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Sex

Treffen sich ein Callboy und eine Escortdame

Immer gut, wenn man als Escortdame weiß, wie sich der Kunde fühlt. April Adams hat sich deshalb einen Callboy kommen lassen—und das einfach komische Erfahrung zu nennen, wäre ziemlich untertrieben:
Foto einer Statue
Titelfoto: Jenna Jaafri | Flickr |  CC BY-ND 2.0

Foto:Jenna Jaafri | Flickr | CC BY-ND 2.0

Vor Kurzem schickte mir meine Mitbewohnerin einen Link zu Cowboys4Angels, eine auf Frauen ausgerichtete Callboy-Seite.

„Wir sollten uns mal betrinken und dort dann anrufen!"

Sowohl meine Mitbewohnerin als auch ich sind Escortdamen. Wir haben darüber geredet, wie wichtig das richtige Verhältnis zwischen unserer Arbeit und Sex ist, den wir wirklich genießen—es geht dabei vor allem um die mentale Gesundheit. Mein Terminkalender ist zwar so voll, dass man sich schon ein wenig am Kopf kratzt, wenn ich jetzt für diesen Service bezahle, aber im Namen der weiblichen Solidarität bin ich eben zu vielem bereit. Deshalb habe ich jetzt auch um sieben Uhr eine Verabredung mit Tom.

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Ich bin müde. Die Nacht zuvor habe ich mit einem klugen und außergewöhnlich redseligen Anwalt verbracht, der mich überbezahlte und mir um 2 Uhr noch einen Computer bestellte. Genau von diesem Lohn zwacke ich auch die 650 Dollar für die zwei Stunden mit dem Typen ab, der aussieht, als würde er bei einer Boy-Band mitmachen.

Meine Freundin begutachtet mein kariertes Hemd und meine Jeans. „Ernsthaft? Das ziehst du an?"

„Sei leise! Ich bezahle ja schließlich IHN."

Der Buchungsablauf hat gleich zwei meiner Fragen beantwortet: Wie sortieren solche Seiten die Frauen aus, die es nicht ernst meinen, und wie werden sie auf Gesetzeshüter aufmerksam? Natürlich mit einer Anzahlung. Ich musste meine Kreditkartendaten, meine vollen Namen, meine Adresse und so weiter angeben. Escortservices arbeiten mit der Annahme, dass die Sittenpolizisten für Razzien keine Kreditkarten verwenden, ihre richtigen Namen unter Verschluss halten und es ihnen vom Gesetz her verboten ist, die Identität anderer Leute anzunehmen. Mit Ausnahme von hochbrisanten Fällen habe ich noch nie davon gehört, dass Kreditkartenunternehmen falsche Konten eröffnen.

In den ersten sechs Monaten ist er kaum zur Ruhe gekommen: Wochenendtrips nach San Francisco, Übernachtungen in New York—ein Rausch aus Geld, Ecstasy und Schlaflosigkeit.

Eigentlich wollte ich ihn nur für eine Stunde buchen (für Small Talk und Sex reichen 60 Minuten überraschenderweise locker), aber da ist dann nur ein „Meet and Greet" in aller Öffentlichkeit drin. Wenn ich mit meinem Callboy bei mir zu Hause eine „angenehme" Zeit verbringen will, dann muss ich ihn für mindestens zwei Stunden bezahlen. „Angenehm" ist übrigens das normalste Wort, das ich in diesem Kontext jemals gehört habe. Aber das gefällt mir.

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Ich bat um einen großen und witzigen Mann. Vielleicht so um die 1,90 Meter? Es fühlt sich gut an, meine Vorliebe für große Typen in einem angebrachten Umfeld auszuleben. Das Problem war bloß, dass niemand zur Verfügung stand, der so groß war. Mir wurde Trent empfohlen, der anscheinend den typischen New Yorker Humor besitzt. Dazu ist Trent noch ein angenehmer und erhabener Zeitgenosse und erinnert mich an die Typen, die mich auf der High School fertiggemacht haben. Nein, danke. Die nächste Empfehlung sagte mir da schon mehr zu: Tom ist durchtrainiert und hübsch genug, um in einem Taylor-Swift-Video mitzuwirken. In seinem Profil auf der Seite ist nur ein einziges Bild zu finden, auf dem er so etwas wie einen Jeansblazer trägt und einen Schmollmund macht. Tom mag zwar vielleicht nicht wirklich mein Typ sein, aber ich vertraue den Profis jetzt einfach mal.

