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Interviews

Nic Fanciulli verrät die Zukunft des Auflegens

Wir haben auf dem Snowbombing Festival dem zufällig dahergelaufenen Superstar-Act, der sich am wenigsten wehren konnte, das Diktiergerät unter die Nase gehalten.

Leser mit trainiertem Langzeitgedächtnis erinnern sich möglicherweise: Auch schon im letzten Jahr waren wir in Mayrhofen beim Snowbombing Festival. Auch schon im letzten Jahr beobachteten wir staunend das Schauspiel, wie ein malerisches Fleckchen im Zillertal in eine Enklave englischer Partykultur verwandelt wird. Nur war dieses Jahr alles noch größer, noch besser besetzt, noch konsequenter auf die Spitze getrieben. The Prodigy lieferten ein Hit-berstendes Headline-Set, das einen für eine Stunde glauben machte, Jungle waren gerade eben erst durch die Hintertür in den Mainstream eingebrochen. Und auch als Seismograph für Festivalkultur war das Snowbombing wieder reich an Einsichten. Insb.: Nervig über der Crowd schwebende Smartponekamerateppiche waren gestern, der kommende Festivalsommer wird ganz im Zeichen der noch nervigeren GoPros mit Teleskopverlängerung stehen. Macht euch auf was gefasst!

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Aber eines war dann doch genau so wie im letzten Jahr. Wir haben einfach dem zufällig dahergelaufenen Superstar-Act, der sich am wenigsten wehren konnte, kurz das Diktiergerät unter die Nase gehalten. Das war diesmal Nic Fanciulli, Gründer von Saved Records und besonders gutes UK-House-Gewissen, der später am Abend ein dreistündiges B2B-Set mit Carl Cox spielen sollte.

Noisey: Hi Nic, was ist das Beste an diesem Festival hier?
Nic Fanciulli: Für mich ist das Beste, dass ich viele Freunde und DJs treffe, die ich lange nicht gesehen habe. Und ich sehe sie auch spielen, das passiert ja auch nicht alle Tage. Auch nicht zu verachten: Ich komme mit ein paar Freunden und wir sind den ganzen Tag auf der Piste und Snowboarden.

Es ist also spaßig am Tag und in der Nacht. Was ist das Schlimmste an diesem Festival?
Hierher zu kommen, haha. Die Reise. Es gibt nicht so viele Schattenseiten. Außer vielleicht die Hangover nach den Abenden, wenn man sich die Erinnerung daran wegtrinkt, dass man am nächsten Tag früh raus muss, um Snowboarden zu gehen.

Du spielst heute Abend ein back to back Set mit Carl Cox. Eine Kombination, die ja fast schon Tradition hat …
Carl und ich sind schon lange befreundet. Ich war Resident bei Carl Cox & Friends in Ibiza. Und dann kam er irgendwann und meinte: „Schau mal, warum spielen wir nicht einfach mal back to back?“ Und es hat aus irgendeinem Grund echt gut funktioniert. Es war dann auch eines der Highlights seiner Ibiza-Karriere. Wir spielten danach noch eine gemeinsame Show in der Nähe von London und in Miami. Und jetzt sind wir beide hier und der Promoter fragte uns, ob wir zusammen spielen wollen. Da mussten wir nicht lange drüber nachdenken…

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Wie würdest du diese besondere Chemie zwischen euch beim Auflegen beschreiben?
Es ist die gemeinsame Verstärkung von Freude. Wir haben da echt Spaß. Dann spielt er eine Platte, die ich total gut finde, dann spiele ich etwas, das ihn hellhörig macht. Ja, wir spielen uns irgendwie auch gegenseitig Platten vor, haha. Es ist nicht unbedingt ein Wettkampf, aber man schaukelt sich dann auch hoch und kommt irgendwann auf ein sehr hohes Euphorielevel.

Apropos Wettkampf, dein Bruder Mark ist ebenfalls DJ/Producer—wie kann man sich den Wettkampf mit ihm vorstellen?
(lacht) Es gibt auch da keinen Wettkampf. Mark hat mit geholfen, Saved, unser Label aufzubauen. Unsere Vergangenheit ist unterschiedlich. Er hat Sound Engineering an der Uni studiert und ich habe mit der Sache in unserem Schlafzimmer angefangen. Er hat also viel mehr Ahnung und ich komme ständig zu ihm, um ihn mit Fragen zu löchern. Umgekehrt ist es aber genau so. Ich spiele etwa zehn Jahre länger als er, von der Erfahrung kann er dann wiederum profitieren. Er steht auf den Detroit Sound und hat gerade Carl Craig in seine Agentur geholt. Seine Soundinteressen gehen also in eine etwas andere Richtung und wir treffen uns immer irgendwie in der Mitte.

Es gibt keine „Mein Track ist höher in den Charts“-Sticheleien?
Doch klar, aber das ist alles Spaß. Und es gibt natürlich Auseinandersetzungen. Zum Beispiel, was A&R-Entscheidungen für das Label angeht.

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Du hattest bereits einen Namen als DJ, bevor du eigene Musik produziert hast. Heute ist das beinahe unmöglich. Was empfiehlst du Newcomern, die gerade beginnen, sich mit dem Produzieren auseinander zu setzen?
Mein Rat an jeden, der mit dem Produzieren anfängt, ist folgender: Sei dir deiner Einflüsse bewusst. Mein Einflüsse waren Laurent Garnier, Chemical Brothers, Underworld. Und ich habe mir Teile aus ihrem Werk gesucht und dann versucht, daraus einen neuen Sound zu machen. Viele Leute kopieren einfach nur. Wenn Maceo Plex eine Platte macht, hörst du eine Woche später zwanzig andere Releases, die genau so klingen, aber niemals so gut sind. Außerdem: erzwing es nicht. Viele Kids wollen sofort den Erfolg. Aber so läuft es nicht. Mach dich locker, fang als Warm-up DJ an, produzier 20, 30 beschissene Tracks, aber dabei lernst du, wie es funktioniert. Und wenn du irgendwann ein gutes Gefühl bei einem Track hast, dann bring ihn raus und warte ab, was passiert.

