Der Wahl-Guide für Kiffer
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Drogen

Der Wahl-Guide für Kiffer

Wir haben analysiert, wie die Parteien zur Legalisierung von Cannabis stehen.

Eine Legalisierung von Cannabis kommt langsam voran. Seit März können Schwerkranke in Deutschland Cannabis als Arzneimittel in der Apotheke kaufen. Statt in geheimen Grow-Boxen deines Nachbarns soll Marihuana künftig ganz legal in Deutschland wachsen. Über die Cannabis-Agentur sucht der Staat gerade nach Firmen, die Gras in Gewächshäusern anbauen. Und die Stadt Münster will ein wissenschaftliches Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis durchführen.

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Über drei Millionen Deutsche sollen im letzten Jahr Gras geraucht haben, 13 Millionen Bundesbürger haben es mindestens einmal in ihrem Leben getan. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey findet die Hälfte der Deutschen, dass Cannabis frei erhältlich sein sollte. Ob es in den nächsten vier Jahren tatsächlich dazu kommt, wird vor allem die Bundestagswahl am 24. September entscheiden.

Wir haben bei den sechs großen Parteien – die wahrscheinlich in den Bundestag einziehen – nachgefragt, wie sie zu einer Legalisierung stehen.

AfD

"Die AfD lehnt die Freigabe von Cannabis ab", steht im aktuellen AfD-Wahlprogramm. "Eine weitere Freigabe von Drogen bzw. suchtgefährdenden Substanzen ist nicht nur in der Folge kostenintensiv, sondern auch medizinisch schädlich."

Eine Legalisierung ist für die AfD also keine Alternative. "Es ist zu befürchten, dass durch eine Freigabe von Cannabis der Drogenmissbrauch und die damit verbundenen gesellschaftlichen Probleme zunehmen", schreibt die Partei in ihrem Programm. Wie die AfD zu medizinischem Cannabis steht, ist unklar – eine Anfrage von VICE ließ die Partei unbeantwortet.

Dabei scheinen die eigenen Wähler wesentlich offener gegenüber einem Joint zu sein als die AfD-Politiker. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey ist fast ein Viertel aller AfD-Wähler dafür, Cannabis für Volljährige zu legalisieren. Immerhin mehr als bei Wählern der Union, da sind es nur 15 Prozent.

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CDU

"Sehen wir nach der Bundestagswahl die Freigabe von Cannabis?", fragte die Neue Osnabrücker Zeitung Angela Merkel vor zwei Wochen. "Ich halte davon nichts", lautete die Antwort der Kanzlerin. "Wir erlauben eine sehr begrenzte Anwendung im medizinischen Bereich, darüber hinaus beabsichtige ich keine Änderungen." Die Begründung der Union gegen eine Legalisierung von Cannabis ist dabei so alt wie der Kater nach einem Abend im Bierzelt.

Gegenüber VICE hieß es aus der CDU-Zentrale: "Die Union ist gegen Verharmlosung, Liberalisierung und Legalisierung illegaler Drogen, weil der erleichterte Zugang zu Drogen erst recht zum Konsum verleitet." Und weiter: "Forderungen nach Drogenfreigabe sind daher keine verantwortliche Alternative zur Suchthilfe." Um das zu untermauern, warf die von der Union gestellte Bundesdrogenbeauftragte bei der Veröffentlichung des diesjährigen Drogen- und Suchtberichts auch mal falsche Zahlen in den Raum. Mit einer starken CDU dürfte es also keine Legalisierung von Cannabis geben.

Die Grünen

Anders mit den Grünen. Schon unter Kanzler Helmut Kohl verteilten sie 1998 "Hanf statt Kohl"-Sticker, Stefan Raabs Kultsong "Gebt das Hanf frei" wurde von Partei-Mitgründer Hans-Christian Ströbele inspiriert und der heutige Spitzenkandidat Cem Özdemir musste sich schon mit einem Ermittlungsverfahren herumschlagen, weil er die Ice-Bucket-Challenge zur Cannabis-Challenge umfunktioniert hatte.

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Auch zur Bundestagswahl 2017 fordern die Grünen weiterhin die Legalisierung von Gras. "Mit dem Cannabis-Kontrollgesetz beenden wir die gescheiterte Cannabis-Verbotspolitik", so ein Parteisprecher zu VICE. "Wir schaffen einen regulierten und kontrollierten Markt, auf dem klare Regeln für Jugend-, Verbraucherschutz und Prävention gelten." Das Versprechen: "Die Konsumentinnen und Konsumenten können sich darauf einstellen, dass sie nicht länger vom Staat gejagt werden."

Aber wie soll so ein Grünen-Gesetz aussehen? Einerseits will die Partei den THC-Gehalt deckeln, um eine "erhöhte Gefahr cannabisinduzierter Psychosen" zu verringern. Während Bürgern unter 18 Jahren der Besitz oder Konsum verboten wäre, dürften Erwachsene eine stattliche Menge besitzen: 30 Gramm soll jeder zum Eigengebrauch in sogenannten Cannabis-Fachgeschäften legal erwerben können. Zudem soll jeder Bürger privat bis zu drei Pflanzen anbauen dürfen. Die Kette vom gewerblichen Anbau über den Transport bis zum Verkauf in Geschäften soll vom Staat "reguliert und streng kontrolliert" werden.

