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New music

Musikreviews der Woche mit Pachanga Boys und Clinic

Dieses Schaf ist inzwischen ein trockener Alkoholiker mit Fünf-Tage-Bart. Unsere Reviews.

PACHANGA BOYS
We Are Really Sorry
Hippie Dance

Man kann sich kaum eine Situation vorstellen, die nicht von der Anwesenheit der Pachanga Boys oder ihrer Musik profitieren würde. Sie wirken wie aus einem Cormac McCarthy-Roman entflohen, zwei marodierende Nomaden mit irrem Blick, auf Pferden in der mexikanischen Wüste, in Kuhfelle gehüllt, eine Kette aus Menschenohren um den Hals, der Geist betäubt durch Peyote und Tequila. Und immer im Gepäck ihre unerschöpflichen transzendenten Zaubergrooves, ein zeitloses psychotropisches Mantra, das Druiden und Drogendealer, Raver und Medizinmänner seit Jahrhunderten verbindet. Wie die alten Releases des ungleichen Duos Superpitcher/Rebolledo so ist auch We Are Really Sorry eine Erzählung ohne Sinn, aber in der Entzifferung ihrer kryptischen Runen werden bis dahin gänzlich unbekannte Emotionen und Schwingungen freigesetzt. Zweifellos die beste Mischung aus Schamanen-Disco und Eurotrash-Exotik, die du noch nie gehört hast.

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THEYDON BOIS

EARTHSHIP
Iron Chest
Pelagic

Earthship, der Name stand doch mal für gutturales Gebrüll und asozialste Riffs, das war Berlins würdige Antwort auf Mastodon, ein nuklearer Eisbrecher in einem Meer aus verweichlichter Scheiße. Und jetzt kommen sie hier mit so einer Kindergartenmelodie um die Ecke? Das sind doch ganz klare Sell-Out-Tendenzen. Wehret den Anfängen! E und F sind die einzigen beiden Noten, die ein Sludge-Gitarrist kennen sollte, angemessen runtergestimmt natürlich, also C und Cis. Sonst landet man ruckzuck bei Top of the Pops, das geht rasant heutzutage. Oh, Moment mal … ich glaube das war doch nur mein Handyklingelton. Äääääähm, ja. Das neue Earthship-Album ist wieder mal richtig fett.

KONRAD ZUSE

STARS
The North
Unter Schafen/Alive

Seit dem unüberbietbaren Set Yourself on Fire traut man sich ja kaum noch, ein Stars-Album anzufassen, weil man sowieso enttäuscht wird. Ich habe den Fehler bei The Five Ghosts gemacht und wäre fast an Langeweile krepiert. Seitdem war ich absolut bereit, Stars einfach als eine dieser kanadischen Popbands in Erinnerung zu halten, die von 2001 bis 2004 ein paar nette Sachen aufgenommen haben und danach in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. Aber mein Chef lässt mich ja nicht. Jetzt sitze ich hier mit Kopfhörern, tue so als ob ich The North höre und schreibe die Punktzahl einfach aus einem dieser Indie-Blogs ab, die sowieso nie jemand liest.

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TERENCE PHILIPP

CLINIC
Free Reign
Domino

Die Band, auf die du damals aufmerksam wurdest, als in einem Kaugummi-Fernsehspot ein Schaf mit Rasenmäher durch’s Bild flitzte und der Sound dazu wie französischer Punk aus den 80ern klang, wirkt jetzt auf ihrem ungefähr achten Album exakt so, als wäre das Schaf inzwischen trockener Alkoholiker und hätte beim Dreh des Spots einen Fünf-Tage-Bart. Der Rasenmäher ist kein Diesel mehr, sondern ein umweltschützendes Elektromodell, und irgendwie ist alles ein bisschen mehr prenzlauerbergesk geworden als vor zehn Jahren. Kurz: die werden auch nicht jünger, trauen sich aber leider immer noch das gleiche zu. Bonuspunkte für den Versuch als solchen.

MR. MOONLIGHT