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Popkultur

Lachen muss wehtun, knacken und spritzen

Weniger Slapstick, mehr Schmerzen: Britische Serien sind besser, weil sie echter und darum brutaler sind.

Ich bin mit Fresh Prince of Bel Air, Friends, Bill Cosby und Al Bundy gross geworden. Dankbare Serien, die mir mittels wechselhafter Tonspuren mitteilten, wann, weshalb und wie ich zu lachen habe. So konnte ich— meistens genauso high wie hungrig—nach der Schule heimkommen, mein Gehirn komplett auf „stand by" stellen, lethargisch in den Sessel vor dem Röhrenfernseher sinken und schüsselweise Choco Pops in mich reinstopfen.

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Promofoto von The Fresh Prince of Bel-Air

Federleicht und amüsant wurden mir amerikanische Werte und der Spass, der mit ihnen zu haben ist, vorgebetet. Jeder Charakter ist menschgewordenes Klischee, so konsequent, dass die einzelnen Figuren gar nicht mehr echt sein können. Die einzelne Rolle hat nur einen Job: eine ganz spezifische Sammlung an Charaktereigenschaften auf Biegen und Brechen wiederzugeben. Die dumme Schlampe, der smarte Spieler, der konservative, frigide Trottel.

Die durchschnittliche amerikanische Sitcom könnte gut von Walmart, der C.I.A. oder Scientology erfunden worden sein. Seichte Unterhaltung, die jedes Nachdenken konzeptionell verhindert, bis ich weichgeklopft genug den Werbeblock empfangen darf. Das ist die Black Friday-Matrix.

Foto von The Office BBC Two

Dann kam Ricky Gervais in der Rolle von David Brent und schob mir die rote Pille der Fernsehunterhaltung in den Rachen. The Office konfrontierte mich erstmals—nach Monty Python versteht sich—mit der dunklen Seite des Gelächters: Statt surrealer Zwangskomik sind alltägliche Absurdität, neurotische Zwänge und das andauernde Sterben von Lebensträumen der Gegenständ der britischen Komödie. Die Dinge sind plötzlich lustig, weil sie wahr sind, nicht nur sein könnten. Zudem sind es echte, oft recht hässliche Menschen im britischen Fernsehen, die fluchen, dass sich die Balken biegen.

Wer sich die Entwicklung des Horror-Genres in den letzten Jahrzehnten, insbesondere Original vs. Remakes, ) ein bisschen angeschaut hat, weiss: Je realer die Darstellung, umso brutaler die Wirkung. Je grausamer und verstörender die Szene daherkommt, umso echter werden die emotionalen Unannehmlichkeiten des Zuschauers. Genau mit diesen Unannehmlichkeiten arbeitet der britische Humor.

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Das Blut spritzt dabei allerdings zwischen menschlichen Beziehungen; rohe psychische Gewalt mit der mentalen Kettensäge, seelische Vergewaltigungen und hirnfressendes Fremdschämen. Jeder Held muss öffentlich auf seinen menschlichen Schwächen gerädert werden. Die Illusion moralischer Reinheit, die Nachgeburt bürgerlicher Konditionierung, soll in den eigenen Körpersäften zappelnd verrecken.

Erst dann ist Wahrheit und erst dann wird's lustig. An Idiot abroad beispielsweise besteht nur daraus, dass sich Ricky Gervais über einen ungebildeten Idioten lustig macht, der ins „Ausland" geschickt wird, um dort fremde Kulturen kennenzulernen.

Foto von The Inbetweeners Channel 4

Dieses Vorgehen funktioniert in beide Richtungen; nicht nur sind die Protagonisten britischer Sitcoms Antihelden, meist totale Versager, arge Neurotiker oder einfach das personifizierte Böse, sondern auch der Zuschauer muss seine eigenen Abgründe betrachten, um mitlachen zu können.

Du kannst keinen Spass an Derek haben, wenn du nicht über Behinderte lachen kannst, weil es dir deine Moral verbietet. Ähnlich wie Eli Roth arbeiten die Briten mit Schockern. Wenn du den Inbetweeners zuschaust, denkst du lange, es handle sich um einen American Pie-Verschnitt, bis sich ein Darsteller den Arm lähmt, um besser wichsen zu können und ein anderer einem Kind ins Gesicht kotzt.

Foto von Monty Python's Life of Brian

Stockfinsteren Humor gibt's schon lange im britischen Fernsehen: Rowan Atkinson, der in Blackadder die moralisch defizitärste Schlange zum Hauptdarsteller macht und natürlich die ganze Monty Python Gang um Terry Gilliam, John Cleese und Eric Idle, die mit dem Flying Circus schon Ende der 60er Jahre ganz andere Standards setzten und später auch ewige Klassiker wie Time Bandits, Life of Brian, Brazil oder Fawlty Towers rausbrachten, haben den britischen Humor sicher nicht erfunden, ihm aber zeitlose Denkmäler gesetzt.

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Foto von Peep Show Channel 4

Die gegenwärtigen Superhelden des britischen Humors sind jedoch Robert Webb und David Mitchell. Ihre jetzt schon legendäre Erfolgsserie Peep Show bringt alles bisher Geschriebene auf den Punkt, besonders weil dort die Innenperspektive, die Gedanken der Rollen ausformuliert werden und so die absurde Tiefe des ganz normalen Wahnsinns umso direkter rüberkommt.

Foto von Ambassadors BBC Two

Aktuell ist von den beiden Ambassadors auf BBC Two zu sehen. Die lediglich drei Episoden der starken und wohlrecherchierten Serie handelt von britischen Diplomaten, die im politisch sehr unwirtlichen Tazbekistan zu überleben und die Interessen Englands zu vertreten versuchen. Teilweise funktioniert das auch. Tazbekistan ist in Wirklichkeit Usbekistan und die Serie eine Satire auf die in Wirklichkeit angestrengten Bemühungen der britischen Regierung in diesem postsowjetischen Streifen Hinterland den Fuss in der Tür zu halten.

Foto von Black Mirror Channel 4

Womit wir bei einem der zentralsten Punkte angelangt wären, warum britische Serien besser sind: Fernsehen ist in England noch kritisch. Die britische Sitcom erfüllt—vielleicht aufgrund der monarchischen Tradition—immer noch die wertvolle Rolle des Hofnarrs, der die Wahrheit sagt, aber in einen Witz verpackt, damit sie einfacher zu schlucken ist. Ein glänzendes Beispiel hierfür ist eine der erfolgreichsten britischen Serien aller Zeiten: Yes, Minister und Yes Prime Minister.

Foto von Black Mirror Channel 4

So hat das Fernsehen auf der Insel eine ganz andere Funktion als das propagandistische, moralgetränkte Gesäusel, welches wir von den Amerikanern kennen. Auch im Science Fiction-Sektor machen die Briten das Gegenteil von ALF. Utopia, Misfits und vor allem Black Mirror müssen hier erwähnt und von dir geschaut werden. Neben Science Fiction und Sitcoms bringen die Briten auch die Neuauflage klassischer Charaktere ziemlich gut hin, dazu solltest du dir gewiss Sherlock und je nach Gusto auch Merlin anschauen.