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Das Basketballturnier, bei dem man eine Mille gewinnen kann

Und mit Mille meinen wir eine Million. Das System ist recht einfach: Der Gewinner bekommt eine Million Dollar, der Verlierer keinen Cent. Und das Beste daran: Es spielen hauptsächlich Amateure mit, NBA-Spieler dürfen nicht teilnehmen.
Photo courtesy the Basketball Tournament

Beim Probetraining mit den Cleveland Cavaliers im letzten Sommer hatte Errick McCollum etwas gehört, das einfach zu gut klang, um wahr zu sein. A. J. Slaughter, der früher bei Western Kentucky auf der Point-Guard-Position gespielt hat, erzählte McCollum von einem Ausscheidungsturnier, The Basketball Tournament (TBT), bei dem die Siegermannschaft 500.000 Dollar gewinnen könnte, während alle anderen Mannschaften leer ausgehen würden. Slaughter gehörte leider zur zweiten Gruppe, doch auch wenn er keinen Cent gewann, konnte er nicht aufhören, über das Turnier zu sprechen.

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Als McCollum im Februar dieses Jahres in die USA zurückkehrte—übrigens als Top-Scorer der chinesischen Liga mit durchschnittlich fast 40 Punkten pro Spiel—, beschloss er, sein eigenes Team für die diesjährige Ausgabe vom TBT zusammenzustellen: Overseas Elite. Dieses Jahr betrug das Preisgeld sogar eine Million Dollar, und auch die Teilnehmerzahl stieg von 32 auf 97 Mannschaften. Was aber gleich blieb, war die Tatsache, dass nur eine Mannschaft etwas—und zwar die volle Mille—gewinnen konnte, während die restlichen 96 Mannschaften keinen einzigen Heller sehen würden. Und genau wegen dieses üppigen Preisgeldes waren McCollum und seine Teamkameraden vor Kurzem zum großen Finale in der Bronx.

Doch zurück zum Anfang: Bevor es losgehen konnte, brauchte McCollum—der ältere Bruder von Blazers-Guard C. J. McCollum—erst einmal eine Mannschaft, und dabei half ihm sein Agent, Andrew Morrison. Als Morrison im letzten Sommer zum ersten Mal von dieser seltsamen Turnierform hörte, war er skeptisch. „Wenn sie dir erzählen, dass der Gewinner einfach mal so mit 500.000 Dollar nach Hause geht, wird man natürlich stutzig", so Morrison. Bis er selbst ein paar der Spiele besucht hat. „Da wusste ich, dass es das Turnier wirklich gibt. Damit hätte ich nicht gerechnet."

Morrison konnte insgesamt neun Spieler zur Teilnahme überzeugen und sammelte die nötigen Online-Stimmen (100), um das Team beim Turnier anmelden zu können. Teilnehmen kann jeder, der über 18 ist und aktuell nicht in der NBA spielt. Der Erfinder des Turniers ist Jon Mugar, der früher selbst College-Basketball gespielt hat und vor zwei Jahren seinen Job als Drehbuchautor aufgegeben hat, um sich seinem Projekt TBT voll und ganz widmen zu können. Bei der ersten Ausgabe des Turniers nahmen viele ehemalige Collegestars teil, die noch immer professionell Basketball spielen, nur eben außerhalb der NBA, wie in der NBA Development League oder im Ausland.

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Er hat ihn gemacht, keine Sorge. Foto: The Basketball Tournament

In der ersten Runde mussten die Jungs von Overseas Elite in Atlanta antreten. Das Spiel sollte am 10. Juli stattfinden und am 9. Juli hatten sie noch nicht einmal miteinander trainiert. Morrison hatte eh nur von vier Spielern feste Zusagen: McCollum; Paris Horne, ein früherer Guard am St. John's College; Myck Kabongo, ein ehemaliger Guard an der Texas University; und Saint-Joseph's-Alumnus und Center Todd O'Brien. McCollum und Horne hatten beide Ausweichpläne in der Hinterhand, falls am Ende kein fünfter Spieler bereitstünde. Gegen Mitternacht hat Morrison dann einen WhatsApp-Gruppenchat aufgemacht und seinen vier Mannen geschrieben, dass sie am nächsten Morgen nach Atlanta fliegen sollten. Das Team hatte einen fünften Spieler.

