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Musik

Der Anti-Spast

Wir haben uns neulich mit Kool Savas getroffen.

Wir haben uns neulich mit Kool Savas getroffen. Warum? Natürlich, weil er ein neues Album aufgenommen hat. Wir haben mit ihm auch über dieses Album gesprochen.

Da diese Gesprächsteile aber meistens recht langweilig sind, fassen wir sie eben kurz zusammen: „John Bello 3" ist mehr Album als „John Bello 2". Runder. Hi-Tech-Sound. Mehr Songwriting. Alles besser. Savas ist abgesehen vom routinierten Pressesprecher für sich selbst aber auch ein recht charismatischer Typ, der sein Image als letzter wahrhaftiger und erfolgreicher deutscher Rap-Purist immer wieder mit Meinungen und Statements anreichert, die über den Szene-Tellerrand hinaus blicken. Vermutlich könnte man mit ihm weitaus interessantere Gespräche führen, wenn sie sich überhaupt nicht um Rap drehen. Machen wir dann einfach das nächste Mal, Alter.

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Du bist ja nun mit offizieller Juice-Beglaubigung der beste MC in Deutschland. Du sagst aber auch von dir, dass dir Competition wichtig ist. Wie motivierst du dich jetzt selbst, wo es ohnehin schon jeder weiß?

Ich messe mich immer an mir selber. Ich messe mich immer an Tracks, die ich selbst gemacht habe. Und ich messe mich natürlich auch an den Dudes in Amerika. Ich kann perfekt Englisch und verstehe jedes Wort, das die sagen. Oder ich sag mal 95 Prozent. Für mich ist das dann so, ich will dann auf dem gleichen Level Songs machen. Vom Flow-Verständnis und wie man was sagt und wie man es auf den Beat packt und wie man mit Songwriting umgeht, das will ich dann auch so können. Und dann messe ich mich wirklich daran.

Nachdem es die Berliner Rap-Labels nicht mehr gibt, scheinen sich auch die Rivalitäten unter den einzelnen Persönlichkeiten zu legen. Hängt das zusammen?

Ich glaube nicht. Die Rivalitäten bei den drei erfolgreichen aus Berlin, sprich Bushido, Sido und mir, sind mittlerweile so uninteressant geworden, weil da kaum noch Berührungspunkte sind. Jeder hat so seine eigene Sparte. Und davor war es eher so, wir umkämpfen alle die gleiche Fanbase. Ich hatte ne Fanbase seit „LMS"-Tagen, Aggro Berlin hat dann auch auf genau diese Fanbase gezielt und dadurch war dann alles ein bisschen am Brodeln. Aber jetzt: Bushido-Hörer hören meistens kein Sido und ganz bestimmt nichts von mir. Und die Leute, die meine Musik hören, hören kein Bushido. Ich denke, Sido hat vielleicht ein paar von den Bushido-Leuten und ein paar von meinen Leuten, aber unterm Strich hat jeder seine eigene Base und die bedient er dann.

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Wenn man sich die Erfolgsstrategien dieser drei Figuren anschaut, dann sieht man, dass du einen komplett anderen Weg gehst. Du setzt weniger auf Marketingmechanismen, kaum auf Image- und Selbstinszenierungsmechanismen. Denkst du, dass deine Strategie mit den anderen beiden mithalten kann, wenn es darum geht, wirklich Geld zu verdienen?

Es geht für mich darum, die beste Balance zwischen meiner Kunst, dem Respekt, den ich vor HipHop-Kultur und dieser Musik habe und auch dem Respekt aus der Szene, von den Leuten, die ich tagtäglich auf der Straße treffe, diesen Aspekt und natürlich auch dem Aspekt, damit auch wirtschaftliche Erfolge zu haben, zu finden. Ich hatte oft Angebote für irgendwelchen Unsinn, wo ich mal irgendwo kurz hätte 10.000 Euro verdienen können, weil ich mit xy auf nem Track gerappt habe. Es gibt keinen deutschen Rapper, der mich bis jetzt noch nicht nach nem Feature gefragt hat. Es gibt wirklich keinen, also zumindest von denen, die Erfolg haben. Ich hätte mit jedem von denen irgendwelche Songs und auch Videos haben können, aber ich habe mir immer überlegt, bin ich das selber, kann ich mich mit der Person identifizieren und macht das für mich überhaupt Sinn und unterm Strich denke ich, ist das Image, das ich für mich gewählt habe, langfristig wirklich am besten. Man kann mit dieser Augen zu, mit dem Kopf durch die Wand-Nummer kurzfristig was reißen, vielleicht auch mittelfristig und man kann damit so viel Geld anhäufen, dass man an einem bestimmten Punkt sagt, ok, jetzt steige ich aus. Andererseits steigt ja auch mit dem Geld, das man verdient, der ganze Lebensstandard und die Gewohnheiten, die man hat. Alles wird teurer. Unterm Strich denke ich, gewinnt man, wenn man lange dabei ist und durchzieht. Mir ist auch wichtig, dass die Leute auf meinen Konzerten nicht irgendwann anfangen zu buhen und dass sie mir Respekt entgegen bringen, wenn sie mich auf der Straße sehen und nicht sagen: „Iiih, was bistn du fürn Spast."