Die Website sieht aus, als wäre sie im Jahr 2002 programmiert worden. Ich habe 2002 sogar tatsächlich mal einen Escortseite erstellt und im Vergleich dazu sieht Cowboys4Angels aus, als hätte jemand Tinkertoys und Ken-Puppen einfach achtlos auf eine Steppbettdecke geworfen. Die hervorgehobenen Männer befinden sich alle in Las Vegas, wo sie bei einer Reality-Fernsehserie namens Gigolos mitspielen. Sie bedienen dabei alle Klischees: viele angespannte Muskeln, viel Flirten mit der Kamera und viele Bauchmuskeln, mit denen man Käse reiben könnte. Einer von ihnen hat Haare fast bis zu den Hüften, ein anderer hat eine Haut wie Leder und trägt pastellfarbene Hemden, die perfekt zu seinen blond gefärbten Haarspitzen passen. Dort nimmt man an, dass Muskeln und Komplimente die Frauen automatisch geil machen.

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Die Identitäten der Escorttypen von Gigolos werden nicht verheimlicht und ihre Gesichter nicht unkenntlich gemacht—die der meisten Kundinnen übrigens komischerweise auch nicht. Auf die alte Leier, dass man ja nur für die Begleitung und die Zweisamkeit bezahlt und alles andere einvernehmlich zwischen zwei erwachsenen Menschen abläuft, wird hier nicht besonders viel Wert gelegt. Vielleicht kümmert sich eher ein Hinterzimmer-Rechtsbüro um Dinge wie Legalität. Oder vielleicht wird wegen der vertauschten Geschlechterrollen auch einfach angenommen, dass jegliche sexuelle Handlung aus freien Stücken geschieht.

Vor der Kamera wird viel und in ernsten Worten über die weibliche Begierde und die fehlende Zeit zum Daten geredet. Es handelt sich wirklich um exzellente TV-Unterhaltung—das perfekte Verhältnis von erotischer Faszination und Zurückweisung.

Ich habe Männer immer verachtet, die von mir verlangten, auch in den unerotischsten Situation total geil zu tun, aber jetzt verstehe ich diesen Gedankengang.

Am Tag des Treffens werde ich beim Zurechtmachen immer nervöser. Das Ganze wird in der Wohnung stattfinden, die ich auch für meine Arbeit nutze—eine Sardinenbüchse mit einem Bett, einem Nachttisch und einer kleinen Ikea-Couch. Neben diesen Möbelstücken befinden sich in der Wohnung eigentlich nur Kondome, Sexspielzeuge und ungefähr 40 frische Bettbezüge und Handtücher. Man hat auf jeden Fall nicht den Eindruck, als würde dort wirklich jemand wohnen, und ich will meinen Callboy nicht verschrecken und ihn denken lassen, dass er gleich verhaftet wird. Auch mache ich mir Gedanken wegen genau des nebulösen Gefühlsquatsches, mit dem meine Werbung beruhigen soll—so sehe ich die Ängste meiner Kunden direkt mal mit neuen Augen. Darin werde ich als „freundlich, enthusiastisch und mitreißend" beschrieben. Ich mache mir deswegen Sorgen, weil ich Angst habe, dass Tom auftaucht und dann total mürrisch oder langweilig ist—er sich quasi einfach nur resigniert in der Wohnung umschaut und mich fragt, wo er es mir besorgen soll. Ich habe Männer immer verachtet, die von mir verlangten, auch in den unerotischsten Situation total geil zu tun, aber jetzt verstehe ich diesen Gedankengang. Ich will, dass Tom mir eine richtig gute Show vorspielt.

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Mein Aussehen ist mir jetzt gerade wichtiger, als wenn ich das Produkt bin. Meine Haare könnten noch mehr glänzen. Meine Lippen sind ein wenig spröde. Ich hasse es, wenn Männer bei mir auftauchen und dann alles vollschuppen. Sehen meine Augenbrauen ungepflegt aus? Wird er sich ekeln? Ich tue doch schon, was ich kann. Als ich mich in dem kargen Zimmer so betrachte und darüber nachdenke, dass ich das Treffen wegen meiner Arbeit schon zweimal verschoben habe, wird mir etwas klar: Ich bin eine schlechte Kundin. Dadurch steigt in mir ein gewisses Schamgefühl hoch. Leute, es ist nicht gerade leicht, für Sex zu bezahlen.

Um Punkt sieben Uhr bekomme ich eine Nachricht vom Organisator: „Hallo Süße!!! Tom wird in fünf Minuten bei dir klingeln … Ich hoffe, du hast Lust auf ein bisschen Spaß."

