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Marx: „Eine Revolution ist kein Kinderspiel”. Marxisten: „Doch Kamerad, dass ist sie“

Ok, die Welt ist vollkommen am Ende. Wir haben es richtig vermasselt. Wir haben das Land ausgenützt, die Bankiers haben uns richtig verarscht, es gibt keine Jobs, wir sind alle pleite, die Dämme brechen, Satan kommt besoffen nach Hause, die Welt bewegt sich in biblischen Dimensionen dem Ende zu und man spürt förmlich die Wut Gottes: Feuer und Schwefel fällt auf uns herab! Die Meere und Flüsse kochen! Vierzig jährige Dunkelheit! Erdbeben, Vulkanausbrüche, lebende Untote die schlürfend umherziehen! Menschliche Opfergaben, Hunde und Katzen leben friedlich zusammen, Massenhysterie! Nicht einmal das Upgrade vom alten iPhone 3S zum iPhone4 kann man sich noch leisten, sondern muss warten bis sein Vertrag verlängert wird. Ich bin genauso aufgeregt wie ihr und deshalb bin ich für fünf Tage – FÜNF TAGE – zur „Marxism“ 2010 in London gegangen, da sie es sein werden die uns wieder auf die rechte Spur bringen (Die aber ironischerweise links liegt)

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Der Hauptgedanke dieses Treffens war es, die Linke Gemeinschaft wiederzubeleben und endlich die Ideen zu finden, mit denen man die Welt ändern kann. Und mit diesem Gedanken können sich viele besorgte Menschen anfreunden. Hinzu kamen große Namen der Politischen und Akademischen Szene – Slavoj Zizek, Tony Benn, Tariq Ali und Alex Callinicos um ein paar zu nennen – die Themen ansprechen würden, die sich von Sexualität bis Islamophobie, von Klimawandel bis zur Zukunft des Kapitalismus erstreckten, um eigentlich am Ende zu sagen, dass wir alle verloren sind und das es auch noch unsere eigene Schuld ist.

Bis hier hin lief auch alles nach Plan, aber das Programm hat leider vergessen zu erwähnen, dass die Eventveranstalter, „The Socialist Workers Party“, geplant hatten, die gesamte Zusammenkunft mit ihrem eigenen revolutionären Dogma zu übernehmen – ihr wisst schon, Arbeiteraufstände, Kommunistischer Lebensstil, alle leben auf dem selben Level und sind alle gleich deprimiert – was jede Chance für eine richtige Debatte schon im Voraus zunichte macht (ganz zu schweigen von einem Lächeln). Am Ende fiel mir auf, dass es sogar noch weniger Spaß machte mit diesen unreformierten Leninisten und der Ansammlung von Verrückten und politischen Alkoholikern zusammen zu sein, als mich auf dem beschissenen Festival zu tummeln, auf das ich sonst gegangen wäre. Ich hätte wahrscheinlich auch mehr über den Aufstand gegen die Grauen der Erde gelernt, wenn ich mir P!NK angesehen hätte, als hier rumzugammeln.

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Bitte versteht mich nicht falsch. Marx ist ein großartiger Typ und der einzige Grund warum ich hier überhaupt bin ist dass er und ich uns wirklich verstehen. Das Problem sind nur seine bescheuerten Anhänger. Der erste Vortrag zu dem ich ging hatte den Titel „Pin-ups, Porn, and Prostitution“ und wurde von keinem geringeren geleitet als Andrea „The Butcher“ Butcher. Hier lernte ich das es falsch und schlecht für Frauen ist das es Pin-ups gibt, dass Frauen in Süd Afrika kein Essen haben und dass auch das schlecht sei, aber ich lernte auch das Lenin gut sei und das eine von Arbeitern geführte Revolution auch gut sei, sogar sehr gut sei! Und als sich alle dann auch noch „Kamerad“ nannten, war ich schon sehr aufgeregt.

Doch es schien als wären die meisten Leute der radikalen Linken eher auf Picknicks als auf riesige Proteste fixiert. Wenigstens schien es mir so wegen der zahlreichen Picknick-Aufforderungen die fleißig umhergingen.

