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Wie man 24 Stunden im Berghain überlebt

Eine illustrierte Anleitung für Touristen und Neu-Berliner.
Illustrations by Nathaniel Flagg

Illustrationen: Nathaniel Flagg

In den letzten Monaten hat eine Handvoll ausländischer Mainstream-Medien das Wesen und den Einfluss des Berghains erforscht und die Beliebtheit bei ausländischen, insbesondere amerikanischen Touristen erörtert. Der Ruf von Berlins berüchtigtsten Nachtclub im Ausland basiert auf wilden Partys und der einzigartigen und einflussreichen Art von Musik, die innerhalb dieses früheren Heizkraftwerks gespielt wird. Aber auch Unmengen an Recherche können Auswärtige nicht ausreichend auf eine Nacht in den heiligen Hallen vorbereiten, besonders weil ein Abend dort auch mal bis zu 32 Stunden dauern kann und die meisten Touristen nicht die Ausdauer haben, die man für so langes Clubbing benötigt.

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Das Berghain ist nicht die Art von Club, in dem du auf dem Weg zu einem anderen Ort noch kurz Stopp machst—niemand hat das Berghain wirklich erlebt (und damit seine Magie auf bedeutende Weise genossen), der nicht mindestens 12 Stunden am Stück dort verbracht hat—und das ist nur das Minimum. Jeder angesehene und erfahrene Clubber hat den Techno-Göttern schon mal mindestens 24 Stunden am Stück geopfert.

Als Tourist solltest du nicht erwarten, aus dem Flugzeug zu steigen, eine Club Mate zu kaufen und direkt in deine erste Ganztags-Session im Berghain zu stolpern—das wäre so, als würdest du erwarten, ein Paar Tennisschuhe anzuziehen und ohne Training einen Marathon zu laufen. Ausgedehnte Ausflüge in diesen Club bedürfen ein gewisses Maß an Vorbereitung, und die Hardcore-Möchtegerns müssen ihre Belastbarkeit stärken, um die langen Stunden zu überstehen. Zum Glück sind wir die Experten und haben einen Leitfaden zum Überleben für dich zusammengestellt, der dir helfen wird, die beste, 24-stündige Nacht deines Lebens im Berghain durchzuhalten.

1. Geh erst Sonntagmorgen hin

Jeder Crashkurs über das Berliner Nachtleben beginnt mit einer Lektion über die besten und lohnendsten Stunden. Während andernorts Freitag- und Samstagnacht die beliebtesten Zeiten sind, ist für Berliner alles zwischen 22 Uhr und 6 oder 7 Uhr morgens für Touristen. Das gilt insbesondere für das Berghain; Freitagnacht ist grundsätzlich verschmäht, denn das ist die Zeit, zu der all die Anfänger und Möchtegerns zum Spielen rauskommen—also ruh dich Samstagnachts aus und geh gegen 7 oder 8 Uhr morgens dort hin, der Zeit, in der die House-orientierte Panorama Bar gerade auf Betriebstemperatur kommt.

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2. Trag die passende Kleidung

Tipps, wie man es ins Berghain schafft, beinhalten oft den Rat, halterlose Kleider im Schrank zu lassen und robuste Schuhe wie Doc Martens anstatt High Heels zu tragen. Wenn du nicht cool aussiehst lassen dich die Türsteher nicht rein. Sich nicht wie eine billige Discotante anzuziehen ist die halbe Miete. Wir würden dir raten, überhaupt kein Kleid anzuziehen, da Strumpfhosen dich untenrum schneller ins Schwitzen bringen als Hosen. Außerdem kannst du deine Klamotten nicht wechseln wenn du ein Kleid trägst—es sei denn du bringst ein zweites Kleid mit—also bist du besser beraten, Hosen zu tragen, damit du mittendrin dein Shirt wechseln kannst.

3. Nimm einen Rucksack mit

An diesen Rat würde niemand auch nur im entferntesten denken, der nicht einer Kultur entstammt, in der man mehrere Tage am Stück Party macht: Nimm einen Rucksack mit in den Club, bestücke ihn mit sauberer Kleidung und gib ihn an der Garderobe ab. Wenn du unbedingt eine Tasche mit in den Club nehmen musst, bietet ein kleiner Rucksack dir die ideale Möglichkeit, all deine Sachen im Auge zu behalten, wie Utensilien zum Joints bauen, die Garderobenmarke, dein Portemonnaie, Schlüssel und dein Handy. Nimm aber bloß kein besonders schönes Exemplar mit, denn du wirst ihn durchschwitzen.