Teil der kürzlich erschienenen Saved 100 Compilation ist ein Frankie Knuckles-Remix. Wie fühltest du dich bei der Nachricht seines Todes?
Ich habe mich krank gefühlt. Ein guter Freund von mir, Simon Marlin von den Shapeshifters, war sehr eng mit Frankie befreundet. Ich sprach mit Simon einen Tag, nachdem Frankie gestorben war. Der letzte Track, den ich in einem Set gespielt hatte, war dieser Remix, den er für mich gemacht hatte, das wurde mir dann erst wieder bewusst. Ich landete in Heathrow, mein Bruder schickte mir eine SMS, dass Frankie nicht mehr lebt und es war echt erschütternd. Du konntest auch sehen, welche Bedeutung er immer noch hat. Auch jetzt, nachdem EDM den Ton angibt, führte die Nachricht von Frankie Knuckles Tod dazu, dass sich die gesamte Industrie und die Medien daran erinnerten, was für eine Legende er ist. Jeder wurde von Frankie Knuckles Platten beeinflusst, ob das jetzt ein Richie Hawtin oder ein Joris Voorn ist. Ein großer Verlust. Er war genau wie Carl Cox, immer happy, immer zuvorkommend, immer freundlich.

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Du bist mit Saved nun schon seit Jahren Labelbetreiber und hast vor allem die letzten, sehr turbulenten Jahre mitbekommen. Wie verhalten sich Euphorie und Frustration heutzutage zueinander, wenn es um Labelarbeit geht?
Das Label zu gründen, war das Beste überhaupt. Wir haben das damals gemacht, um unsere eigene Musik zu veröffentlichen. Danach habe ich dann viele Demos bekommen, von denen einige wirklich gut waren und veröffentlicht werden mussten. Ich brachte ein paar Platten raus, schenkte dem Label danach nicht mehr so viel Aufmerksamkeit, ging ein Jahr auf Tour mit James Zabiela, kam zurück und die Plattenverkäufe waren total im Keller. Das Label war beinahe tot. Dann kam mein Bruder an Bord und wir haben in den nächsten Jahren alles in das Label gesteckt, was wir hatten. Die Sache ist: Dance Music Labels machen kein Geld, sie erreichen bestenfalls Break Even. Aber es ist unsere Visitenkarte. Es zeigt den Leuten, was wir machen, es repräsentiert unseren Sound. Und ich bin froh, dass ich aus meinen Fehlern gelernt habe und dass Saved jetzt da steht, wo es ist.

Welche Rolle spielt Vinyl für noch für dich als DJ?
Vinyl ist für mich und Saved deshalb wichtig, weil es noch Leute gibt, die es haben wollen. Ich mag es immer noch, die Testpressung zu bekommen und solche Sachen, aber ich spiele es nicht mehr im Club. Ich war in meinem Leben echt in Vinyl verliebt und in einer anderen Phase habe ich es echt gehasst. Ich hatte mal eine Tour in Südamerika und meine Plattenkisten kamen nie an. Was zum Teufel sollte ich tun? Ich konnte nicht spielen.

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Würdest du dich als jemanden beschreiben, der offen ist für neue technische Entwicklungen, was das Auflegen und Musikmachen angeht?
Absolut. Das hat sich aber auch entwickelt. Ich habe lange an Vinyl festgehalten. Als es mit den CDJ Playern losging, habe ich gesagt: ‚Nein, werde ich nicht benutzen.’ Sechs Monate später habe ich meine Meinung dann geändert. Heute bin ich wirklich interessiert, was neue Entwicklungen angeht. Manche Leute interessieren sich brennend dafür, was man beim Spielen benutzt, ob man den Sync-Button benutzt oder nicht. Ist mir scheißegal. Wenn die Leute Spaß haben und du selber auch und du so gut spielst, wie du eben kannst, ist doch alles in Ordnung.

Das MP3 hat Auflegen innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig verändert. Was glaubst du, wie sieht Auflegen in fünf Jahren aus?
Was auch immer passiert, du solltest immer ein Stück Hardware vor dir haben. Etwas, das du kontrollieren musst. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wo es nach Computern noch hingehen soll. Ich hoffe doch sehr, dass das die letzte Entwicklungsstufe ist.

Eine Datencloud wäre möglich.
Stimmt, aber du brauchst immer noch etwas, wovon du spielen kannst.

Ne Googlebrille vielleicht.
Haha, ja genau. So sehr ich mich als aufgeschlossen bezeichnen würde, aber ich hoffe, dass das nicht passiert. Es sollte schon eine physische Arbeit bleiben.

Was läuft zurzeit am häufigsten auf deinem iPod?
Schon mal von der Band Portishead gehört?

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Ääähm …
Ja schon gut, ich frag ja nur. Portishead ist eine meiner Lieblingsbands, seit ich von der Schule runter bin. Ich habe gerade die Alben wieder vorgekramt und höre sie seitdem wieder rauf und runter. Ich höre privat echt nicht viel Dancemusic. Eher solchen Alternative Kram, auch viel Funk und Soul. Es reicht, wenn ich Dancemusic im Club hören muss, haha.

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