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Du hast schon eine ausgeprägte Antipathie gegenüber Deutschrap, oder?

Aufgrund dessen, was man hört, Alter. Ich bin ja eigentlich gar nicht so negativ eingestellt. Aber warte mal, ich habe auf Youtube so Gangsta-Rapper aus Hamburg gehört. 187 Straßenbande oder so ähnlich. Ich fand, das war ne runde Geschichte. Die haben nur über primitive Sachen erzählt, Schlagen, Koks, Prostitution, es war inhaltlich total daneben, insbesondere, weil sie von sich total überzeugt waren und ich fands sau-ätzend. Aber es war wirklich geil gemacht, es wirkte authentisch, asozial bis zum Gehtnichtmehr. So was fällt mir aber wirklich eher bei einfachen Rappern auf. Wenn so primitive Dudes auch an das glauben, was sie sagen, dann kommt das schon sehr authentisch rüber. Ich fänds auch echt geil, wenn alles noch ein bisschen verrückter wird, wenn die Leute Songs machen, die zu ihren Städten passen und so. Wenn die Leute ihren eigenen Slang benutzen, wenn sie absurde Beats haben. Das finde ich geil an England. Wenn man da keine Ahnung hat, dann eröffnet sich einem da auf einmal eine ganz neue Welt mit diesem Grime-Shit. Es hat nichts mit normalem Rap mehr zu tun, es ist echt was Eigenes. Das finde ich voll cool.

Es ist so, dass man in einem Geschäft, in dem sich die eigentliche Ware, also Musik, nicht mehr verkauft, andere Geschäftsfelder her müssen. Setzt du dann ausschließlich aufs Live-Geschäft?

Ey ganz ehrlich, ich denke gerade gar nicht so weit, was die Zukunft der Musikindustrie angeht. Es sind total trübe Aussichten und ich will mich da nicht selber deprimieren. Aber ich sag mal so, live läuft es bei uns besser als sonst. Mit den letzten beiden Touren hatten wir jedes Mal ne Steigerung. Wohl oder übel muss ich auch, wenn ich Geld verdienen will, viel live spielen. Auf der anderen Seite verkauft man ja schon noch ein paar Cds. Man muss sehen. Ich glaube, früher oder später wird sich irgendetwas finden, egal ob es jetzt diese Flatrate ist, also so eine Art Gema-Flatrate oder wie das heißt und was dann je nach Downloads an die Künstler ausgezahlt wird. Ich mach mir da aber einfach nicht so den Kopf. Ich versuche auch immer so auf dem Boden zu bleiben, dass ich sage, dass wenn es jetzt von heute auf morgen gar nicht mehr funktionieren würde, dass ich nicht so nen totalen Absturz schiebe. Sondern dass ich dann irgendwas anderes finde, womit man arbeiten kann. Es ist ja nicht so, dass wenn man keine Musik mehr verkauft, man sofort todunglücklich ist.

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Was wäre dann der Plan B?

Das weiß ich nicht, da gibt's viele Sachen. Ich bin sehr interessiert an Autos und kenne mich mittlerweile auch gut damit aus. Jetzt nicht ganz so krass mit diesem technischen Zeug, aber insgesamt setze ich mich mit Autos krass auseinander, so wie ich mich früher mit Rap auseinander gesetzt habe. Ich lese viel darüber und so. Ich bin auch sehr begeisterungsfähig. Ich kann mich auf jeden Fall voll reinfressen in so Themen. Was gibt's noch? Ach keine Ahnung, alles Mögliche. Ich könnte mir auch vorstellen so in Richtung Management zu gehen, also für andere Künstler was zu machen. Wenn ich merken würde, da ist jemand, den ich feier und mit dem ich mich auch verstehe und der auch gut mit Songs umgeht, dann könnte man auch zusammen arbeiten und helfen, noch mehr aus dem Potenzial zu machen. Ich habe damals bei mir gesehen, dass es mir manchmal schwer fiel, weil andere meine Bedürfnisse nicht erkannt haben und nicht wussten, was sie für mich tun können. Und Management heißt für mich auch, dem Artist die beste Grundlage zu geben. Also für den Künstler eine Komfortzone schaffen. Dafür musst du halt auch sensibel sein und mit Menschen umgehen können.

