführt hat. Dieser Zweikampf überschattet alle anderen. Eigentlich braucht die FPÖ nicht mal ein Match, weil sich ganz automatisch alle anderen an ihr reiben—wie man es auch bei der Elefantenrunde gesehen hat. Das hievt die Freiheitlichen in eine privilegierte Situation. Zusammengefasst kann man sagen: Alleine dass die FPÖ bei jeder Flucht- und Asyldebatte als wichtigster Player hervorgehoben wird, hilft der Partei—egal, was sie sagt, was man darüber denkt oder wofür die anderen stehen.

BLAU-VERSCHIEBUNG

Zeichnung von Fabian Dankl

Die große Frage dieser Wahl, die jedes Medium, jede Partei und jeden Wähler beschäftigt, ist die nach der Rolle der FPÖ, wenn die Stimmen erst mal ausgezählt sind. Bis es soweit ist, können auch wir nur anhand von Indizien Schlüsse ziehen.

Bei der Wahl in Oberösterreich vor zwei Wochen legte die FPÖ um 15 Prozent zu und konnte sich somit verdoppeln. Die ÖVP verlor gleichzeitig 10 Prozent. Viele Gemeinden sind nach der Wahl blau. In Wien könnte Simmering, das bisher immer einen roten Bezirksvorsteher hatte, ebenfalls blau werden. Seit Jahrzehnten kooperieren SPÖ und FPÖ in dem Bezirk.

Ein Zugewinn für Blau steht de facto fest. Aber egal, wie man dem gegenübersteht, ist es wichtig, zu bedenken, dass sich auch der aktuelle Trend nicht endlos verlängern lässt. Denn, wie derNew Yorker Anfang 2015schreibt: „Sich auszumalen, dass das, was im Moment passiert, auch weiterhin passieren wird, ist genau das, was Satiriker tun. Es ist aber auch, was Dummköpfe tun." Und weiter: „In der echten Welt gibt es keinen Vektor, der ausschließlich eine gerade Linie bildet. Er trifft entweder auf eine Gegenkraft oder teilt sich entzwei."

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Stellungnahme des Bürgermeisters nicht vor 18:00 Uhr

Ich kann wegen der Sperrfrist nicht zu viel verraten. Aber ich darf schon jetzt unserem neuen Bürgermeister Manfred Juraczka gratulieren!

— Fritz Jergitsch (@FritzJergitsch)October 11, 2015

Bei seinem Wahlgang in Ottakring erklärte Bürgermeister Michael, dass er ausgezeichnet geschlafen hätte, außerdem zuversichtlich wäre, dass das Duell zu Gunsten der SPÄ ausginge und eine erste Stellungnahme zur Hochrechnung nicht vor 18:00 Uhr zu erwarten wäre.

Hintergrund: LISTEN UND PLÄTZE

— seinerzeitung (@seinerzeitung)October 11, 2015

Für den Gemeinderat werden 100 Mandate vergeben. 1.144 Bezirksräte werden dieses Jahr neu gewählt. Ihr dürft übrigens auch betrunken wählen gehen und sogar Penisse auf eure Stimmzettel zeichnen, solange man eindeutig erkennen kann, wen ihr wählen wolltet; das sagen nicht nur wir, sondern auch der Verfassungsgerichtshof.

Zur Wahl stehen wienweit dieses Mal acht Listen: SPÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP, NEOS, Wien anders, Wir Wollen Wahlfreiheit und Gemeinsam für Wien, die im Vorfeld häufig als „Türkenliste" bezeichnet wurde. Was diese Parteien in Wien verändern würden, wenn sie das Sagen hätten, haben wir bereits bei den Spitzenkandidaten nachgefragt (und, Spoiler, nur von den Freiheitlichen und Gemeinsam für Wien keine Antwort bekommen).

Mit den Parteien, die nur in bestimmten Bezirken antreten—wie zum Beispiel Wir im Ersten, die gegen die „Flut an Tingel Tangel" ankämpfen—stehen insgesamt sogar 19 Listen zur Wahl.

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In den Landtag, der in Wien aufgrund der Sonderstellung von Wien als Bundesland und Gemeinde in einem gleichzeitig der Gemeinderat ist, dürfen jene Parteien einziehen, die es wienweit über die 5-Prozent-Hürde schaffen oder ein Grundmandat in einem der Wahlkreise erlangen. Ohne Frage werden das SPÖ, FPÖ, Grüne und ÖVP schaffen, wahrscheinlich auch die NEOS. Wer genau wie viele Prozent einfahren wird, haben wir übrigens im Vorfeld schon einen Politikwissenschaftler, eine Hellseherin und eine Schildkröte gefragt.