Am 10. Juli hatte Travis Bader—der früher für die Oakland University auf der Guard-Position gespielt hat und den Rekord für die meisten Dreier in der Geschichte der NCAA Division I hält—ein Summer-League-Spiel für OKC, in dem er vier Punkte erzielen konnte. Direkt danach begab er sich Richtung Flughafen und bestieg einen Flieger nach Atlanta. Rund 45 Minuten vor Tipoff kam er in der Hauptstadt vom US-Bundesstaat Georgia an. „Ich dachte nicht, dass ich spielen würde", sagt Bader. „Morrison holte mich vom Flughafen ab und meinte nur ‚Du wirst spielen müssen'. Ich dachte, er meint vielleicht fünf oder zehn Minuten. Aber er ergänzte: ‚Du bist unser fünfter Mann.'"

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Bader zeigte keinerlei Anzeichen von Müdigkeit und kam auf insgesamt 14 Punkte beim 89:83-Erfolg seines Teams. Dabei hatte das Team nicht einmal einen Sixth Man auf der Bank zu sitzen und musste das gesamte Spiel—zwei Halbzeiten à 18 Minuten bei einer 35-Sekunden-Wurfuhr—ohne einen einzigen Auswechselspieler auskommen.

McCollum—der früher für das Goshen College, eine kleine Hochschule in der NAIA Division II, gespielt hat—trat als Anführer der Mannschaft auf und war ihr wichtigster Spieler. Das zeigte sich auch zwei Tage später in der dritten Runde des Turniers, als sein Team kurz vor Ende des Spiels mit fünf Punkten zurücklag. Bis sich McCollum ein Herz fasste und sieben der letzten neun Punkte erzielte und so den 1-Million-Dollar-Traum seines Teams am Leben hielt.

Am darauffolgenden Wochenende gewann Overseas Elite auch seine beiden nächsten Spiele, so dass man sich für das Halbfinale qualifizieren konnte. Pünktlich zur Vorschlussrunde war das Team dann auch fast komplett: Von den neun Spielern, die Morrison vor Turnierbeginn angemeldet hatte, waren acht spielbereit und heiß auf den ganz großen Wurf.

Eine Runde Teamgeist mit Spielern, die sich erst seit Kurzem kennen. Foto: The Basketball Tournament

Neben McCollum, Horne, Kabongo und Bader waren jetzt auch D. J. Kennedy, Kyle Fogg, Johndre Jefferson und Shane Lawal mit von der Partie. Lawal war erst am Tag vor den Halbfinalspielen aus Paris angekommen. Dort hatte er mit dem nigerianischen Nationalteam trainiert.

„Ich bin ins Flugzeug gestiegen", erzählt Lawal, der letztes Jahr noch in Italien gespielt hat, „und habe mir die ganze Zeit über ‚eine Million Dollar, eine Million Dollar, eine Million Dollar' vorgebetet.'"

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O'Brien war der einzige der ursprünglich neun angedachten Spieler, der nicht aktiv ins Spielgeschehen eingriff. Da er erst wenige Tage zuvor bei einem polnischen Team unterschrieben hatte, wollte er lieber kein Verletzungsrisiko eingehen. Die Jungs unterstützen wollte er aber dennoch. Also saß auch er auf der Bank und gab dem Team an der Seite von Coach Colin Curtin—Trauzeuge bei Morrisons Hochzeit und hauptberuflich Sportdirektor im Basketballbereich an der Hofstra University—Anweisungen.

Im Halbfinale dann gelang Overseas Elite ein ungefährdeter 84:71-Sieg—zu dem Horne und Kabongo jeweils 16 Punkte beisteuerten—gegen das Team City of God. Im gegnerischen Team kamen nicht nur die ehemaligen Draft-Picks DerMarr Johnson und Michael Sweetney zum Einsatz, sondern auch drei weitere Spieler mit NBA-Erfahrung. Bei Overseas Elite gab es mit Kennedy nur einen Spieler, der schon mal NBA-Luft schnuppern durfte—als er nämlich in der Saison 2011/12 zwei Spiele für die Cavs absolvieren konnte (aufgrund sehr guter Leistungen bei der diesjährigen Summer League kann er sich berechtigte Hoffnungen machen, schon bald wieder zu Einsätzen in der NBA zu kommen). Trotz der geringeren NBA-Erfahrung konnte sich Overseas Elite also auch im Halbfinale durchsetzen, so dass man plötzlich nur noch einen Sieg von einer Million Dollar entfernt war. Gleichzeitig wusste jeder einzelne von ihnen, dass sie im Fall einer Niederlage mit leeren Händen dastehen würden.

