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Sex

Eine Expertin hat mich über Menstruationsmythen aufgeklärt

Eine Gynäkologin räumt mit Menstruationsmythen auf.
Foto: Oona Räisänen

Als ich mit 12 Jahren das erste Mal meine Periode bekam, dachte ich, ich müsste sterben. Ich rannte zu meiner Mutter und versuchte ihr mit Panik in den Augen klar zu machen, dass da verdammt noch Mal Blut aus meiner Vagina rauskommt. Damals widersprach diese Tatsache meinem Verständnis von einem gesunden Körper diametral. Doch statt wie erwartet mit mir auf die Intensivstation zu rennen, nahm mich meine Mutter in den Arm und sagte: „Gratuliere, du bist jetzt eine Frau."

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Zu Beginn wollte ich nicht wahrhaben, dass sich dieses Gefühl einer lecken Wasserleitung jeden Monat wiederholen sollte. Doch nach acht Jahren und geschätzten 90 versauten Bettlacken, bin ich immer noch hier. Still bleeding. Also habe ich entschlossen, mich langsam damit abzufinden.

Und obwohl meine Mutter und der Sexualkunde-Unterricht ihr Bestes getan haben, mich auf diesen blutigen Pfad vorzubereiten, bleiben noch immer einige ungeklärte Fragen. Was passiert dabei zum Beispiel mit unserem Sexualtrieb? Wieso haben wir genau zu diesen Tagen Lust auf Dinge, die wir sonst nie essen würden? Oder wieso stürzt die Regel uns immer wieder aufs Neue in ein tiefes Loch, in dem sich Selbstmitleid, Völlerei und Komplexe auf ein monatliches Kaffeekränzchen treffen? Und stimmt das alles überhaupt?

Cornelia Betschart. Foto von der Autorin

Um das herauszufinden, habe ich mich mit Cornelia Betschart, Oberärztin der Klinik für Gynäkologie des Universitäts-Spitals Zürich über Menstruationsmythen und andere Phänomene des weiblichen Zyklus unterhalten:

Während der Periode sind Frauen launischer/schneller depressiv/haben mehr Lust auf Süssigkeiten/wiegen mehr als sonst

Cornelia Betschart: Ja, das alles ist leider wahr. Vor allem ein Hormon ist für all diese Symptome zuständig: Progesteron. Progesteron—zu deutsch auch Gelbkörperhormon—steigt kurz vor der Periode an und ist Grund für unser unausgeglichenes Verhalten während dieser heiklen Tage. Es macht uns launischer und verstärkt unsere Gefühlsschwankungen bis hin zu Depressionen. Aber nicht nur das: Durch das Gelbkörperhormon wird mehr Wasser in unserem Körper eingelagert, wodurch kurzfristig die Brüste anschwellen und einige Frauen an Gewicht zunehmen. Auch neue Gelüste sind auf das Progesteron zurückzuführen. Es beeinflusst die Geschmacksrezeptoren und Sinnesorgane, wodurch sich der Geschmackssinn—und somit auch die Gelüste—kurzweilig verändert.

Die gleichen Verhaltensweisen werden während einer Schwangerschaft beobachtet. Auch dort gibt es ein Progesteron-Anstieg. Man könnte also sagen, dass man in dieser Hinsicht während der Menstruation eine „Mini-Schwangerschaft" durchlebt.

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Frauen haben während ihrer Periode mehr Lust auf Sex

Cornelia Betschart: Meiner Meinung nach ist das ein Gerücht. Es ist zwar wissenschaftlich bewiesen, dass bei einer Frau während des Eisprungs das Lustempfinden gesteigert werden kann, aber auch das ist sehr individuell. Hier in der Klinik sehen wir öfter Frauen, die während der Menstruation grosse Schmerzen haben und von Sex gar nichts wissen wollen.

Medizinisch kann ich mir dieses Phänomen nur durch den Anstieg des Gelbkörperhormons erklären, das eine psychische Reaktion auslöst. Weil Sex während der Periode bei Paaren unüblicher ist, kann es für einige Frauen vielleicht reizvoller sein und ihr Lustempfinden steigern.