Warum hat Optik nicht funktioniert?

Das war so dieses Rawkus-Phänomen. Wir waren untereinander schon zu sehr befreundet, dass ich hätte sagen können: Hey, wir machen jetzt Image-Kampagne. Oder: Nein, wir bringen jetzt mal nicht den Song, den du als Single haben willst, sondern einen anderen. Um so damit umgehen zu können, musst du entweder nur einen Artist haben und dich die ganze Zeit mit ihm auseinander setzen und so nah an ihm sein, dass er dir vertraut und dir Entscheidungen überlässt oder man muss es einfach nur wie ein Produkt sehen. Und dann guckt man halt zwei Mal, wen man signt. Dann sagt man auch: Sieht der gut genug aus. Die meisten erfolgreichen Rapper sehen gut aus, ich brauch'n hübschen Dude, so. Dann kommen halt andere Aspekte ins Spiel, wenn es nur um das Produkt geht.

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Du legst besonders viel Wert auf Fairness, oder?

Hundertprozentig. Habe ich immer. Auch wenn es für mich nicht immer sinnvoll ist. Also es geht nicht immer gut für mich aus.

Heißt das, du ziehst dich aus solchen Zusammenhängen jetzt raus und machst ausschließlich dein Ding?

Außer dann, wenn ich irgendwie mit anderen Leuten zusammen arbeite. Es fängt ja überall an. Ich meine, es gibt Artists, die geben ihren Feature-Gästen überhaupt keine GEMA ab oder überhaupt keine Punkte ab. Sowas kommt für mich nicht in Frage. Die Leute, die bei mir mit drauf sind, sind ja eh meine Freunde und ich will nichts von meinen Freunden, was mir nicht zusteht. Ich will auch, dass die ein Jahr später Spaß daran haben können, wenn sie eine GEMA-Abrechnung kriegen und sie sich sagen: Geil, ich hab ein bisschen Geld damit gemacht, hat Sinn gemacht und so weiter. Ich lege sehr viel Wert darauf, denn ich will auch selber fair behandelt werden. Ich habe keinen Bock drauf, dass mich irgendwelche Leute verarschen.

Es gibt also keine Entscheidungen, die du im Nachhinein anders bewertet hast, wo dir klar geworden ist: Hier hätte ich mich anders verhalten müssen?

Von meiner Seite aus nicht fair? Nein, da gibt's wirklich keine einzige. Seit 2002 fahre ich diese Linie und bin damit auch immer gut gefahren. Ich kann auf jeden Fall in den Spiegel gucken.

Bist du ein Typ, der der guten alten Zeit hinterher trauert?

Manchmal schon. Weil ich natürlich Chancen sehe, die ich verpasst habe. So zu „LMS"-Zeiten, wenn ich da ein Album rausgebracht hätte … da hätte ich diesen Manager gebraucht. Jemanden, der erkennt: so tickt der Junge und er braucht das und das, um ein Album zu machen. Dann hätte man unfassbare Summen an Geld verdienen können. Das wär schön gewesen.

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Du bist ja tatsächlich auch in der Lage, neben dem Battle-Ding auch wirklich gute persönliche Momente zuzulassen. Warum passiert das so selten?

Auf der einen Seite gibt es natürlich manchmal so Mitteilungsbedürfnisse, wo man sagt: Ey, ich will das jetzt mal loswerden. Auf der anderen Seite kommt es natürlich auch darauf an, mit dem man gerade ist und ob die Person einen dazu inspiriert. Mel ist so jemand, die sagt, du musst mehr so was machen, deswegen habe ich jetzt auch auf dem Album die „John Bello Story", die sich um mein Leben dreht. Aber davon abgesehen: Ich fand Seelenstriptease immer peinlich, aber jetzt so mit 35 denke ich, ist es ok, so einen autobiographischen Track zu machen. Aber mit Anfang 20 finde ich es lächerlich, irgendwelchen deepen oder politischen Kram zu bringen. Das führt ganz schnell zu Fremdschämen. Es klingt wie Floskeln aneinander gereiht. Ich habe von Anfang an gemerkt, das ist nicht mein Ding. Ich will auch gar nicht, dass, was weiß ich, drei Millionen Menschen da draußen wissen, wie ich ticke. Ich bin denen ja auch keine Rechenschaft schuldig. Wenn sich da Rapper hinstellen, die sagen, wann sie heulen und wann sie traurig sind, dass ihre Freundin sie verlassen hat und so, das ist mir persönlich unangenehm. Ich will das auch nicht von anderen hören, sage ich ehrlich (lacht). Interessiert mich nicht. Wenn Frauen das singen, ok, aber von Typen will ich das nicht hören.