Lenin, du alter Spaßvogel! Was ist dein nächster Trick? Benutzt du jetzt schon eine Hungersnot als Waffe gegen Millionen Mitmenschen? Nein, nicht einmal du würdest das tun, oder? Du meinst also das „Eine Diktatur heißt unlimitierte Macht die durch Gewalt und nicht durchs Gesetz durchgesetzt wird“? Ha! Witziger Typ!

Wer ist bitte Roddy?

Hier ist doch mal ein schönes Picknick-Photo. Also der Hammer und Sichel hat mich noch nie so inspiriert wie diese mächtigen Gabel und Messer.

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Mal wieder typisch, dass diese Brighton-Hippies genau jetzt Picknick machen

In meinen Augen hat das hier nichts mehr mit dem linken Grundgedanken zu tun. Das einzige, was ich bei den revolutionären Picknicks fand, war eine große Auswahl von Tesco Value Snacks.

Dann fand ich einen alten Kameraden, der gleichzeitig eine Vodkaflasche leerte und einem jüngeren Kameraden erklärte, dass Isaac Newton, Kamerad, auf eine Privatschule gegangen ist, was wiederum bedeutet dass die Wissenschaft an sich schon bourgeois ist und daher falsch; und das der beste Vergleichspunkt für George Osbornes Budget, Kamerad, und das Engels Tagebuch aus dem 19 Jahrhundert sei.

Um die Sache noch unterhaltender zu machen gab es unzählige, übereifrige, sozialistische Studenten die aus ganz Europa anflogen um uns ihre T-Shirts anzudrehen, die ganz vielleicht noch von einem Festival T-Shirt übertroffen werden kann wo „iPood“ draufsteht. Und nur so nebenbei, T-Shirts für Profit verkaufen? Marx sagt du sollst dich sofort in die Ecke stellen und schämen.

Hinzu kamen noch hunderte von Bittstellern, die deine Unterstützung für die seltsamsten Dinge wollten, wie einer dessen T-Shirt aussah, als würde er für eine Borat Fortsetzung plädieren. (Ok jetzt schäme ich mich aber weil seine eigentliches Anliegen war über politische kurdische Gefangenen und gegen ihre Exekution).

Als ich an den Ständen sämtlicher Sozialistischen Arbeitergruppen entlang schlenderte, traf ich eine Gruppe, die sich „The Spartacist Leauge“ nannten. Diese stolzen Trotskyisten hatten einen ziemlich interessanten (und hiermit meine ich bescheuerten) Standpunkt über Asien. Vor allem der Punkt, wo sie Nord Korea gegen den Imperialismus und Kapitalismus vehement verteidigten war schon etwas besonderes.

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Als ich sie dann fragte was sie denn genau meinten und ob sie alles in allem die tyrannische Herrschaft von Kim Jong Il gut fänden, attackierten sie mich und beschuldigten mich, als Weißer, die Probleme und Anstrengungen eines Arbeiters nicht zu verstehen. Und als ich meinte, dass ich lieber ein Sklave des Kapitalismus, als ein Sklave in irgendeinem Nord Koreanischem Gulag wäre, nur weil ich eine extra Reisschüssel wollte, lachten sie mich aus und sagten, seltsamerweise, herablassend, dass ich keine Ahnung von Jugoslawien hätte.

Doch selbst in diesem riesigen Haufen Müll gab es ein paar wenige gute Augenblicke. Tariq Alis Rede über die Parallelen der heutigen Islamophobie und der Hetzte gegen die Juden vor 100 Jahren war sehr gut, besonders als er den Aufstieg der BNP und EDL in sein Argument aufnahm. Der Typ, der auf einem der Schiffe war, die vor einigen Wochen probiert hatten durch die Israelischen Barrikaden zu brechen, war als nächster dran und sprach über die rassistischen und illegalen Aktivitäten gegen die Palästinenser von Seiten der Israelis. Auch das war sehr beeindruckend.

Slavoj Zizek (der unglaublich behaarte Mann rechts von hier) beschimpfte danach als erstes einen alten Montenegriner Titoist, der vorschlug Jugoslawien wiederauferstehen zu lassen. Und als er danach zu seiner Rede ansetzte die im Kern allen sagte, dass Sozialismus vollkommen sinnlos sei und eigentlich nur eine reine Zeitverschwendung und dass es nicht eine einzige brauchbare Idee hervorbringen kann und wird, die uns in unsere Zeit helfen könnte, hatte dass dann schon einen eher dämpfenden Effekt auf alle anderen.