Der italienische Fußball und die Mafia—eine lange und düstere Liebesgeschichte
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Der italienische Fußball und die Mafia—eine lange und düstere Liebesgeschichte

Seit März läuft in Italien ein riesiger Mafia-Prozess. Unter den Angeklagten befindet sich ein Weltmeister von 2006. Und auch der Name eines Ex-Bayern-Spielers tauchte bei den Ermittlungen auf.

Seit März müssen sich im norditalienischen Reggio Emilia in einem großen Mafia-Prozess 147 Angeklagte vor Gericht verantworten. Die Ermittlungen hatten ein paar prominente Namen mit der Mafia in Verbindung gebracht. Neben erfolgreichen Unternehmern, Polizisten oder Lokalpolitikern tauchte auch der Name eines früheren italienischen Nationalspielers auf: Vincenzo Iaquinta.

Iaquinta, der bei Juventus Turin und Udinese spielte, steht im Verdacht des illegalen Waffenbesitzes und der Mafia-Zugehörigkeit. Seinem Vater, Guiseppe, wird sogar Beteiligung an Mafia-Aktivitäten vorgeworfen.

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Iaquinta wurde 2006 mit der Squadra Azzurra Weltmeister und spielte auch im Endspiel im Berliner Olympiastadion. Er steht unter Verdacht, an wichtigen Treffen hochrangiger Mafiosi in Nord- und Süditalien teilgenommen zu haben. Abgehörte Gespräche sollen die Ermittler auf seine Spur und die seines Vaters geführt haben.

Im sogenannten Maxi-Prozess werden Verbrechen der 'Ndrangheta in Norditalien aufgerollt. Die 'Ndrangheta ist eine weltweit operierende und einflussreiche Mafia-Vereinigung, die ursprünglich aus Kalabrien kommt. Unter anderem geht es um die Rolle von Baufirmen beim Wiederaufbau nach zwei Erdbeben in der Emilia Romagna im Jahr 2012, bei denen die Mafia ordentlich Kasse gemacht haben soll. Einer der Betriebe, dem eine illegale Beteiligung am Wiederaufbau vorgeworfen wird, gehört Giuseppe Iaquinta. Der soll laut Justiz eine enge Verbindung zum Grande-Aracri-Clan pflegen.

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Unter den Verdächtigen taucht auch der Name des Jugendlichen Alfonso Paolini auf. Laut Informationen der Polizei soll die Familie Paolini als Mittelsmann fungiert und telefonischen Kontakt zu Iaquinta hergestellt haben, damit der „Verhandlungen" führen konnte. Dabei ging es um den Verkauf von Tickets, Autogrammen und Fußball-Merchandise. Die Gewinne aus diesen Geschäften sollen direkt in die Taschen der Mafia geflossen sein.

Iaquinta, der ursprünglich aus der kalabrischen Stadt Crotone kommt, ist eine Art mystische Figur in Mafia-Kreisen. Seine Verbindungen zur Unterwelt sollen so ausgeprägt gewesen sein, dass Antonio Gualtieri—Finanzchef von Mafia-Boss Nicolino Grande Aracri—damit rumgeprahlt hat, dass er den Vorstand von Juventus in der Tasche habe—seiner Freundschaft zu Iaquinta sei Dank.

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Übrigens ist es keine Überraschung, dass sich die organisierte Kriminalität für Fußball interessiert. Schließlich sind Klubs eine gute Möglichkeit, um Geld zu waschen. Laut einem Bericht der italienischen Anti-Mafia-Behörde stelle die Zusammenarbeit von mafiösen Organisationen und Fußballvereinen eine gängige „Methode zur Geldwäsche dar, wobei Gelder aus illegalen Aktivitäten durch scheinbar legale Investitionen reingewaschen werden". Außerdem helfen Verbindungen zum Fußball der Mafia dabei, sich in ein besseres Licht zu rücken.

Raffaele Cantone, Chefermittler bei der italienischen Anti-Mafia-Einheit, unterstreicht das steigende Interesse der Mafia für die Welt des Fußballs: „Früher waren es Unternehmensbosse wie Silvio Berlusconi, Aurelio de Laurentiis oder Massimo Moratti, die sich Fußballklubs kaufen wollten, um Geschäfte zu machen und bei den Jugendlichen gut anzukommen. Heutzutage verfolgt die Camorra dieselbe Strategie, sei es mit kleineren lokalen Vereinen oder durch einen Kontakt zu den großen Serie-A-Klubs."

