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Interviews

„Die Verantwortung als Frau ist total stressig“—K.Flay über Schwesta Ewa, Major-Labels und ihr Album

Was sagt eine amerikanische Rapperin zu Schwesta Ewa und anderen Deutschrappern? Wir haben K.Flay ein paar Videos gezeigt.

Die amerikanische Rapperin K.Flay ist nicht nur dafür bekannt, eine Hitmaschine zu sein und einen Treffer nach dem anderen zu landen, wie erst kürzlich mit „Can't Sleep". Sie hat zudem die Beastie Boys geremixt, Snoop Doggy Dog supportet und mit The Prodigys Liam Howlett produziert. Keine große Sache. Dass die 29-Jährige allerdings gewagt zwischen HipHop und Pop changiert und zudem zwei Stanford-Abschlüsse in Psychologie und Soziologie in der Tasche hat, lässt ein wenig an ihrer Street Credibility zweifeln. Kristine Flaherty, wie ihr echter Name ist, hat jedoch schon einigen ihre Straßenattitüde bewiesen, wie auch 2013 ihrem Major-Label, mit dem sie brach, um ihr Album Life As A Dog selbst zu veröffentlichen. Wie sehr sich die Rapperin mit dem Hundeleben tatsächlich auskennt, wollten wir genauer wissen, also haben wir uns mit ihr in Berlin getroffen und bei der Gelegenheit ein paar Videos von deutschen Rappern vorgespielt.

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Noisey: Bevor wir über andere Rapper sprechen, geht es erst mal um dich. Welche Idee steckt hinter dem Albumtitel Life As A Dog?
K.Flay: Ich war ja bei RCA Records unter Vertrag. Die wollten immer nur weitere EPs und Mixtapes von mir haben, ich wollte aber ein ganzes Album machen. Also verließ ich nach vielem Hin und Her das Label. Danach war ich noch mieser drauf. Ich hatte keine Ahnung wie es weitergehen sollte. Um überhaupt aus dem Vertrag herauskommen zu können, musste ich alle alten Songs hinter mir lassen. Das war ganz schön demotivierend. Nachdem ich endlich neues Material hatte, stellte ich für meinen Manager eine Soundcloud-Playlist mit dem Titel „Life As A Dog“ zusammen. Denn ich fühlte mich wie ein Stück Scheiße. Und irgendwie ist der erste Impuls immer der richtige. Als ich mich für einen Albumtitel entscheiden musste, fackelte ich nicht lange. Life As A Dog bringt auf den Punkt, wie falsch behandelt ich mir vorkam. Außerdem machen doch Hunde ihr eigenes Ding… so wie ich (lacht).

Gibt es einen roten Faden auf der Platte?
Es geht um Spannungen. Um das Gefühl zu enttäuschen, vor allem sich selbst. Und gleichzeitig um das Wissen, dass man es besser machen wird. Manchmal ist es gut, Fehler zu machen. Wenn man zurückblicken kann und weiß, dass es einen geformt hat. Bei mir hat sich alles geändert, als ich mit 25 überhastet von San Francisco nach New York gezogen bin. Die East Coast hat mich und meine Musik sehr geprägt.

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In „Can’t Sleep“ singst du über deine Maßlosigkeit und darüber, dass du zukünftig kürzer treten willst. Im nächsten Moment widerlegst du die Aussage wieder. Woher kommen solche Widersprüche?
Ich habe einfach ein großes Problem mit dem Schlafen. Ich hasse es! Wer will schon was verpassen? Ich möchte lieber 24 Stunden wach sein. Aber ich weiß natürlich: Schlaf ist gesund. Trotzdem muss ich immer daran denken, dass man für eine Weile wie tot ist und irgendwann gar nicht mehr aufwacht. Um diesen Kampf geht es im Song.

Noch so ein Widerspruch: Du hast zwei Stanford-Abschlüsse.
Mein musikalisches Interesse wurde erst an der Uni geweckt. Ich war diesbezüglich ein echter Spätzünder. Von Musik zu leben, konnte ich mir früher nicht vorstellen. Stanford hat mich wachsen lassen. Die Leute sind dort sehr tolerant. Du musst wissen: Meine Musik war damals wirklich schrecklich. Trotzdem wurde ich unterstützt und so schließlich in die richtige Richtung geschubst. Ich habe dadurch gelernt, intuitiv und ehrlich vorzugehen. Klingt das doof?

Nein, ehrlich ist gut. Gibt es nur selten wirklich.
Das stimmt schon. Aber Adele macht zum Beispiel authentischen Pop. Und Kendrick Lamar ist auch real. Nur oftmals scheint es so, als wäre es für alle in Ordnung, wenn in der Musik nur so getan wird, als wäre sie ehrlich, obwohl eigentlich jeder weiß, das dem nicht so ist.

