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Jetzt ist es offiziell: NASA-Forscher testen den EmDrive und er gibt Schub

Die Forscher sind sich zwar noch nicht sicher, wie der „unmögliche“ Raketenantrieb funktioniert. Sie haben aber eine Idee, warum ihr Antrieb den wichtigsten physikalischen Gesetzen trotzt.

Bild: NASA, White, et al.

Monatelang brodelte die Gerüchteküche, nun hat das Warten ein Ende: Das NASA-Paper, das den Beweis über die Funktionstüchtgkeit des EmDrives liefert, ist endlich veröffentlicht. Laut der Forschungsergebnisse erzeugt der EmDrive-Prototyp tatsächlich einen messbaren Schub und hat somit das Potenzial, die Raumfahrt zu revolutionieren.

Dem Paper zufolge, das vorab als geleakte Version im Netz auftauchte, ist es NASA-Wissenschaftlern gelungen, einen funktionstüchtigen Prototypen eines elektromagnetischen Antriebs, kurz EmDrive, zu bauen. Da er gegen das dritte Newtonsche Gesetz verstößt, wurde dieser theoretisch treibstofflose Raketenantrieb bisher eigentlich als „unmöglich" abgetan. Auch im Internet wird der EmDrive heiß diskutiert: So löschten beispielsweise die Moderatoren des Subreddits /r/Physics einen Thread mit einem älteren Motherboard-Artikel mit der Begründung, dass der EmDrive zu unwissenschaftlich sei, um dort diskutiert zu werden.

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Doch Ende letzter Woche war es so weit: Das NASA-Paper über den EmDrive wurde online im Journal of Propulsion and Power des American Institute of Aeronautics and Astronautics (AIAA) vollständig veröffentlicht. Somit hat das umstrittene Paper offiziell die Peer-Review-Phase überstanden. Auch wenn das an sich schon ein Meilenstein für den elektromagnetischen Antrieb ist, heißt das noch lange nicht, dass die vorgebrachte Argumentation auch wasserdicht ist. Die abgeschlossene Peer Review bedeutet erstmal nur, dass das von den Wissenschaftlern angewandte Vorgehen, um zu den gemessenen Ergebnissen zu gelangen, von anderen Wissenschaftlern als stichhaltig angesehen wird.

Der Inhalt des veröffentlichten Papers ist größtenteils mit der geleakten Version identisch. Besonders hervorzuheben ist, dass die aktualisierte Version bestätigt, dass der EmDrive-Prototyp konstant 1,2 Millinewton pro Kilowatt im Vakuum erzeugen kann—auch nach Ausschluss einer Vielzahl möglicher Fehlerquellen. Und das, obwohl der Prototyp scheinbar Schubkraft erzeugt, ohne eine ersichtliche gleichwertige Gegenreaktion auszulösen, und damit Newtons Wechselwirkungsprinzip und dem Impulserhaltungssatz klar widerspricht.

Genau darin besteht der große Reiz des EmDrives: Er soll ganz ohne den Ausstoß von Treibstoff auskommen und ist somit viel leichter als die herkömmlichen Rückstoßantriebe. Stattdessen soll der elektromagnetische Antrieb elektrische Energie mittels Mikrowellen in einem abgeschlossenen System in Schubkraft umwandeln. Das macht ihn für die Raumfahrt attraktiver als andere hochentwickelte Raketenantriebe, selbst wenn diese heute schon eine höhere Schubkraft aufweisen können.

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Zwar gibt es auch andere treibstofflose Antriebe, wie Sonnensegel, Laserantrieb oder Photonenraketen, doch dem Paper zufolge soll die Leistungsfähigkeit des EmDrives um ein Vielfaches höher sein. Somit könnte der leichte, leistungsstarke EmDrive vielleicht tatsächlich der Raketenantrieb sein, der den Menschen bis zum Mars und darüber hinaus bringt.

Eines dürfen wir jedoch nicht vergessen: Auch wenn der EmDrive offenbar mehrere Testrunden erfolgreich überstanden hat, scheint er immer noch gegen diverse physikalische Grundsätze zu verstoßen. Obwohl es in den vergangenen Jahren viele theoretische Ansätze gab, um diese scheinbaren Widersprüche zu erklären, konnte bisher keine dieser Theorien einer wissenschaftlichen Überprüfung—oder besser gesagt Peer Review—standhalten. So war das AIAA angeblich auch nur bereit, das NASA-Paper zu veröffentlichen, wenn die Forscher den Theorieteil, in dem sie die Quantenvakuum-Theorie als Erklärungsansatz hervorbringen, stark einschränken würden.

Ausführliche Erklärung zu den wissenschaftlichen Hintergründen: Physiker erläutert, wie der EmDrive funktionieren könnte

Entsprechend kurz fasst sich das veröffentlichte Paper nun auch, wenn es um eine theoretische Erklärung für die gemessene Schubkraft geht. Die Forscher führen die Hypothese an, dass die Antwort in der Theorie der Führungswelle, auch bekannt als De-Broglie-Bohm-Theorie oder Bohmsche Mechanik, in Kombination mit verborgenen Variablen liegen könnte. Dieser Ansatz ist eine deterministische Herangehensweise an die Quantenmechanik, die der vorherrschenden Kopenhagener Deutung widerspricht, und daher eigentlich nur von sehr wenigen Forschern vertreten wird.

Im Gegensatz zur Kopenhagener Deutung misst die Bohmsche Mechanik der Rolle des wissenschaftlichen Beobachters keine entscheidende Bedeutung zu: Ihrem Verständnis nach, sind die Bewegungen der Teilchen durch die Wellenfunktion festgelegt, sie werden von der Wellen bildlich gesprochen „geführt". Die Kopenhagener Interpretationen besagt hingegen, dass die Position eines Teilchens erst durch die Beobachtung bestimmt wird.

Die NASA-Forscher um Harold White glauben, dass der EmDrive Schubkraft generieren kann, weil in einem Quantenvakuum durch Schwankungen virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare entstehen, die sich kurze Zeit später gegenseitig auslöschen. In Whites Ansatz entstehen diese Vakuumfluktuationen durch das elektromagnetische Feld, das vom EmDrive generiert wird. Laut dieser Theorie würden sich die Mikrowellen innerhalb des EmDrive-Hohlraums praktisch von diesen virtuellen Teilchenpaaren abstoßen und so die Schubkraft erzeugen, die von White und seinen Kollegen im EmDrive-Experiment beobachtet wurde. Somit verstoße der EmDrive auch nicht gegen den Impulserhaltungssatz, auch wenn äußerlich keine gegensätzliche Reaktion sichtbar sei.

Ob die Ergebnisse des NASA-Papers in der Realität tatsächlich bestehen können, werden weitere Tests zeigen müssen.