Die schlimmsten WAHLKAMPF-FAILS

Wahlkampf ist wie Fasching, nur mit noch schlechteren Witzen. Wahlkampf ist auch wie Wrestling, nur mit durchschaubareren Allianzen und Storylines. Und Wahlkampf ist vor allem die Zeit der gebündelten Unvernunft auf allen Seiten und Fronten. Er treibt die Parteien und Politiker zu absurden Aktionen, was dann früher oder später in solchen Dingen gipfelt wie der freiheitlichen Bergbesteigung, einer grünen Saloon-Begehung oder christlich-fundamentalistischen Aussagen zu Abtreibung und Barbarei im konservativen Lager.

Wir haben jede Woche die größten Wahlkampf-Fails gesammelt und wollten von euch wissen, wer am tiefsten unter den Rand der politischen Klobrille gegriffen hat. Die Wahlbeteiligung war dabei so hoch, dass wir zum Finale noch mal eine Liste der ultimativen Fails zum gesamten Wahlkampf zusammengestellt haben. Ihr könnt übrigens immer noch abstimmen und eurem Ärger Luft machen.

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WAS WÄRE, WENN STRACHE WIRKLICH BÜRGERMEISTER WERDEN WÜRDE?

Montage von VICE Media

Kaum eine Frage hat die Menschen in Wien so stark beschäftigt wie diese. Zurecht. Denn eine ernstgemeinte Beantwortung dieser Hypothese ist alleine schon deshalb relevant, weil es in diesem Wahlkampf kaum an Strache gefehlt hat, aber sehr wohl an einer seriösen Auseinandersetzung mit der Politik der FPÖ—inklusive der Frage, welche konkreten Maßnahmen eigentlich abseits der PR- und Polemikmaschinerie wirklich umsetzbar wären. Hier geht es zum Experten-Interview.

DIE BESTEN BESCHMIERTEN WAHLPLAKATE

Foto von VICE Media

Die Verunstaltung von Wahlplakaten ist kein Kavaliersdelikt. Sie ist sogar so wenig OK, dass wir diese furchtbaren Sachbeschädigungs-Exzesse im öffentlichen Raum dokumentieren und zu einer Fotogalerie der Mahnung zusammenstellen mussten. Denn auch, wenn man Straches "Wir grenzen niemanden aus" eigentlich nicht mit "Außer Frauen, Homosexuelle, Migranten, Juden …" ergänzen dürfte, ist es auch ein bisschen sowas wie ein Stimmungsbarometer der Straße und ein Ausdruck von Graffiti-Aktionismus, der es irgendwie verdient hat, festgehalten zu werden. Obwohl wir das ganz, ganz schlimm finden. Hier geht's zu unserer Wahlplakate-Gallery.

DER KLEINE KNIGGE ZUR WIEN-WAHL

Grafik von VICE Media

Auch in der Wahlkabine gibt es Anstandsregeln. Zum Glück aller post- und spätpubertären Menschen da draußen fällt darunter nicht, dass man keine Penis-Kritzeleien auf seinem Stimmzettel hinterlassen kann; das wurde sogar vom österreichischen Verfassungsgerichtshof bestätigt. Damit hätten wir die wichtigste aller Fragen rund um euren Stimmzettel schon mal aus dem Weg geräumt. Falls ihr auch nach Antworten darauf sucht, ob ihr Selfies beim Wählen machen oder euren Hund mit in die Kabine nehmen dürft, solltet ihr trotzdem unsere DOs & DON'Ts rund um die Wien-Wahl lesen.

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Wahllokal: Lange Schlangen, kurze Zeiten, gleiche Beteiligung

Gestoppte 9 Minuten Wartezeit im Wahllokal: viel mehr Beteiligung als sonst, sagen Beisitzer — Ingrid Thurnher (@IngridThurnher)October 11, 2015

Viele berichten von Schlangen, die „länger als in den letzten 10 Jahren" wären. Statistisch können diese subjektiven Eindrücke vorerst nicht bestätigt werden; laut Information der Stadt Wien war die Wahlbeteiligung um 10:00 Uhr ziemlich exakt gleich hoch wie vor 5 Jahren (2015: 9,57 Prozent und 2010: 9,59 Prozent).

Trotzdem schreiben User auf Facebook: „Anstellen war auch hier ein Novum", weisen aber auch darauf hin, dass die Wartezeit von 10 Minuten sehr vertretbar sei—oder, um es mit einem Posting zu sagen: „Die Zeit, in der sich der gemeine Wiener normalerweise ein Schnitzel reinpfeift."

WIE SICH PARTEIEN GEGEN DAS SYSTEM POSITIONIEREN

Foto: Franz Johann Morgenbesser | flickr | CC BY-SA 2.0

Eines muss man der FPÖ lassen: Sie schafft es wie kaum eine zweite politische Kraft, sich als Lösung für die Probleme zu inszenieren, die sie im Grunde mitverursacht hat. Damit tut sie etwas, das in jedem US-Wahlkampf längst zur Standardpraxis gehört, aber bei uns noch ein bisschen neuer ist (und vielleicht auch grade deshalb funktioniert): Sie tut, als wäre sie die ultimative „Anti-System-Partei", die alles anders machen und vieles umkrempeln würde—egal, wie viel sie selbst bereits als Regierungspartei verbockt hat.Hier lest ihr die gesamte Analyse—nicht nur der FPÖ, sondern auch der anderen selbsternannten Anti-Establishment-Partei, den NEOS.

