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Gendertausch dank der virtuellen Realität von Oculus Rift

Wolltest du nicht schon immer mal ein Anderer sein? Dank einer neuen Performance-Applikation für die Virtual-Reality-Brillen kannst du dich jetzt in ein anderes Gender einfühlen.
So fühlt sich wohl ein Gendertausch im Schnellverfahren an, via Oculus Rift. Bild: BeAnotherLab Screenshot

Eine der Verlockungen von Videospielen bestand schon immer in der Verwandlung der eigenen Person während des Spielverlaufs. Jetzt erreicht dieser transformative Prozess dank Oculus Rift eine neue Dimension. Die Hi-Tech-Skibrille wird heute bereits von vielen Spielentwicklern für die verschiedensten Zwecke eingesetzt, so z.B. für das realitätsnahe Erlebnis beim Anleiten riesiger Roboter oder für das gesteigerte Vergnügen beim Plattmachen unzähliger Terroristen in den allseits bekannten Ego-Shootern.

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Doch das Versprechen, dass aus der virtuellen Wirklichkeit eines Tages eine irgendwie authentische Realität werden könnte, hat auch dazu geführt, dass manche Menschen über noch schrägere Arten von Game-Applikationen nachdenken. Diese Menschen wollten nicht einfach  eine weitere Generation von Videospielen entwickeln, in denen sich alles um das Töten von Aliens dreht.

Ein gutes Beispiel dafür liefert jetzt das Künstlerkollektiv BeAnotherLab mit ihrem Projekt The Machine to Be Another. Sie haben vor kurzem ein Video veröffentlicht, dass zwei Menschen zeigt, die mithilfe der Oculus-Rift-Brillen ihre Körper vertauschen und in einer virtuellen Welt Erfahrungen als ihr Gegenüber sammeln.

Im Grunde genommen besteht das Experiment darin, dass zwei Menschen (ein Mann und eine Frau) mit Oculus-Rift-Brillen ausgestattet werden, an denen zusätzlich Kameras angebracht sind, die die aufgenommen Bilder auf das Display des jeweils Anderen übertragen. Das erlaubt es den Personen, die Perspektive ihres Gegenübers einzunehmen—blickt der Mann auf seinen Körper herunter, dann sieht er den der Frau und umgekehrt. Das mag sich zunächst weniger spektakulär anhören als das, was man normalerweise in Videospielen so treibt, doch was The Machine to Be Another wirklich macht, ist in Wahrheit auch viel subversiver: Mit dieser Maschine können die „Spieler" ihr Gender wechseln.

„Mit diesem Experiment untersuchen wir wichtige Fragestellungen der Genderidentität, der Queer-Theory, der feministischen Techno-Science-Bewegeung, der Intimität und des gegenseitigen Respekts," heißt es in der Beschreibung des Videos.

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Doch an diesem Punkt erinnert mich das Ganze eher eine Kunstperformance—BeAnotherLab geben in ihrer Video-Beschreibung zu, dass das „Embodiment nicht funktionieren würde", wenn die Teilnehmer ihre Bewegungen nicht perfekt „miteinander synchronisieren" würden.

Trotzdem wirft das Experiment sehr interessante Fragen darüber auf, inwiefern wir über Identitäten innerhalb virtueller Realität letztendlich entscheiden dürfen—werden wir die bewährten Fixierungen des menschlichen Daseins bevorzugen oder uns für jenseitigere Konstruktionen entscheiden? Wenn ich so darüber nachdenke, dann hat das Drücken eines Haufens bunter Knöpfe und das Herumfuchteln mit einem Joystick, um einen Roboter zu kontrollieren, wirklich nicht viel mir der Realität zu tun. Das Berühren eines menschlichen Körpers hingegen, auch wenn es nicht dein Körper ist, ist viel näher an den Erfahrungen, die wir tagtäglich machen.

Vielleicht ist es diese Nähe zur Realität, die den Menschen Angst macht. Sie hilft uns aber auch zu verstehen, warum es immer einige Spieler gibt, denen es gegen den Strich geht, wenn Videospiele wie Dragon Age oder Mass Effect auf den Markt kommen—Spiele also, in denen offensichtlich schwule Avatare ihre romantischen Neigungen mit Gleichgesinnten und Aliens in virtuellen Welten ausleben können. Beim Betrachten des Videos von The Machine to Be Another erinnerte ich mich an etwas, was der Philosoph und Queer-Theoretiker Jack Halberstam zu mir sagte, als ich mit ihm über die Aufregung der in Mass Effects dargestellten Homosexualität sprach:

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„Es ist äußerst faszinierend, dass wir selbst in diesen virtuellen Welten, in denen es zu artübergreifender Intimität kommt, noch immer den gleichen fundamentalen Tabus gegen Intimität begegnen. Das zeigt uns, dass die Community von Videospielern zwar Zugang zu anderen Welten hat, diese aber nicht als anders erleben will oder kann. Der weiße, heterosexuelle Mann dominiert selbst diese Welten. Obwohl sich diese Welten in einem ständigen Wandel befinden und es nach wie vor die Möglichkeit gibt, Existenzräume für die verschiedensten Gender zu schaffen, gibt es einfach nicht genügend Spieler, denen das wichtig ist."

Wird Oculus Rift uns aus dieser Einheitswelt des „weißen Mannes" führen können? Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir auf die technische Lösung aller menschlichen Probleme setzen sollten. Ein heißer Trend in der Gaming-Welt von 2013 waren die sogenannten „Empathie-Spiele." Sollen sich diese durchsetzten, dann wäre das eine interessante Perspektive für alle Spieler, die an Depressionen, Sucht- oder familiären Problemen leiden. Doch schon allein der Gedanke, dass wir vielleicht eine oder mehrere virtuelle Welten haben werden, in die wir mit unseren ganzen Körper eintauchen und in der jeder seine Identität wie einen Anzug wird wechseln können, macht es mir schwer nicht in Aufregung zu verfallen.

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