Mir ist nicht klar gewesen, dass die Situation noch unangenehmer sein könnte, aber genau das ist der Fall. Ich fühle mich verwundbar und so, als ob man gleich über mich urteilen wird. Ich richte nochmals das Geld auf dem Nachttisch zurecht und öffne dann die Tür.

Das ist nicht Tom. Foto: torbakhopper | Flickr | CC BY 2.0

Tom ist tatsächlich der Typ von dem Foto. Seinen Schmollmund hat er jedoch nicht aufgesetzt. Mit seinen großen, braunen Augen und den perfekten Zähnen besitzt er diese himmlische Schönheit, durch die er wahrscheinlich die Aufmerksamkeit von Männern und 15-jährigen Mädchen auf sich zieht. Er trägt ein seidenes Crewneck-Sweatshirt und eine enge Hose. Für 25 sieht er verdammt jung aus. Dank meiner hohen Absätze bin ich genauso groß wie er. Ich biete ihm Bourbon an und er trinkt ihn. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn mit Alkohol gefügig machen will oder andersrum.

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Es dauert nur 30 Sekunden und ich gestehe ihm, dass ich einen Artikel schreibe. Das verschreckt ihn verständlicherweise erstmal. Neue Leute sind an sich ja schon etwas Unbekanntes, aber jetzt muss er auch noch den Sexarbeiter spielen, der genau unter die Lupe genommen wird. Ich füge schnell hinzu, dass ich ebenfalls bei einem Escortservice arbeite. Er beäugt mich noch einmal eindringlich und setzt sich dann wieder auf die Couch. Und schon beginnt die Fachsimpelei.

Tom ist in einer Kleinstadt aufgewachsen und zog mit 21 Jahren zum Modeln nach New York. Er war zwar auch auf Laufstegen unterwegs, aber E-Commerce ist eher sein Ding. Vor einem Jahr hat er angefangen, für Cowboys4Angels zu arbeiten. In den ersten sechs Monaten ist er kaum zur Ruhe gekommen: Wochenendtrips nach San Francisco, Übernachtungen in New York—ein Rausch aus Geld, Ecstasy und Schlaflosigkeit. In den letzten paar Monaten war jedoch nicht mehr so viel los. Das kann er sich nicht erklären, aber es bereitet ihm Sorgen, denn er ist gerade in eine teurere Wohnung in der Innenstadt gezogen.

„Ich habe eine Menge Geld gemacht, aber viel ist davon bald nicht mehr übrig", erzählt er. An diesem Morgen hat ihn seine Modelagentin angerufen und gesagt, dass sie ihn auf der Seite entdeckt hätte. Das macht ihm Angst. Deswegen will er jetzt auch, dass man die Fotos entfernt und sein Profil auf privat umstellt. Das wird jedoch eine Abnahme seiner Kundenzahl zur Folge haben.

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Eines steht definitiv fest: Frauen bezahlen auf jeden Fall auch für Sex. Das machen vielleicht nicht so viele Frauen wie Männer, aber auf jeden Fall genug, um Tom ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Fast alle seine Kundinnen waren körperlich gut in Form. Das kann ich auf jeden Fall nicht behaupten. Ich frage ihn, ob sich dicke Frauen seiner Meinung nach zu sehr schämen, um ihn zu buchen. Das kann man unmöglich sagen.

Wir sind uns einig: Menschen sind komisch.

Ich frage Tom nach Schwierigkeiten mit dem Gesetz und er erzählt mir, wie ihm beim Vorstellungsgespräch ausführlich erklärt wurde, dass er niemals bestimmte Aussagen machen soll. Dann driftet er ab. Ich nicke. Wenn es sich bei einem Verbrechen nicht um eine Tat, sondern um ein Vorhaben handelt, dann achtet man ganz selbstverständlich darauf, was man von sich gibt. Ich frage ihn, ob Callboys seiner Meinung nach wirklich einen schlechten Ruf besitzen und nur zögerlich antwortet er, dass das zwar schon stimmt, der von Escortdamen aber noch schlechter ist. Das ist eine scharfsinnige Aussage, aber mir wird klar, dass er immer über meine Reaktion nachdenkt, bevor er etwas sagt. Die ganze Unterhaltung ist auf mich zugeschnitten. Ich mache bei der Arbeit ja schließlich genau das Gleiche. Es fühlt sich toll an, mal auf der anderen Seite zu sitzen. Man glaubt, eine Verbindung zu einem anderen Menschen aufzubauen und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Ganze finanziell motiviert ist.

