In Basel räumt die Polizei „Uferlos“ mit Pfefferspray und Kabelbinder

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In Basel räumt die Polizei „Uferlos“ mit Pfefferspray und Kabelbinder

...und erscheint an der militanten Protestdemo am selben Tag nicht mal.

Mitte Mai erhielt der Verein Shift Mode von der Basler Regierung 12500m2 für ihr Zwischennutzungsprojekt auf dem Migrol-Areal zugesprochen. In diesen 12500m2 sind auch 2500m2 des bis dahin 5000m2+ besetzenden Wagenplatz einkalkuliert. Neben den Wagenbewohnern befand sich auf dem Gebiet mit Uferlos/Hafenscharte eine Kulturlocation, die für Freiraumaktivisten ebenso wie für Jungliteraten im Jacket eine Rückzugs- und Ausdrucksfläche war. 2500m2 blieben dem Wagenplatz auf sicher.

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Es vergingen noch ein paar Tage, bis die Wagenbewohner nachgaben und sich auf ein 2500m2-Dreieck zurückzogen. Uferlos und Hafenscharte befanden sich ausserhalb der behördlichen „Greenzone". Diesen Projekten drohte nun die Räumung.

Studenten verbrachten den Semesterferienanfang in den Zelten des Solicamps. Eine Glitterparade erweiterte nach der Pflanzendemo die eh schon beträchtliche Breite an Protestformen, welche die Besetzungen im Hafenareal erhalten wollten. Noch am Samstag lockten Hiphop-Crews aus der Romandie (die „Waaaagenplatz" als einzig deutsche Vokabel die Nacht durchgebellt haben) Hunderte um die Riesen-Lagerfeuer beim Uferlos.

Am Dienstag fuhren dann Polizeikommandos und Bagger an. Die ersten Rund-SMS der Besetzer erhielten wir bereits um 10 Uhr. Doch die Polizei liess sich Zeit. Erst riss ein Bagger den Bandraum eines Wagenbewohners ausserhalb der Green Zone ab. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 80 Solidarische beim Uferlos. Die Polizei war mit ca. 50 Mann vor Ort. Die Verstärkung für die Räumung selbst rückte später in Vollmontur an.

Die Polizei suchte das Gespräch mit den Wagenplatz-Leuten: Sie wolle einen Zaun um den vereinbarten 2500m2-Wagenplatz bauen. Eine Baufirma sei mit dem „Rückbau der verbleibenden Einrichtungen" beauftragt. „Abriss!" schrie es aus der Menge. „Wir haben keine andere Wahl", sagte der Polizist. Arbeiter versenkten währenddessen bereits die Pflöcke für den Zaun.

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Der Polizist setzte ein Ultimatum: Um 13:15 Uhr soll der Platz geräumt sein. „Bauen wir doch Barris!" schlug eine Besetzerin vor. In der (angezündeten) Barrikade verbrannten Holz, Kühlschränke und ein Anhänger.

Um 14:45 Uhr begann die Räumung. „Das ist keine Drohung, das ist das Gesetz." Der Lastwagen der Baufirma rollte an. Trotz des abgelaufenen Ultimatums spielte eine Band im Uferlos. Didgeridoo, Cajón und Gesang. Die Polizei packte die Gummigeschossgewehre aus.

Polizisten belagerten Uferlos und rückten gleichzeitig auf der Strasse vor, um die Sympathisanten abzudrängen. Etwa 20 Leute blieben bei der Bartheke: Sitzstreik! Weitere 10 befanden sich auf dem Dach. Die Polizei zerrte die Sitzenden brutal weg, fesselte sie mit Kabelbinder und führte sie ab. Der BaZ-Fotograf Pierre kam nah ran, wurde aber selbst von Polizisten bedroht, weggezerrt und mit Pfefferspray attackiert. Ein Sympathisant erlitt Kopfverletzungen; eine andere fiel in Ohnmacht; viele haben Pfefferspray abbekommen.

Erst als ein Feuerwehrauto mit Lift eintraf, konnte die Polizei die verbliebenen Protestler auf dem Uferlos „entfernen". Am Abend sprechen „Uferlos"-Aktivisten von 36 Verhafteten, das Justizdepartement von „36 Angehaltenen, die einer genauen Kontrolle unterzogen wurden." Fakt ist: Die 36 „Angehaltenen" waren immerhin lange genug in Gewahrsam, um einen verzweifelten Kaderpolizisten ausrasten zu hören.

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Laut einer der 36 rief ein Polizist auf dem Posten aus: „Tausendmal habe ich gesagt, dass ihr keine Kabelbinder einsetzen sollt!" Alle 36 müssen mit einer Anzeige rechnen. Sechs der 36 „Angehaltenen" verhaftete die Staatsanwaltschaft. Am Abendprotest wurde aber gemunkelt, dass nicht sechs sondern zehn Leute noch in Haft sein sollen.

Der Protestzug besammelte sich um 21:00 Uhr am Claraplatz. Rund-SMS mobilisierten 300 Leute in nur einer Stunde. Frauenfürze, Thunder und Leuchtpetarden wurden gezündet. „And now you do what they told ya!" tönte es aus dem Soundwagen. Die Demo führte an der Spiegelhof-Wache vorbei, durch die Proll-Ausgangsmeile Steinenvorstadt bis zur Staatsanwaltschaft.

Dort gingen einige Scheiben zu Bruch. Manche johlten, andere fragten, was das bringen soll. Den ganzen Abend lang war kein einziger Streifenwagen zu sehen. Die Demonstration drehte dann wieder um, beruhigte sich auf der Kleinbasler Rheinseite etwas und marschierte noch ein, zwei Kilometer die Klybeckstrasse runter. Ein Anwohner rief von einem mit Schweizer Fahne geschmückten Fenster, dass die Demonstranten genau das Richtige täten.

Irgendwann kam keine Musik mehr aus dem Soundwagen. Vor der Dreirosenbrücke hielten die verbliebenen Demonstranten endgültig. Die Stimmung war komisch, da die Demo einfach so ausgelaufen ist. Die Kantonspolizei räumt am selben Tag eine Besetzung mit Pfefferspray und Kabelbindern, um dann an einer 2,5-stündigen Demo durch ganz Basel nicht mal zu erscheinen. Unabhängig vom Verhalten der Polizei ist es traurig, dass an diesem Tag die zweitletzten 2500m2 Freiraum in Basel verlorengegangen sind und die letzten 2500m2 durch einen symbolischen Zaun isoliert werden.

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