Potenzielle Koalitionspartner werden mit den Grünen über Gras reden müssen. Das Cannabis-Kontrollgesetz sei eines der "Schlüsselprojekte" im eigenen Wahlprogramm. "Deshalb hat es für uns auch einen besonderen Stellenwert bei etwaigen Koalitionsverhandlungen", so der Sprecher der Grünen zu VICE.

Die Linke

Die Linke fordert ebenfalls seit Jahren eine Legalisierung und die Entkriminalisierung der Konsumenten. Auch deshalb machten sie in den letzten Monaten ordentlich Dampf, wenn es etwa um das düstere Zwischenfazit der Neuregelung zum medizinischen Cannabis oder die enttäuschende Bilanz der Bundesdrogenbeauftragten der CSU geht.

Die Partei will den Verkauf von Gras "vorrangig nicht-kommerziell" in sogenannten Cannabis-Social-Clubs regulieren. "Clubmitglieder können den Eigenanbau an qualifiziertes Personal delegieren und erhalten Cannabis durch Zahlung ihres Mitgliedsbeitrages", erklärte Die Linke in einer E-Mail an VICE. Wie die Grünen wollen sie zudem den Anbau von bis zu drei Pflanzen für den Eigenbedarf erlauben.

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"Wir wollen außerdem die Möglichkeit der Bundesländer erweitern, im Rahmen von Modellprojekten andere Formen der regulierten Abgabe von Cannabis zu erproben und mit Forschungsvorhaben zu begleiten", heißt es von der Partei. Projekte wie der gescheiterte Antrag für Berliner Coffeeshops könnten dann einfacher durchgewunken werden.

Die Regelung der sogenannten "geringen Menge" wollen die Linken ebenfalls überarbeiten. Der Eigenbedarf soll einheitlich bei 15 Gramm in der Bundesrepublik liegen, sodass Kiffer in Bayern nicht schlechter leben als in Berlin.

FDP

Die FDP kifft sogar im Fernsehen. Martin Lindner – ehemaliger FDP-Bundestagsabgeordneter – bekam 2012 in der Talkshow Stuckrad-Barre einen Joint angeboten – und griff freudig zu. Auch wenn FDP-Posterboy und Namensvetter Christian Lindner Jahre später der Huffington Post verriet, dass er weder oft noch gerne kiffe, setzt er sich für eine liberalere Handhabe in der Cannabis-Politik ein.


Auch bei VICE: Wie das Cannabisverbot in Großbritannien versagt


Wie Grüne und Linke verspricht auch die FDP ihren Wählern eine kontrollierte Freigabe von Cannabis sowie eine Entkriminalisierung der Konsumenten. Besitz und Konsum sollen ebenfalls für volljährige Personen erlaubt werden, der Verkauf aber nur durch zugelassene Läden.

"Denn nur mit einem kontrollierten Verkauf in lizenzierten Geschäften kann die Qualität kontrolliert und so die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert sowie der Jugendschutz gewährleistet werden", heißt es im Wahlprogramm der FDP. Gras soll laut den Liberalen so besteuert werden wie Tabak. "Dieses zusätzliche Geld soll für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung eingesetzt werden", so die FDP.

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SPD

"Ich bin skeptisch, ob wir Cannabis legalisieren sollen", sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Anfang August zu Journalisten. "Ich habe meine eigene Suchterfahrung in meinem Leben gemacht und ich bin sehr, sehr vorsichtig, was Suchtmittel angeht", so Schulz, der als junger Mann ein massives Alkoholproblem hatte.

Im Wahlprogramm der SPD steht kein Wort über eine Legalisierung von Cannabis. Auf eine Anfrage von VICE antwortete die SPD nicht. Innerhalb der Partei gebe es keinen Beschluss und das Thema sei "hoch umstritten", verriet Schulz. Neben der SPD-Jugendorganisation, den Jusos, machen sich aber auch viele Parteimitglieder unter der Kampagne "Sozis für die Cannabis-Legalisierung" für eine Freigabe stark.

Immerhin lenkte Schulz nur zwei Tage nach dem TV-Duell mit Merkel ein wenig ein. In der YouTube-Politsendung Deine Wahl antwortete er auf die Frage nach einer Aufhebung des Fraktionszwangs bei einer Abstimmung zur Cannabis-Legalisierung – wie bei der Abstimmung über die Ehe für alle: "Ja, das wäre vernünftig".

Fazit

Wenn dir eine Legalisierung von Gras wichtig ist, solltest du Grüne, FDP oder Linke wählen. Die SPD ist sich unsicher und CDU sowie AfD sind dagegen.

Ansonsten gibt der Deutsche Hanfverband noch einen guten Tipp mit auf den Weg: "Jeder, dem Cannabis-Politik am Herzen liegt, sollte außerdem den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat. Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm!"

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