Jetzt bin ich gespannt auf deinen Eindruck von diesen deutschen Rapper. Fangen wir mit Schwesta Ewas Clip zu „Escortflow“ an. Sie ist eine ehemalige Prostituierte mit jeder Menge Drogenerfahrung.
Das läuft im Radio? Sie ist einfach verrückt (lacht). Und nicht mal superjung. Es ist ziemlich cool, dass sie das macht. Wenn man an Gangsterrap denkt, meint das eigentlich immer einen harten Kerl. Ein weibliches Pendant dazu scheint es kaum zu geben. Ein Teil von mir findet Schwesta Ewa irgendwie hyper-feministisch—auf so einem ganz neuen, abstrakten Level. Es ist doch krass, dass sie so offen mit ihrer Vergangenheit als Prostituiere umgeht und sich selbst sogar als Nutte bezeichnet. Eigentlich ist es doch das Schlimmste, was man zu einer Frau sagen kann. Ich will mich unbedingt mehr mit ihr beschäftigen.

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Der Song erinnert mich auch an alten East-Coast-Rap. So was gibt es nicht mehr oft. Dagegen ist die Musikwelt übersät mit Iggy Azaleas, die zwar sagen, sie seien HipHop, aber eigentlich nur Pop sind. Ich finde es problematisch, wie es mit Frauen im Musikbusiness läuft. Wenn man an männliche Musiker denkt, meint man niemand Bestimmtes. Sie stehen einfach für alles. Aber wenn es um Frauen geht, reicht die Varietät nicht weit.

Eine singende Frau muss gleich das Sprachrohr einer ganzen Generation sein.
Absolut! Diese Verantwortung ist doch total stressig.

Jetzt zum Video von Zugezogen Maskulin, „Undercut Tumblrblog“.
Ha! Dieser Beat ist nicht von ihnen, sondern von Waka Flocka Flames „Hard In Da Paint“.

Sie bemängeln, dass den Menschen die Puste zum Protestieren ausgegangen ist.
Klar, mit Social-Media-Kanälen ist es einfacher, etwas zu sagen, ohne das es wirklich etwas meint. Haben sie gerade Casper gesagt? Weißt du was? Casper ist gestern auf die Bühne gegangen, als ich mit Freunden im BiNuu war. Da musste man mir erst erklären, wer das ist. Im Club sind alle völlig ausgerastet. Davor legten nur ein paar DJs auf, es waren vielleicht 200 Leute vor Ort. Aber ich habe gehört, dass er solche Spontanauftritte öfter hinlegt. Ich halte ihm sehr zugute, dass er immer noch Teil der Community ist und nicht vergisst, wer seine Platten kauft.

Dann gucken wir uns doch gleich ein Casper-Video an: „Im Ascheregen“.
Was für ein schönes Video! Es könnte glatt in den Everglades in Florida gedreht worden sein. Und dieses zwei Minuten Intro… wow! Ich mag die Instrumentierung und auch, dass er nur ein total normales T-Shirt und dazu eine Jeans trägt. Er sieht aus, als wäre er gerade erst aufgewacht. In Amerika würde man so nicht im eigenen Musikvideo aufkreuzen. Casper ist auf eine gute Art und Weise absolut schräg.

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Das hier ist Farid Bang und sein „Johnny Fontaine“-Clip.
Der sieht beängstigend aus. Iih, er spuckt! Ich mag das überhaupt nicht. Er macht mir Angst. Ist das ein echter Krimineller? Verstörend. Kennst du Law & Order? Das sieht aus wie ein Highlight-Video von den Mörder-Szenen. Ich habe keinen Gefallen an Musik, die mich stresst, obwohl es da vielen anders geht. Ich war 2014 bei der Vans Warped Tour in den USA dabei und da gab es eine Menge Brüll-Bands. Viele fanden gut, dass die Musik eine Düsternis in ihnen anspricht, ohne das sie es wirklich sein müssen. Mich verunsichert so was nur. So wie auch Farid Bang. Nicht böse gemeint, Farid! Ich will auf keinen Fall, dass er mich Zuhause aufsucht. Ich will lieber Musik, die das sagt, was ich fühle, in einer Art, wie ich es nie sagen könnte—so wie Adeles Songs. Und jetzt bitte keine Gangster-Songs mehr (lacht).

Ok, dann kommt nun die Schmuse-Version zum Schluss für dich: Marteria mit „Kids“.
Ist das eine Parodie? Ich kann nicht sagen, ob das Video ein Witz sein soll oder nicht. Aber ich mag den Refrain und wenn er mit seiner tiefen Stimme singt, klingt das wie Alltagsbeschreibungen: „Ich bin in einem Büro, dann laufe ich zu einem Laden.“ Aber er sieht aus wie ein Vorzeige-Quizshow-Moderator. Irgendwie konventionell, nur eben auch mit Humor. Ich glaube, ich muss ihn heiraten. Zum Glück komme ich im Oktober wieder nach Deutschland. Marteria—mein zukünftiger Ehemann!

Falls Marteria oder jemand anderes interessiert ist, hier ist K.Flay zu finden:

26.10.2015 Frankfurt – Zoom
27.10.2015 Stuttgart - Schräglage
28.10.2015 Munich – Milla
29.10.2015 Leipzig – Täubchenthal
31.10.2015 Berlin – Kantine Berghain
01.11.2015 Hamburg – Uebel &Gefährlich
02.11.2015 Cologne – YUCA

Life As A Dog erscheint am 21. August via