Foto: D.C.Atty | Flickr | CC BY 2.0

Man kann auch während der Periode schwanger werden

Cornelia Betschart: Ja, das ist so. Das kann vor allem passieren, wenn die Frau einen sehr kurzen Zyklus hat. Der Eisprung findet immer 14 Tage vor der nächsten Periode statt. Hat jemand einen Zyklus von 21 Tagen, findet am 7. Tag der Regel der Eisprung statt. Zur Zeit des Eisprungs sind Frauen am fruchtbarsten. Spermien können bis zu drei Tage im Körper überleben. Hat man also am 4. Tag der Menstruation Sex, könnte es theoretisch möglich sein, dass man während der Periode befruchtet wird.

Es ist möglich schwanger zu sein und trotzdem seine Periode zu bekommen

Cornelia Betschart: Auch das ist möglich. Das ist natürlich keine richtige Periode im eigentlichen Sinne. Diese Blutungen nennt man auch Einnistungsblutungen oder Schmierblutungen. Diese Blutung wird durch die Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter verursacht. Sie kann weder an der Konsistenz der Ausscheidungen noch an der Dauer der Blutung erkannt werden. Um eine genaue Aussage machen zu können, muss ein Ultraschall- oder ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.

Foto: Steven Depolo | Flickr | CC BY 2.0

Je stärker die Schmerzen, desto stärker die Blutung

Cornelia Betschart: Ja auch das ist teilweise wahr. Fünf bis zehn Prozent der Frauen leiden an Endometriose. Das ist eine Frauenkrankheit, bei der die Gebärmutterschleimhaut auch an anderen Stellen im Unterleib vorhanden ist. Dabei blutet es während der Periode nicht nur aus der Gebärmutter in die Scheide, sondern beispielsweise auch aus den Eierstöcken in den Bauchraum. Betroffene haben während der Periode immer sehr starke Krämpfe und Unterleibsschmerzen während dem Geschlechtsverkehr.

Es gibt verschiedene medikamentöse Behandlungen, die dieser Krankheit entgegen wirken können. Es ist auch möglich diese Krankheit operativ zu behandeln, beispielsweise mit einer Bauchspiegelung. Mit hormonellen Verhütungsmitteln wie zum Beispiel der Pille, können die Schmerzen ebenfalls gelindert werden.

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Eine Periode kann länger als sieben Tage dauern

Cornelia Betschart: Die normale Blutungsdauer beträgt drei bis sieben Tage. Falls die Blutung länger als eine Woche dauert, muss der Grund dafür ermittelt werden. Es kann vorkommen, dass sich die Periode hormonell bedingt in die Länge zieht. Es kann aber auch ein Anzeichen für eine Bluterkrankung sein. Bei einer Blutgerinnungsstörung kann die Blutung nicht unterbunden werden, was der Grund für die verlängerte Periode sein kann. Ein anderer Grund wären auch Chlamydien. Diese lassen sich aber mit einem Antibiotikum leicht behandeln.

Je früher man die Periode bekommt, desto reifer ist man

Cornelia Betschart: Ja, das stimmt. Etwa zwei Jahre vor der Regel beginnt das Brustwachstum. Sobald die Menstruation einsetzt, sind die Mädchen reif für eine Befruchtung. In seltenen Fällen sogar kurze Zeit vor dem Einsetzen der ersten Menstruation. Auch die Schamhaare beginnen zu wachsen. Ein Mädchen mit Periode ist körperlich so gesehen reifer als Mädchen ohne Periode. Daraus kann man aber keine Aussagen darüber machen, wie reif jemand im Kopf ist. Menstruation hat keinen Einfluss auf die psychische Reife einer Frau.

Die Pause zwischen den Blutungen kann bis zu einem halben Jahr betragen, das ist normal

Cornelia Betschart: Ja, vor allem bei jungen Frauen, bei denen der Zyklus noch nicht regelmässig ist, können die Pausen zwischen den Blutungen mehr als 28 Tage betragen. Bis der Zyklus sich einpendelt, vergehen normalerweise ein bis drei Jahre. Das ist ganz normal. Bei einem regelmässigen Zyklus ist so ein Ausfall jedoch besorgniserregend. Am besten sucht man dann einen Frauenarzt auf und macht einen Schwangerschaftstest.

Sascha blutet manchmal auch auf Twitter: @saschulius

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Titelbild: Oona Räisänen | Flickr | CC BY 2.0