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Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: Alice Weidel vs. angefurzte Polizisten

Die sonst so schlagfertige AfD-Chefin Alice Weidel stürmt aus Interviews und ein Polizist klagt gegen einen Pups.
Foto: imago | Markus Heine | Steinach

Es ist mal wieder an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Alice Weidel

Die Vorfälle: Alice Weidel verlässt am Dienstag die ZDF-Talkshow Wie geht's, Deutschland ?, weil CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ihren Parteibuddy Björn "Bernd" Höcke einen Rechtsradikalen nennt. Donnerstag hat sie gar keinen Bock mehr und sagt ihre Teilnahme an der Sendung Illner intensiv gleich von vornherein ab. Bereits vor einer Woche brach sie nach drei Minuten ein Interview mit der Oberhessischen Presse ab. Die Fragen seien "zu unqualifiziert". Zuvor regt sie sich darüber auf, dass die Fotografin doch bitte kein Foto von ihr während des Sprechens machen solle. Ihre größte Angst: "Gesichtshängerfotos".

Die angemessene Reaktion: Nicht so ein langes Gesicht machen und das tun, was ein Politiker eben tut: reden, erklären – und vor allem nicht einfach vor Problemen weglaufen.

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Die tatsächliche Reaktion: Bockig sein, die anderen als doof beschimpfen, die Nase rümpfen, davonstampfen. Dann allen von der bösen Presse erzählen und gegen "unprofessionelle" Moderatorinnen wettern.

Alice, du hast es nicht leicht. Alle sind gegen dich und deine Partei. Vor allem die Medien, die machen Gesichtshänger-Bilder von dir. Sie stellen blöde Fragen, behaupten, du hättest etwas gegen den Islam und Ausländer. Und dann sagt noch jemand, Björn Höcke sei ein Rechtsradikaler? Dieser jemand ist auch Politiker – und zwar von der CSU, der Partei rechts von der CDU, deren Chef Obergrenzen für Flüchtlinge fordert. Selbst eure Nachbarn im Geiste hacken auf euch rum. Unverschämt! Aber das mögt ihr doch, du und deine Partei: die Opferrolle. Denn wenn alle gegen euch sind, dann seid ihr der Außenseiter, der Underdog. Diejenigen, die es denen da oben zeigen werden. Und – was ein Zufall! – ein Blick ins AfD-Strategiepapier zeigt auch, wie ihr es in den Bundestag schaffen wollt: mit "sorgfältig geplanten Provokationen". Also mal ehrlich Alice, waren wirklich die anderen schuld an den abgebrochenen Interviews?

Heulsuse #2: angefurzte Polizisten

Der Vorfall: Polizisten der 32. Einheit kontrollierten im Februar 2016 eine Personengruppe im "Gefahrengebiet" in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain. Dabei soll eine der Personen, Christopher S., eine Polizistin zweimal angefurzt haben. Doch nicht die Polizistin, sondern der Gruppenleiter will das während der 45-minütigen Kontrolle beobachtet (oder besser gehört und gerochen) haben und zeigte ihn wegen Beleidigung an. Ein Jahr später erhält S. einen Strafbefehl und soll 900 Euro zahlen. Er legt Widerspruch ein, der Fall kommt vor Gericht. Wie die taz berichtet, ist die Verhandlung am Dienstag schon nach wenigen Minuten beendet, die Richterin stellt das Verfahren ein. Das Gericht erteilt keine weiteren Auflagen und übernimmt die Kosten, was der Rechtsanwalt von S. als "sehr selten" einschätzt.

Die angemessene Reaktion: "Der Vater furzt, die Kinder lachen, so kann man billig Freude machen." Und mit Freude kennt sich die 32. Einheit der Berliner Polizei doch aus. Schließlich ist es genau jene, die kurz vor dem G20-Gipfel so ausgelassen in Hamburg gefeiert hat. Also, warum nicht einfach lachen? Oder ignorieren? Zurückfurzen vielleicht? Schließlich haben die Beamten doch sonst auch kein Problem mit Reizgas.

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Die tatsächliche Reaktion: Wenn man schon nichts findet bei vermeintlichen Linksradikalen – einfach absurde Vorwürfe ausdenken und jeden Widerstand gnadenlos wegklagen.

Ach, die guten, alten Zeiten, wo Menschen noch Respekt hatten vor Uniformen! Damals gab es das Wort Polizeigewalt nicht, aber mittlerweile redet jeder darüber. Dabei wollte man doch nur endlich mal stark sein und Anerkennung bekommen, nachdem seit dem Kindergarten alle auf einem rumgehackt haben. Stattdessen wird man angefurzt. Mitten in Berlin! Und nicht einmal beim G20-Gipfel darf man dabei sein, weder Knüppel noch Pfefferspray schwingen. Aber selbst wenn sich der aktuelle Fall in Luft aufgelöst hat, bleiben natürlich noch etliche andere Wege, um gegen "Gefährder" vorzugehen: Linksgescheitelte Frisuren sind ein Zeichen für staatsfeindliche Gangzugehörigkeit, eine Gesichtsvermummung mit Vollbart definitiv ein Grund für Handschellen.

Irgendwer heult immer. Aber wer hat in dieser Woche mehr geheult? Stimmt ab!

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