FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Kranker Scheiss aus dem Leben von Schweizer Tierpflegern

Wir haben mit einem Tierheimleiter und einer ehemaligen Tierpflegerin über ihre Erfahrungen im Wunschberuf vieler Kinderträume gesprochen.
Foto von Dave Parker | Flickr | CC BY 2.0

Nachdem wir bereits mit einigen SBB-Kontrolleuren, Balletttänzern und Zirkusartisten über die täglichen Hürden ihres Daseins geredet haben, widmen wir uns dieses Mal einem Beruf, der nicht unbedingt für kranken Scheiss, sondern mehr für seine soziale Ader bekannt ist: Tierpfleger. Das sind die Menschen, die dein Meerschweinchen aufnehmen, nachdem du gemerkt hast, dass auch flauschige Tiere nicht nur von Luft und Liebe leben können, sondern ab und an jemanden brauchen, der ihre Scheisse aufsammelt. Ein Tierheimleiter und eine Ex-Mitarbeiterin eines anderen Tierheimes haben mir von ihren Erfahrungen im Wunschberuf vieler Kinderträume erzählt.

Anzeige

Sabrina, Ex-Mitarbeiterin

Ich war während fünf Jahren in einem Tierheim tätig. Vor drei Jahren habe ich gekündigt. Der Job an sich gefällt mir eigentlich immer noch sehr gut. Ich liebe Tiere und würde gerne wieder mit ihnen arbeiten. Das Problem in meinem Fall waren weniger die Tiere, sondern viel mehr die Menschen.

Bei uns hatte man, wie in vielen Tierheimen, die Möglichkeit, sein Haustier während der Ferien abzugeben. Einer, der sein Tier zu uns in den Urlaub schickte, hing wohl nicht wirklich an seinem vierbeinigen Freund, denn er holte ihn nie wieder ab. Um solchen Fällen vorzubeugen, notierten wir natürlich immer Telefonnummer und Adresse der Haustierbesitzer. Als wir telefonisch niemanden erreichen konnten und Briefe allem Anschein nach nichts nutzten, gingen wir kurzerhand selbst bei der Adresse vorbei. Zu unserer Überraschung wohnte dort niemand mit diesem Namen und auch die Nachbarn hatten nie von dieser Person gehört.

Einmal hatten wir Probleme mit einer freiwilligen Hunde-Spaziergängerin. Das sind Leute, die sich bei uns melden, weil sie mit einem der Hunde spazieren gehen möchten. Sie müssen lediglich ein kurzes Formular ausfüllen und wir stellen ihnen dann einen Hund zur Verfügung.

Foto von Soenke Rahn | Wikimedia | CC BY-SA 4.0

Jedenfalls fand ich die betreffende Spaziergängerin auf Anhieb irgendwie komisch, weil sie so einen wirren Blick hatte. Wir liessen sie trotzdem mit einem Hund spazieren gehen und das ging auch ganz gut. Sie kam danach jede Woche und wollte immer den gleichen Hund auf ihren Spaziergang mitnehmen. Als dieser eines Tages schon mit einer anderen Spaziergängerin unterwegs war, machte sie eine riesige Szene und drohte uns mit der Polizei.

Anzeige

Wir nahmen sie nicht ernst, also fing sie an, Sachen umzuwerfen und wollte wohl das ganze Haus auseinandernehmen. Unsere männlichen Helfer mussten sie packen und aus dem Tierheim hinaus begleiten. Danach sah ich sie noch ein paar Mal vor dem Tierheim herumschleichen, aber sie kam nie mehr hinein.

Foto von Pixabay

Obwohl unser Team grösstenteils eine gute Dynamik hatte, gab es (wie in jedem Team) einige Ausreisser, die mit keinem so richtig klarkamen. Mit einer bestimmten Person, nennen wir sie Jessica, hatte ich besonders Probleme. Sie war immer zickig und weigerte sich, die unangenehme Arbeit, wie zum Beispiel das Aufsammeln von Scheisse, zu übernehmen.

Ich weiss nicht, wieso wir sie überhaupt eingestellt hatten, aber es ging das Gerücht herum, dass unser Chef in die Mutter der zickigen Jessica verliebt war. Eines Tages kam sie mit einer neuen Jacke zur Arbeit, die an der Kapuze verdächtig viel Fell hatte. Nach genauerem hinsehen wurde klar, dass es sich um echtes Fell handelte. Für diese Aktion hatte selbst mein Chef kein Verständnis mehr und kündigte Jessica fristlos.

Herr Müller, Tierheimleiter

Im Jahr 2002 habe ich im Tierheim angefangen, bin jetzt also seit 14 Jahren dabei. In unserem Tierheim befinden sich Ferientiere, Findeltiere und Verzichtstiere. Bei letzteren gibt es verschiedene Gründe, wieso jemand ein Tier nicht mehr haben will. Nicht alle entsprechen der Wahrheit, aber wir überprüfen die Aussagen unserer Kunden nicht.

Es kommt oft vor, dass diese Verzichtstiere sehr verwahrlost sind. Das sieht man sofort an den langen Nägeln, langen Zähnen oder dem verfilzten Fell. Oft haben sie auch Würmer oder Parasiten in sich, weil sie falsch oder sehr schlecht ernährt wurden. Es ist mir aufgefallen, dass Leute, die Tiere in einem solchen Zustand abgeben, meist Menschen sind, die auch nicht mehr fähig sind, auf sich selbst zu schauen. Sie verwahrlosen und ziehen das Tier mit in dieses Loch. Nicht umsonst sagt man, dass Tier und Besitzer sich ähneln.

Anzeige

Im Affenlabor – Tierversuche an Primaten:


Unser Tierheim ist eigentlich nur für Haustiere wie Nager, Hunde, Katzen, Vögel oder Igel gedacht. Es kam aber auch einmal vor, dass ein Wildtier abgegeben wurde. Vor ein paar Jahren kamen zwei Jäger aus dem Klettgau vorbei und brachten mir ein Murmeltier, welches sie gefunden hatten. Ich habe es einen Tag lang hier behalten aber musste es danach sofort einer Tierschutzorganisation übergeben, die es in Quarantäne steckte. Sie wollen sichergehen, dass es nicht krank oder ansteckend war. Was danach mit ihm passierte, weiss ich nicht.

Über den Sommer ist bei uns meistens viel los, wir haben volles Haus. Vor ein paar Jahren, es war einer dieser regnerischen Sommer, geschah in unserem Tierheim etwas sehr Trauriges. An einem Junitag gab es besonders viel Niederschlag, es stürmte, hagelte und goss wie aus Kübeln.

Neben unserem Tierheim verläuft ein kleiner Fluss. Wegen des vielen Regens und der grossen Hagelkörner wurde sein üblicher Flusslauf verstopft und das ganze Wasser floss zu unserem Tierheim herüber. Das komplette Erdgeschoss des Tierheims wurde überflutet. Das Wasser stand fast zwei Meter hoch. Wir versuchten, so gut es ging, die Tiere in Sicherheit zu bringen, aber für viele, die in den Käfigen eingesperrt waren, war es schon zu spät. Viele Nager ertranken ohne eine Überlebenschance. Im Ganzen starben etwa 36 Tiere, die im Nachhinein von ihren Besitzern identifiziert werden mussten.

Sascha auf Twitter.

VICE Schweiz auf Facebook und Twitter.