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Einfach nur Freude pur. Foto: The Basketball Tournament

Der Druck war also groß, was auch daran lag, dass so ziemlich alle von Overseas Elite das Preisgeld mehr als gut gebrauchen konnten. Nur wenige der Spieler hatten nämlich halbwegs gut dotierte Verträge und allen war bewusst, dass ihre Basketballkarriere mal wieder am seidenen Faden hing. Das galt auch für den Finalgegner von Overseas Elite, Team 23. Das hatte im bisherigen Turnierverlauf wirklich überzeugen und jedes seiner Spiele mit mindestens 11 Punkten Differenz für sich entscheiden können—und das, obwohl keiner seiner Spieler jemals in der NBA gespielt hatte.

Das Finale fand in der Bronx, genauer gesagt in der Mehrzweckarena der Fordham University, statt und wurde sogar von ESPN übertragen. Rund 1.000 Zuschauer waren gekommen, darunter auch viele Familienangehörige und Freunde der Spieler von Overseas Elite, die sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen wollten, ihre Liebsten mal in den USA spielen zu sehen.

Mit nur noch 54,8 Sekunden auf der Uhr lagen die Jungs von Overseas Elite mit 65:60 in Führung. Als Kabongo dann plötzlich gedoppelt wurde, entschied Coach Curtis, eine Auszeit zu nehmen. Im selben Moment gerieten aber Kabongo und ein Spieler von Team 23 aneinander und auf einmal standen auch die aufgebrachten Bankspieler auf dem Platz. Doch die Referees—die jahrelang College-Basketball auf höchstem Niveau gepfiffen hatten—trennten die Streithähne voneinander und sorgten rasch für Ruhe. Die Referees schauten sich die strittige Szene noch einmal in der Wiederholung an, konnten aber kein Foul feststellen.

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Als das Spiel endlich weiterging, sorgte Kabongo für einen Turnover. Davin White von Team 23 schnappte sich den Ball und verwandelte einen schwierigen Dreier, so dass der Rückstand plötzlich nur noch zwei Punkte betrug. Beim Stand von 67:65 für Overseas Elite hatte Team 23 den Ball und noch rund 10 Sekunden auf der Uhr. Doch da die Mannen um Coach Colin Curtin super verteidigten, kam Team 23 zu keinem Wurfversuch mehr.

Nehmen sie auch Schecks? Foto: The Basketball Tournament

Als das Schlusssignal ertönte, lagen sich die Jungs von Overseas Elite glücklich in den Armen, während es Konfetti regnete und „All I Do Is Win" von DJ Khaled aus den Lautsprechern brüllte. Das Team posierte mit dem XXL-Scheck für die Kameras. Jeder Spieler der Gewinnermannschaft erhielt zwischen 55.000 und 107.000 Dollar, abhängig von der Anzahl der absolvierten Spiele. Die 139 Fans, die mit ihren Online-Stimmen überhaupt erst die Turnierteilnahme von Overseas Elite ermöglicht hatten, wurden ebenso belohnt—und zwar mit einer kleinen Geldsumme oder einem TBT-Meistershirt.

Nach dem Spiel begann Morrison schon wieder an die Zukunft zu denken. „Die Jungs haben soeben einen Zweijahresvertrag bei mir unterschrieben", sagte er lachend.

Das war natürlich nur Spaß, denn das viel wahrscheinlichere Szenario sieht so aus, dass Overseas Elite in dieser Formation wohl nie wieder zusammenspielen wird. Denn wer weiß, was nächsten Sommer für die einzelnen Spieler alles ansteht. Sei es, dass sie sich in der NBA Summer League beweisen dürfen oder bei einem Profiverein unter Vertrag stehen, der ihnen eine erneute Teilnahme am TBT untersagt. Denn das wissen alle Spieler von Overseas Elite: Dass das Leben von Basketballprofis am Rande ihres Sports ein Leben ohne sichere Fixpunkte ist.