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DIE WAHLEN FÜR DUMMIES

Grafik von VICE Media

Was sind eigentlich Vorzugsstimmen? Wer darf aller wählen? Wie funktionieren Wahlkreise? Was genau wird am 11. Oktober eigentlich gewählt? Und ab wie vielen Prozent hat man in Wien eine Mehrheit? Für alle, die denken, sie wüssten Bescheid, hier gleich zwei Spoiler auf die letzten beiden Fragen: Nein, ihr wählt nicht den Bürgermeister und eh-eh, für eine Mehrheit braucht man in Wien nicht 50 Prozent.Mehr lest ihr in unserem Wahl-Guide für Dummies.

ALLE AUGEN AUF DER HAUPTSTADT

Die starke Polarisierung durch die Flüchtlingsdebatte macht den Wahlkampf so überregional relevant—und auch so spannend—wie selten zuvor. Immerhin ist die Wien-Wahl, genau wie die Oberösterreich-Wahl Ende September, ein politischer Gradmesser für das Klima in unserem Land, das sich in der momentanen Fluchtsituation nicht nur demographisch verändert.

Das zeigte sich zum Beispiel daran, wie ORF und Puls4 die Elefantenrunde erstmals in Co-Regie veranstalteten und auf beiden Sendern gleichzeitig ausstrahlten—und zwar im Hauptabendprogramm und österreichweit. Das ist für eine reine Wien-Wahl nicht gerade typisch.

Das Ergebnis selbst war da schon viel typischer: Polarisierung zwischen Strache und allen anderen in der Asylfrage; inhaltlich wichtige Korruptionsvorwürfe, die dank ihrer geschrienen Form bei allen Beteiligten abprallten; und viel bemühter Fernseh-Populismus zwischen ausgedrucktem Internet und hochgehaltenen 100-Euro-Scheinen. Am Ende war auch die Elefantenrunde zur Wien-Wahl vor allem eins: eine weitere TV-Debatte unter Politikern.

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Wahlzeugen berichten auf Twitter

Unter dem Hashtag „Beifunk" dokumentieren Beisitzende in ganz Wien am heutigen Wahltag Vorkommnisse aus den Wahllokalen. Neben Anekdoten zu kleinen Mädchen, die mit Holzhündchen ins Lokal wollen, gibt es auch einige Tweets, die sich über die niedrige Anzahl an FPÖ-Wahlhelfenden (und über ihr Verhalten vor Ort) beschweren.

Wenn ich — Joël ±∞ Weglasern (@JollySea)October 11, 2015

es ist jetzt ein Wahlzeuge von der — Laura Schoch (@sch_lau)October 11, 2015

fpö beisitzer hat sich geschlichen oder ist nie erschienen? Zettel auf den leeren sessel mit uhrzeit und posten. — Bakri Hallak (@bakhall)October 11, 2015

Die FPÖ hatte im Vorfeld per Inserat angedeutet, dass es in Wien zu Wahlbetrug kommen würde, indem sie die Bürger dazu aufforderte, derartige Fälle zu melden. Dass es dafür abseits des Inserats keine Indizien gab und die Freiheitlichen damit eine nichtüberprüfbare Behauptung aufstellten, scheint für Anhänger und Wahlhelfer aus dem rechten Lager keine Rolle zu spielen.

Wer heute überhaupt was wählt

Heute wählen die Wiener ihren Gemeinderat und ihre Bezirksvertretung—oder zumindest tut das jener Teil der insgesamt 73,5 Prozent wahlberechtigten Wiener, der von seinem Stimmrecht Gebrauch macht.

Die restlichen 26,5 Prozent sind von der Wahl ausgeschlossen, da sie zwar in Wien leben, aber entweder nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen langjährigen Haftstrafen) nicht zur Wahl zugelassen wurden.

Lest hier einen Gastbeitrag darüber, warum wir eine neue Debatte über das Ausländer-Wahlrecht in Wien brauchen.

Aber die Bezirks- und Gemeinderatswahl ist nicht nur keine Entscheidung der Wiener Gesamtbevölkerung—sie ist rein quantitativ nicht mal eine echte Mehrheitsentscheidung. Bei der letzten Wien-Wahl im Jahr 2010 wählten knapp 774.000 Menschen; bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwas mehr als 1,7 Millionen. Gültig waren davon sogar nur 754.938 Stimmen.

Die Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner von Wien—nämlich 952.000 Menschen—wird in der Entscheidung gar nicht abgebildet.