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Von Penetrationstests und Feminismus

Die Debatte um das FemCamp Wien, die am Wochenende teilweise sehr unschön auf Twitter tobte, zeigt, wie notwendig eine sachliche Debatte über Feminismus ist.

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Die Debatte um das FemCamp Wien, die am Wochenende teilweise sehr unschön auf Twitter tobte, bestand im Grunde aus zwei Teilen. Der eine Teil entzündete sich an der Ausladung Roland Giersigs und drehte sich um die Frage, ob offene Veranstaltungen einzelne Menschen durch eine Policy ausschließen dürften. Mahriah, vom Femcamp-Organisations-Team schreibt uns auf Anfrage zur umstrittenen Policy: „Das FemCamp war grundsätzlich offen und bemüht, gerade Menschen die aus vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen werden, die Teilnahme zu ermöglichen. Wer durch z.B. grenzüberschreitendes oder verletztendes Verhalten andere Menschen einschränkt, ist nicht willkommen gewesen. […] Zu kurzsichtig gemeinte Offenheit bedeutet meistens, dass gesellschaftliche Ausschlussmechanismen dazu führen, dass viele Menschen nicht zu Wort kommen. Dem wollten wir mit unserer Policy entgegenwirken, um Erfahrungsaustausch und Gespräche zu ermöglichen für die auf solchen Veranstaltungen sonst kein Raum ist.“ Zu dem Thema wurde ziemlich sachlich diskutiert, Argumente dafür und dagegen gab es von verschiedenen Seiten.

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Daneben gab es eine Diskussion, die schnell völlig entgleist ist. Angefangen hat es mit einem Tweet von FemAnonAustria, einem Satireaccount, dessen Unterhaltungswert massiv fragwürdig ist.

Wir hoffen ihr erscheint zu unserem großen #Penetrationstest am #FemCampWien! ;) 20./21. Juni, Aux Gazelles, Rahlgasse 5, 1070 Wien

— FemAnonAustria (@FemAnonAustria) 18. Juni 2014

Peter Rabl, einer der „Alphas" (wie ältere, weitgehend männliche und medienerfahrene Twitterer mit vielen Followern spöttisch genannt werden) hat diesen Tweet geretweetet, woraufhin eine scherzhafte Unterhaltung zwischen ihm und Rudi Fußi stattfand. Haha! Penetrationstest! Haha! „Penetrationstest" ist eigentlich ein Begriff aus der Informatik, im Kontext mit dem FemCamp Wien war das natürlich ein extrem schlechter Scherz. Viele interpretierten den Aufruf zum Penetrationstest zu kommen als Aufruf, die Teilnehmer des Camps zu vergewaltigen. Rabl gab später an, den Witz nicht verstanden zu haben, konnte aber auch nicht wirklich erklären, warum er dann auf den Retweet-Button geklickt hat.

Wenn man an diesem Punkt ankommt, ist es wohl besser, man(n) (also Rabl und Fußi) lenkt ein, entschuldigt sich und macht klar, dass es nicht klug ist, wenn sich zwei bekannte Männer über vermeintliche Penetrationstests auf einem feministischen Camp lustig machen. Trollen gut und wesentlicher Bestandteil des Netzes, aber Fehler zuzugeben zeichnet nicht nur im Internet Menschen aus. Dabei geht es nicht darum, sich einem Gutmenschen-Redeverbot zu beugen, sondern sich selbst einzugestehen, es im öffentlichen Raum zu weit getrieben zu haben. Manche Dinge sind nicht lustig, wenn man bedenkt, dass es viele Menschen gibt, die dadurch verletzt werden.

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Wenn Minderheiten verbal angegriffen werden—und sei es durch Witze—dann ist es nachvollziehbar, wenn sie reagieren. Gewaltandrohungen sind vielleicht nicht der beste Weg, um die Ernsthaftigkeit des Themas zu vermitteln, aber es zeigt doch, wie wichtig eine nüchterne Debatte über Feminismus ist.

. @RablPeter @rudifussi Wenn ihr Arschlöcher so weiter macht gibt's einen Penetrationstest meiner Faust und eurem Gesicht.

— die Alvir (@OljaAlvir) 19. Juni 2014

Ich habe Olja Alvir gefragt, weshalb für sie die Tweets von Fußi und Rabl so schlimm waren: „Mir ist komplett unklar, warum eins immer noch erklären muss, dass es verwerflich ist, Vergewaltigungsandrohungen an ein großes Publikum weiterzuverbreiten. Vergewaltigungen sind nichts Lustiges und sie in irgendeiner Weise zu verharmlosen oder umspaßen ist ekelhaft. Vergewaltigungen und Gewalt sind fester Lebensbestandteil und Realität viel zu vieler Frauen*.“

Das FemCamp sei eine wichtige Veranstaltung, nun aber zu einer sektenartigen Veranstaltung verkommen, antwortet Rudi Fußi auf meine Frage, was er von der Wichtigkeit des FemCamps halte. Die, die ihm die Verharmlosung von Vergewaltigung unterstellt haben, hätte er überlegt zu verklagen. „Wenn man einen ,sicheren Raum' schaffen will, um Frauen vor verbalen Angriffen zu schützen und dann selbst derart hasserfüllt andere Diskursteilnehmer attackiert, zeugt das schon von einer gewissen Inkonsistenz und Heuchelei.“

Das Wochenende hat wieder mal drei Dinge offengelegt: 1. Trollversuche können unfassbar daneben gehen—vor allem, wenn sich die Trollversuche nicht gegen privilegierte Gruppen, sondern eher „nach unten“ richten. Da ist es eigentlich fast nebensächlich, dass Peter Rabl und Rudi Fußi sicher keine Vergewaltigungen gutheißen wollten. 2. Twitter ist in Österreich ein Dorf. Dementsprechend dreht sich die Folgedebatte gerade auch darum, ob die starken Jungs des Dorfs nicht mal ihrer Verantwortung nachkommen müssten. 3. Der Graben zwischen Linksliberalen und Linken ist eigentlich mehr ein Canyon.

Hanna auf Twitter: @hhumorlos

Jonas auf Twitter: @L4andvogt