4. Nimm ein paar Hygieneartikel mit

Zusätzlich zu dem Ersatzshirt, das du in deinem winzigen Rucksack hast, solltest du ein paar Hygieneartikel einpacken. Du wirst definitiv etwas Deo benötigen, einen Kamm, Minzbonbons und eine Packung Taschentücher, für den Fall, dass es irgendwann kein Toilettenpapier mehr gibt (was vorkommen soll).

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5. Wähl deine Drogen klug aus

Du BRAUCHST keine Drogen, um im Berghain Spaß zu haben—aber wenn du versuchst, 24 Stunden am Stück durchzuhalten, wirst du wahrscheinlich welche nehmen. Fang nicht an zu trinken oder Pillen zu werfen, bevor du ankommst (besonders wenn du um 7 oder 8 Uhr morgens kommst). Gönn dir stattdessen eine Stunde, um dich an den Vibe zu gewöhnen, genehmige dir was zu trinken und akklimatisiere dich. Alkohol ist nicht die beste Entscheidung, wenn du auf Ausdauer aus bist, da er teuer ist, du davon pinkeln musst und letztendlich besoffen in der Ecke liegen wirst. Berghain-Veteranen bevorzugen eine Kombination aus MDMA und Ketamin, da die Wirkung sozial, langanhaltend und psychedelisch ist—ein bisschen wie LSD, aber mit weniger Gefahr, misanthropische Zustände auszulösen.

6. Nimm einen Freund mit

Alleine ins Berghain zu gehen ist OK—du wirst Leute treffen, du wirst Spaß haben, du wirst tanzen und es wird großartig werden. Aber du wirst dich zweifellos schneller langweilen—außer du hast einen Freund, der dir Gesellschaft leistet und dich überredet noch eine Stunde zu bleiben, wenn du wirklich nach Hause gehen willst.

7. Versuch immer, dich auf etwas zu freuen

Vielleicht will sich keiner deiner Freunde auf eine 24-stündige Schicht im Berghain einlassen. Mach deinen Aufenthalt dort in diesem Fall zu einem Spiel, bei dem du immer wieder neue Dinge findest, die dich in Aufregung versetzen, wie eine neue Gruppe an Freunden, die dir begegnet, die Rollos der Panorama Bar, die sich zum ersten Mal am Morgen öffnen und einen mitreißenden Blick auf die Sonne ermöglichen, oder das nächste tolle Set.

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8. Füll deine Wasserflasche am Wasserhahn bei den Toiletten auf

Darauf wirst du wahrscheinlich selbst kommen, indem du andere Leute beobachtest—gib bloß kein Geld für neue Wasser- oder Club Mate-Flaschen aus, denn du kannst sie einfach am Wasserhahn wieder auffüllen.

9. Such dir (relativ) ruhige Plätze, um zwischendurch abzuschalten

Wenn du kein Übermensch bist, der 24 Stunden am Stück tanzen kann, wirst du dich irgendwann hinsetzen müssen—vorzugsweise an einem Ort, an dem dich andere Leute nicht stören und du auch keinem im Weg sitzt. Für ruhige Momente empfehlen sich der Lounge-Bereich über den Toiletten der Panorama Bar oder die Raucherbereiche, die seltsam hell und ruhig sind. Begib dich nicht zu den Sofas im hinteren Teil der Panorama Bar, außer du willst, dass Leute, die wirklich high sind, sich mit dir unterhalten wollen. Meide außerdem die Sofas im Berghain, da sich darauf wirklich eklige Dinge abspielen—es sei denn, du stehst auf eklige Dinge.

10. Versuch die düsteren Phasen durchzustehen

An einem bestimmten Punkt wirst du dich wie Scheiße fühlen. Deine Haut wird klamm und belegt vom Staub der Panorama Bar sein. Die Sonne wird dir in den Augen brennen und im Gesicht schmerzen. Du wist high sein und zur selben Zeit wieder runter kommen, was sich anfühlt als würde Gott dein Gehirn in seiner fleischigen Faust halten. Dein Rücken wird wehtun, deine Muskeln werden schmerzen und du wirst anfangen dich zu langweilen. Wenn du immer noch einen geraden Gedanken auf die Reihe bekommst, fängst du vielleicht sogar an, darüber nachzudenken wie schlimm das Berghain ist und wie viel Zeit du dort vergeudet hast; dann wirst du dich schuldig fühlen für all die Zeit, das Geld und die Energie, die du so einer eigensinnigen Aktivität geopfert hast. Wir haben noch nicht herausgefunden, wie man diese düsteren Phasen auf elegante Art durchsteht, also ist unser einziger Rat in diesem Fall, dass du dir einfach immer wieder sagst, dass dich, wenn du es durchstehst, eine höhere Ebene an Ekstase erwartet. Das sagen die Leute zumindest.

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