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Reisen

Tropische Gothics

Maria Isabel Rueda hat seit den frühen 90ern in Ländern wie Kolumbien, Mexiko und Kuba die Gothic-Szene fotografiert. Sie hat ihre Arbeit in eine Reihe Zeitschriften gebracht, die erste war Tropical Goth und ließ mich meine Position gegenüber der ganzen "Gothic"-Sache überdenken.Maria arbeitet gerade an ihrer dritten Folge in der Serie, Tropical Black wird sich hauptsächlich auf die Jugendkultur in Havanna konzentrieren. Ich habe mit ihr über den gegenwärtigen Zustand des Goth geredet und warum es jedem wert sein sollte, davon Bilder zu machen.

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Vice: Wie kommt es, dass du dich auf Kids konzentrierst, die auf diesen Gothic-Müll stehen?
Maria Isabel Rueda: Das habe ich zuerst nicht getan. Erst habe ich angefangen die Kids zu fotografieren, mit denen ich gerne rumgehangen habe, ich wollte ein Teil ihres Lebens sein. Ich wollte ihnen nahe sein und die Fotos waren ein Weg der Herstellung von Bildern, der für mich sehr erotisch war. Ich habe mich aufgemacht und Polaroids geschossen, weil ich nicht wusste, wie man Fotos macht. Langsam habe ich es gelernt und eine Serie namens Reves produziert, als Ecstasy und Rave in Kolumbien ganz groß waren. Diese Kinder haben viel Zeit damit verbracht, an ihrem Image zu arbeiten, ein Haufen von ihnen hat seine eigene Kleidung entworfen, dann haben sie sich auf eine ganz besondere Art gekleidet. Ich habe sie draußen inmitten der Stadt unter Natur, Blumen und Farben fotografiert.

Meine erste Ausstellung habe ich mit diesen Porträts gemacht und da fing ich auch mit dieser Art Tradition an, dass bei meinen Vernissagen immer Livemusik gespielt wird. All die Typen, die ich fotografiert hatte, standen neben ihren eigenen Bildern. Es war so, als ob wir die ganzen Szenen von Bogota an einem Ort versammelt hätten.

Wie ist Tropical Goth zustande gekommen?
Die Tropical Goth-Sammlung hat ihren Anfang genommen, als ich noch keinen Plan für meine Abschlussausstellung hatte und dieses lesbische Paar in großen schwarzen Kleidern auf der Universität an mir vorbeigegangen ist. Es gab eine Mall in meinem Viertel, die hieß Via Libre und da trafen sich freitags die Goths. Musik und Albumcover beeinflussten sie in diesen Zeiten vor dem Internet, das war der einzige Weg, wie man einen Bezug zum Aussehen der Goths suchen und dahingehend recherchieren konnte. Im Wesentlichen war das alles ein Ratespiel, wir haben einfach nicht so viele Bilder gesehen.

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Auch in Mexiko gibt es eine große Gothikszene, stimmt's?
Ja. Meine Crash-Bilder habe ich damals in den 90ern in Chopo gemacht, wo die Gothic-Szene noch richtig groß ist. Da habe ich auch viele Bilder von Männern aus der schwulen Gothic-Szene gemacht.

Im Westen kümmert es niemanden wirklich mehr, wie man sich kleidet, trifft das auch auf konservativere Orte wie Kolumbien zu?
Die Leute gewöhnen sich langsam an Goths und solche Sachen. Post-Internet, nichts kann mehr wirklich schockieren. Damals war Goth etwas, über was man mal gelesen oder auf einer Platte gehört hat, doch gesehen hat man es selten. Die eigentümlichen Interpretationen, die die Leute über den Stil gemacht haben, erzeugten diese seltsamen Mischformen, die man in meinen Bildern sieht. Wenn man so gekleidet in Kolumbien aus dem Haus gegangen ist, war das eine klare Botschaft oder ein Zeichen von Opposition. Vielleicht wussten die Leute selber nicht, was es war, oder gar richtig darüber reden, wogegen sie sich stellten, doch sie wussten, dass ihre Erscheinung sichtlich schockierte. Jeder wurde regelmäßig aufgehalten und von der Polizei durchsucht.

Bild aus Tropical Goth

Deine Zeitschrift Tropical God hatte den spanischen Untertitel: "Wenn Gott dunkel wäre, würde sich alles ändern."
“Wenn Gott dunkel wäre, würde sich alles ändern" ist der Text eines Salsa-Songs, den ich liebe. Tropical God ist die zweite Ausgabe meines Magazins nach Tropical Goth und basierte auf meinen Reisen entlang der kolumbischen Küste, auf Medien und Hexen, Erzählungen von Stigmatisierungen und Exorzisten, Kirchgängen, Treffen von Selbstgeißlern usw. Die Idee war zu zeigen, wie sich die Leute ihre eigenen Götter konstruieren und an sie glauben sowie die Vorstellung davon, dass alles Dunkle seinen Gegenspieler im Licht hat.

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G Street, Havana

Deine letzten Bilder aus Havana sind vielmehr ein Mischmasch von allem als Gothic.
Weil es ein armer Ort ist, haben die Kinder in Kuba keine Rückzugsräume, keinen persönlichen Bereich. Alles muss auf Partys und Auftritten auf der G Street passieren, einer Straße im Zentrum Havanas, die jede Nacht von der Stadtjugend erobert wird. Die Leute sind dann richtig betrunken und bis morgens unterwegs, und sie kleiden sich in einer Mischung alternativer westlicher Stile, mit viel Gothic und Emo dabei. Alles wird in Kuba zensiert, die Sicherheitskräfte sind an fast jeder Ecke. Ich habe mich mit wirklich jedem auf der G Street identifiziert, auch wie sie verzweifelt versuchen, sich nicht anzupassen.

Was denkst du von den Goths in London oder New York?
Tatsächlich habe ich in London gewohnt, als ich 19 war, in Camden Town, was ein Zuhause für viele Goths war. Ich war auch während dieser ganzen Mitt-90er-Limelight-Periode in New York, aber da gab es nichts wirklich Interessantes oder Schockierendes. Nichts, was sich nicht stattdessen in der Barbarie Bar in Bogota ereignete.

Gibt es noch Leben im tropischen Gothic?
Nun ja, ich arbeite gerade an zwei bebilderten Büchern - eines über die Geheimnisse einer kolumbischen Hexe, das andere ist nach Vivek benannt, dem Typen, den ich letztes Jahr anheuerte um mich durch Indien zu fahren. Während wir fuhren, waren wir breit auf Opium, und im Buch wird es über das komische okkultische Zeug gehen, was wir erfahren haben. Die Sinnlichkeit, die ruinierten Tempel und das merkwürdige Verhältnis zwischen uns beiden. Genauso werde ich, wenn ich mir Sponsoren ausgesucht habe, mein drittes Magazin Tropical Black mit dem Material aus havana veröffentlichen.