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Die genetische Erklärung für die Harmlosigkeit domestizierter Tiere

Mit einer neuen Studie glauben Genforscher eine Erklärung gefunden zu haben, warum domestizierte Tiere überall auf der Welt zur einheitlichen Ausprägung von Schlappohren und anderer körperlicher Niedlichkeit neigen.
Zwei Hunde auf grüner Wiese

Welches wilde Tier in Wald oder Heide hat niedliche Klappohren? Eigentlich gar keins, denn die Ohren der Säugetiere in freier Wildbahn stehen aufmerksam und selbstbewusst nach oben. Schon Charles Darwin beschrieb diese Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Haustiere im ersten Kapitel der Entstehung der Arten: „Es gibt nicht ein einziges domestiziertes Tier, das nicht in irgendeinem Land Hängeohren hat."

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Eine aktuelle Veröffentlichung in Genetics bringt eine mögliche Erklärung dafür ins Spiel, warum Haustiere solche körperlichen Ähnlichkeiten zeigen.

Die Haustiere zeichnen sich nicht nur durch niedliche Ohren aus, sie haben auch kleinere Gehirne, kleinere Zähne, kürzere, geschwungene Schwänze und helleres, gefleckteres Fell als ihre ungezähmten Verwandten. Das Phänomen nennt sich Domestizierungs-Syndrom.

In den 1950er Jahren begann der russische Fuchsfell-Händler und Genetiker Dmitry Belayaev sibirische Füchse zu domestizieren. Nur 20 Generationen später, also innerhalb von 25 Jahren, hatte er es soweit geschafft, dass die Tiere weniger aggressiv und für die Haushaltung geeignet waren. Doch nicht nur das Temperament änderte sich, die neuen Generationen hatten ebenfalls kürzere Köpfe, kleinere Zähne, geflecktes Fell, geschwungene Schwänze und weiche, süße Klappohren. Die Forschung wird auch heute noch am Institut für Zellbiologie und Genetik in Novosibirsk fortgeführt.

In der aktuellen Studie zeigen Adam Wilkins und seine Mitarbeiter vom Stellenbosch Institute of Advanced Study in Südafrika nun, dass diese Domestizierungsanzeichen mit der Entwicklung der Neuralleiste, dem Teil des Embryos, der aus dem sich entwickelnden Nervensystems hervorgeht, sich aber zu anderen Körperteilen weiterentwickelt.

Die erstmals vom Schweizer Anatom Wilhelm His, Senior beschriebene Neuralleiste besteht aus beidseitigen Zellreihen (im Bild unten „Neural Crest") auf einer Gewebeplatte, die „Ectoderm" genannt wird. Zellen der Neuralleiste wandern an entfernte Stellen im Embryo, wo aus ihnen zum Beispiel Teile der Zähne, Knorpelelemente des Kiefers oder Sinneszellen der Haut entstehen.

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Entstehung des Nervengewebes. Bild: Wikipedia | CC BY 3.0

Doch die Neuralleiste produziert nicht nur das Skelett des Gesichts, das Bindewegebe, die Zähne und die Ohren, sondern auch die Pigmente, Nerven und Nebennieren, die für den Kampf- oder Fluchtinstinkt verantwortlich sind, und ist zusätzlich für eine Stimulation des Vorderhirns und verschiedene Hormondrüsen zuständig.

Die Forscher um Adam Wilkins nehmen an, dass der Domestizierungsprozess einige vorher vorhandene Varianten in den Genen auswählt, die die Entwicklung der Neuralleiste beinflussen. Das führt zu einem Rückgang der aktiven Zellen in der dieser und zieht Veränderungen in den von der Neuralleiste bestimmten Wachstumsschritten nach sich. So wird das Domestizierungs-Syndrom also auf den Weg gebracht.

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Bild: Fotopedia | CC BY-SA 2.0

Fazit der Studie ist also: aufgrund der embryonalen Entwicklung des Nervensystems sind Haustiere nicht nur niedlicher und harmloser, sondern auch ein bisschen dümmer.

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