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Ich bitte um ein paar verrückte Geschichten, und die sind dann viel verrückter als meine. Eine Konsulin aus dem Nahen Osten buchte einmal einen seiner Freunde in Florida, ließ ihn ihr Bankkonto mitbenutzen und verliebte sich laut eigener Aussage. Im Laufe von zwei Wochen hob besagter Freund 50.000 Dollar ab, „bis sie dann sauer wurde." In einer anderen Geschichte sind die Protagonisten ein Berg Kokain und vier saudi-arabische Prinzessinnen. Außerdem reist Tom regelmäßig nach San Francisco, um sich dort mit einem hohen Tier aus dem Silicon Valley zu treffen, in teuren Restaurants zu speisen und ganze Wochenenden in vornehmen Resorts zu verbringen. Ich bin zwar kein Hellseher, aber ich glaube schon, dass er die Wahrheit sagt. Wie viele seiner Termine beinhalten Sex? „Oh, alle", sagt er. Nichtmal alle MEINER Termine beinhalten Sex.

Wir entspannen uns ein wenig und ich schenke ihm noch mehr Bourbon ein. Wenn ich auf dieser Couch sitze, dann versuche ich normalerweise, meine Abneigung gegen den bevorstehenden Akt zu unterdrücken, und lenke die Konversation in eine bestimmte Richtung. Meine Kunden wollen, dass ich den ersten Schritt mache, aber nur genau dann, wenn der Moment für sie richtig ist. Deshalb achte ich auf die Zeichen, die ihre Bereitschaft signalisieren. Tom zeigt keine davon und ich wohl auch nicht.

Der Bourbon hat uns beide schon ziemlich mitgenommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Tom auf seine Figur achtet und auch ich habe noch nichts gegessen. Unsere Geschichten werden so langsam nicht mehr ganz so spaßig und optimistisch. Er erzählt mir von einer Frau, mit der er sich monatelang getroffen hat, sie dann Gefühle für ihn entwickelte und ihn schließlich als moralisch verdorben bezeichnete, als er diese Gefühle nicht erwiderte. Eine seiner Kundinnen ist an einen strengen Ehevertrag gebunden, will für Tom aber ihren Mann verlassen. Er hat jedoch schon ausdrücklich gesagt, dass das eine sehr schlechte Idee sei. Wir sind uns einig: Menschen sind komisch.

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„Das ist eben der Preis des Escortservices. Es ist ziemlich verwirrend. Einerseits ist es toll, ich habe noch nie so viel Geld verdient und bin so viel gereist. Andererseits …" Er starrt in Richtung Bett.

Ich vervollständige seinen Satz: „ … befindet man sich jedoch ständig inmitten des emotionalen Durcheinander von so vielen Leuten."

„Genau", sagt Tom.

Ich begutachte noch mal sein zartes Äußeres und stelle mir vor, wie ich ihm näher komme und wir uns küssen. Das passt einfach nicht. Er hat zwar gesagt, dass ich scharf sei und besser als seine üblichen Kundinnen aussehe, aber trotzdem fast alle attraktiv gewesen wären. Auch mache ich auf ihn einen klugen Eindruck. Manchmal muss er seine Fantasie spielen lassen, um nicht mittendrin schlapp zu machen, aber in meinem Fall wäre das auf jeden Fall nicht nötig—vielen Dank, gutes Aussehen.

Ich denke noch mal über die vielen Komplimente nach, die mir dieser niedliche junge Mann gemacht hat. Die Vorstellung, wie wir eine Nummer schieben, ist schrecklich. Ist mir sein freier Wille so wichtig, weil das die normale Denkweise ist, oder weil ich selbst oft in seiner Position bin? Ich weiß es nicht. Ich will nicht mit ihm schlafen, ich will einfach nur, dass wir uns beide wohl fühlen. Als er schließlich eine süße, kleine Kopfbewegung in Richtung Bett macht, sage ich: „Vielleicht ein anderes Mal." Ich glaube, er ist darüber ziemlich erleichtert.

Die zwei Stunden vergehen wie im Flug. Um 20:45 Uhr sage ich, dass ich einen Anruf entgegennehmen muss und wir umarmen uns. Dann ist Tom weg. Normalerweise bin ich beim Thema Sex nicht so zimperlich. Das liegt jetzt hier nicht daran, dass ich mir im letzten Moment meiner Anständigkeit bewusst geworden bin, sondern weil es sich einfach falsch angefühlt hat.

Um 22:00 Uhr habe ich wieder einen Termin und den ziehe ich ohne Probleme durch.