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Glaubst du nicht auch, dass da auch viel durch Sprache vorgegeben wird? Letztendlich kannst du so was natürlich peinlich machen. Du kannst es aber auch gut machen. Es gibt ja einige englischsprachige Rapper, die da sehr gut drin sind. Haben wir einfach nur eine unpassende Sprache für solche Themen oder liegt es tatsächlich am Künstler selbst?

Die Sprache tut ihr Übriges. Im Türkischen kann ein gestandener Mann einen Liebessong schreiben und es klingt dann sehr leidenschaftlich und voller Sehnsucht. Es klingt angenehm. Bei uns sind viele Wörter einfach peinlich behaftet. Allein schon ‚Liebe'. In Amerika sagen Typen zueinander ‚I love you', ‚One Love' und so, weißte? Das geht doch hier überhaupt nicht. Wir sagen das vielleicht auch untereinander und machen da kein großes Ding draus, oder wir sagen es auf Englisch, aber hier klingt es automatisch komisch. Also es ist gut möglich, dass es mit dem Deutschen auch etwas zu tun hat.

Wann hattest du deine letzte Identitätskrise?

Die hatte ich nicht in Bezug auf Musik, sondern in Bezug auf eine Beziehung, die ich zu einem anderen Menschen hatte und wo ich mich meiner Meinung nach nicht gut verhalten habe. Ein paar Monate, nachdem das passiert ist, bekam ich Zweifel an mir selbst.

Hast du den Bushido-Film gesehen?

Ja.

Und?

Ey, es ist voll schwer, über dieses Thema zu reden. Ich hab das einmal gemacht, bevor ich ihn gesehen habe und da klang ich wie so ein verbitterter Hater. Da habe ich über Twitter quasi mein Gehate noch zurückgenommen, damit ich nicht so behindert rüberkomme. Damit die Leute nicht denken, der durfte natürlich keinen Film machen und jetzt heult er rum. Man kann den Film auf zweierlei Weise beurteilen. Einmal als Filmkritiker. Ich gucke im Monat zwanzig Filme, ich kenne jeden Kackfilm auf dieser Welt so mäßig und ich kenne die gesamte Videothek auswendig, da kann mich nichts mehr überraschen. Ich weiß teilweise auch nicht mehr, welche Filme ich schon gesehen habe und vergesse vieles wieder. Alle Filme werden nur noch eins. (lacht) Aus der Perspektive muss man sagen: Der Film ist nicht gut. Die Storyline ist miserabel, die Schauspieler sind nicht besonders gut. Es ist kein guter Film, wenn ich an gute Filme denke. Im Sinne von, was weiß ich, „Matrix", „Man beißt Hund", „Bad Lieutenant", „Stadt der Engel" oder von mir aus auch Witzfilme, „Happy Gilmore", also Filme, wo du weißt, da passt alles. Ich weiß aber auch, dass dieser Film nicht gemacht wurde, um sich an diesen Filmen zu messen. Für das, was er ist, ist er gut. Und was ist er? Es ist ein Film, der viele Leute, viele junge Leute ins Kino locken soll, der sie so'n bisschen entertainen will, damit sie ein bisschen ihrem Star näher kommen können. Aus der Perspektive ist es ein guter Film. Aus meiner Perspektive, als Filmkritiker, wenn ich einer wäre, ist es kein guter Film. Aber dadurch, dass ich selber Rapper bin, wird es immer irgendwie so klingen als ob ich rumheule. Aber das will ich überhaupt nicht. Jeder soll sich den angucken. Für Erwachsene ist es nichts, für Jugendliche ist er gut.

Vielleicht ist das ja der Plan B, Filmkritiker.

Wär geil, Alter. Würde ich gern machen, wirklich. Aber ich steh auch auf schlechte Filme und Hollywood-Schinken.

Wie geht es musikalisch weiter?

Touren auf alle Fälle, dann mache ich dieses MMS-Ding, also ein R'n'B-Album. Es ist geil zu sehen, wie eine Sängerin die Songs zum Leben erweckt, die ich geschrieben habe. Wie es sich dann anhört, nachdem es bei mir nur Gekrächze war, das gefällt mir voll gut. Und dann irgendwann noch mal ein Soloalbum. Vielleicht mache ich ja auch irgendwann mal so ein richtiges Backpack-Album, mit Premo, Pete Rock und son Quatsch. Large Professor. Geh ich nach New York und kauf mir ein paar Beats. Mal sehen, wer weiß, Alter.

Kool Savas' John Bello Story 3 erscheint am 12. März bei Essah Entertainment/Groove Attack.