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Wieso du an Weihnachten niemandem etwas schenken solltest

Muss uns wirklich die Industrie vorschreiben, wann wir unsere Mitmenschen zu lieben haben?
Foto: Jennifer C.

Als kleines Kind freut man sich das ganze Jahr über auf zwei Dinge: Geburtstag und Weihnachten. Und wieso? Weil es da Geschenke gibt. Als Kind wusste ich meist gar nicht, wieso ich genau an diesen Tagen so reich beschenkt wurde. Ich wollte es aber auch gar nicht wissen. Ich nahm es einfach hin. Einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul.

Später dämmerte es mir von selbst: An Geburtstagen Geschenke zu bekommen, macht irgendwie noch Sinn. Du wirst geboren, man freut sich über dich und jedes Jahr, welches du unbeschadet in dieser trostlosen Welt überstanden hast, wird belohnt. Weihnachten dagegen ist eher fragwürdig. Wieso feiern wir diesen bestimmten Tag überhaupt? Ja ja, Jesus Christus ist an diesem Tag geboren und da er Gottes Sohn ist, wurde durch ihn ein wenig von Gott menschlich. Oder so ähnlich. Aber wieso Geschenke?

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Es heisst, wir würden uns etwas schenken, um die Geburt Jesus Christi zu feiern. Er habe schliesslich auch Gold, Weihrauch und Myrrhe an seinem Geburtstag geschenkt bekommen. Aber irgendwie ist das ja logisch, weil Geburtstag. Wieso aber feiern wir seinen Geburtstag, so viele Jahre nach seinem Tod immer noch? Und schenken wir nicht ihm, aber dafür jedem anderen aus unserem Umfeld irgendwas?

Nüchtern betrachtet—und ja ich weiss, in der Weihnachtszeit etwas nüchtern zu betrachten ist nicht ganz einfach—macht das nicht so viel Sinn. Und es macht auch keinen Sinn jedes Jahr aufs Neue ein Vermögen für unnütze Sachen auszugeben, die im Grunde niemand braucht. Deswegen hier ein paar Gründe, wieso ihr es mit dem Schenken auch gleich bleiben lassen könnt:

Das Offensichtliche

Fangen wir mit dem Argument an, welches wohl auf der Hand liegt: Geschenke kosten Geld. Geld ist etwas, was beim Normalverdiener Mangelware ist. Von Studenten müssen wir gar nicht erst anfangen. Und mal ehrlich: Jeder von uns kann sich etwas Schöneres vorstellen, als für den Grossonkel dritten Grades eine Extraschicht am Wochenende bei Mc Donald's einzulegen.

Noch dazu kommen die zahlreichen Essen mit jedem Familienmitglied aus Hinterpfupfigen und deren fünf Kindern (!) , von denen jedes ebenfalls ein Geschenk erwartet.

Foto: Cristiano Betta | Flickr | CC BY 2.0

Natürlich kannst du auch das Sparprogramm fahren und jedem ein Päckchen Taschentücher mit Batman-Logo drauf schenken oder den selbstgebastelten Traumfänger hübsch verpacken, aber tu uns allen einen Gefallen und sei ehrlich zu dir selbst: Wird das jemals irgendjemand brauchen?

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OK, du bekommst ein gefaketes Lächeln und einen Schulterklopfer aber sobald sie aus deiner Wohnung raus sind landet dein Geschenk in irgendeiner Kiste mit der Aufschrift „Weihnachten 2015" oder—was deutlich platzsparender ist—im Müll.

Du lebst länger

Ja, du hast richtig gelesen. Denn Sorgenfalten, Bauchkrämpfe und Magengeschwüre sind das, was jede Weihnachtsshopping-Tour als Gratis-Geschenk für dich parat hat. Wenn du also niemandem etwas schenkst, musst du auch nicht am 24. Dezember mit Panik in den Augen und Schweisstropfen auf der Stirn in überfüllte Geschäfte rennen und jeden, der nach demselben Parfüm-Set greift einen linken Hacken verpassen. Noch dazu sparst du Arztkosten und schonst deine Nerven. Gern geschehen.

Foto: amateur photography by michel | Flickr | CC BY 2.0

Beuge dich nicht dem System

Genau wie wir unsere Liebsten an Geburtstagen, Mutter-, Tochter-, Vater- oder Was-auch-immer-Tagen beschenken, weil wir sie ja schätzen und lieb haben, ist auch Weihnachten zu einem Instrument der Konsumgeilheit geworden. Ja, ich weiss: Was für eine Überraschung! Aber Fakt ist, an keinem anderen Feiertag wird so viel Geld ausgegeben wie an Weihnachten.

Jährlich befinden sich Geschenke im Wert von durchschnittlich 350 Franken pro Person unter unseren Tannenbäumen. November und Dezember sind somit immer die umsatzstärksten Monate des ganzen Jahres. Weihnachten ist heutzutage also reines Marketing und wir fallen darauf rein. Da fragt man sich doch, ob Weihnachten noch das Fest der Liebe oder lediglich das der habgierigen Konzerne ist.

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Aber ist es nicht allgemein grundlegend falsch, unsere Zuneigung und Wertschätzung unseren Mitmenschen gegenüber nur dann auszudrücken, wenn der gesellschaftliche Brauch es von uns verlangt? Sollten wir unsere Liebsten nicht dann beschenken, wenn es niemand tut? Um ihnen so eine viel grössere Freude zu machen? Muss uns denn wirklich die Industrie vorschreiben, wann wir unsere Mitmenschen zu lieben haben?

Geschenke sind nicht gleich Zuneigung

Wenn wir unseren Liebsten schon zeigen müssen, das wir sie WIRKLICH mögen—und darum geht es doch an Weihnachten, oder?—, müssen wir ihnen dafür nicht immer etwas schenken. Zuneigung mit materiellen Dingen auszudrücken ist wie einen Kuchen zu essen, der aus Scheisse besteht aber mit Zuckerguss dekoriert ist: Sieht zwar schön aus, bleibt aber im Grunde, was es ist: Scheisse.

Das Problem als solches liegt aber nicht an dir, sondern ist bereits seit der Industrialisierung in unserer Gesellschaft verankert. Seitdem Wohlstand und Macht die gesellschaftliche Position eines Menschen bestimmen, wird Glück mit Habseligkeiten aufgewogen und dementsprechend ist der Wert eines Geschenkes mit der Grösse der Zuneigung gleichzusetzen. Kurz gesagt: Je mehr man für eine Person ausgibt, desto mehr bedeutet sie einem.

Foto: Magnus Manske | Wikimedia | CC BY 2.0

In einem Wirtschaftler-Universum mag diese Rechnung Sinn ergeben, aber da die HSG noch nicht die Weltherrschaft an sich gerissen hat—an dieser Stelle danken wir dem Universum—kann man ein Blatt immer von zwei Seiten betrachten, wie eine—seit 2015 krebserregende—Wurst.

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So müssen Geschenke zum Beispiel nicht immer greifbar sein oder deinen ganzen Monatslohn verschlingen. Glaube mir, deine Mutter wird sich viel mehr über eine frisch geputzte Wohnung oder Frühstück im Bett freuen, als über eine Kaffeetasse mit der Aufschrift „Morgenmuffel" für 15.95 Franken.

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Titelbild: Jennifer C. | Flickr | CC BY 2.0