„In Kalabrien wird der Fußball fast vollständig von der 'Ndrangheta kontrolliert", erklärte 2013 der frühere Mafia-Boss Luigi Bonaventura. „Das betrifft dutzende Vereine. Hierbei geht es nicht um Geld, sondern um Macht." Bonaventura selbst stand mit den Verantwortlichen des FC Crotone auf Du und Du, was vor allem daran lag, dass er mit dem Klubpräsidenten Raffaele Vrenna verwandt ist.

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„Kontrolliert man den Verein aus der Region, gibt das der Mafia eine Menge Prestige—was bei Machtkämpfen von Vorteil sein kann", so Bonaventura weiter. Von regional beliebten Klubs, die in einer oder anderen Form mit der 'Ndrangheta Verbindungen hatten, gibt es zahlreiche, darunter Interpiana Cittanova, Rosarno, San Luca, Marina di Gioiosa und Delianuova.

Bonaventura hat sich auch noch auf den Fall von Salvatore Aronica berufen. Aronica hat früher für Napoli, Palermo, Messina und Reggina gespielt—und soll bei der Hochzeit eines hochrangigen Mafia-Mitgliedes dabei gewesen sein.

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Einer der berühmtesten Fälle von italienischen Fußballern, die sich in den letzten Jahren mit der organisierten Kriminalität eingelassen haben sollen, ist der von Fabrizio Miccoli. Miccolis Verbindung zur Mafia ist so obskur wie die Mafia selbst. Der Oberstaatsanwalt von Palermo hat im letzten April gegen ihn ein Verfahren wegen Erpressung eingeleitet. Demnach soll Miccoli dem Sohn eines regionalen Mafia-Bosses Geld dafür gezahlt haben, damit er und seine Jungs Schulden für Miccoli bei einem Nachtclub eintreiben.

Übrigens gab es vor den Erpressungsvorwürfen schon eine Pressekonferenz. Die wurde nötig, weil Miccoli 2013 dabei abgehört wurde, wie er sich abfällig über den berühmten Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone geäußert hat, der einem Anschlag zum Opfer fiel.

„Ich bin kein Mafioso, mir gefallen nicht die Sachen, die die Mafia macht", hatte er unter Tränen erklärt. Nur komisch, dass dieselbe Person laut den Ermittlern den Enkel des sizilianischen Mafia-Bosses Matteo Messina Denaro davor warnte, ins Stadion zu kommen, „weil es dort neue Polizisten gibt."

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Im Dezember 2014 tauchte bei Anti-Mafia-Ermittlungen außerdem der Name Giuseppe Sculli auf, der früher für Genau und Crotone auf Torejagd ging. Laut den Ermittlern soll sich Sculli mehrfach mit Giovanni De Carlo getroffen haben, dem angeblichen Thronfolger von Mafia-Boss Massimo Carminati. Und auch Carminati soll er mehr als einmal getroffen haben.

Und weil Blut bekanntlich dicker als Wasser ist, wurde auch schon sein Vater wegen Geldwäsche und Mafiageschäften festgenommen, während sein Onkel in Süditalien gleich ein einflussreicher Mafia-Boss ist.

Foto vía WikiMedia Commons.

In Rom ist die Situation auch nicht besser. Im Rahmen des „Mafia Capitale"-Prozesses fiel wiederholt der Name Daniele De Rossi. Laut der Polizei soll die AS-Rom-Legende mehrfach mit Giovanni De Carlo telefoniert haben. In den Gesprächen ging es um eine Immobilie, an der auch Bayern-Verteidiger Mehdi Benatia beteiligt sein soll.

Eine Sondereinheit der Carabinieri hat herausgefunden, dass ebenso Mattia Destro—früher bei der Roma und jetzt beim FC Bologna unter Vertrag—und Ex-Napoli-Spieler Blerim Dzemaili mehrfach mit De Carlo in Kontakt gestanden haben.

Und bevor man sich jetzt in „Früher war alles besser"-Ausflüchte rettet: Auch in der Vergangenheit hatte der italienische Fußball ein Mafia-Problem. Giorgio Chinaglia, Kultspieler beim S.S. Lazio, geriet 2006 in den Fokus italienischer Ermittler, weil er angeblich Geld gewaschen und kriminelle Aktivitäten begünstigt haben soll. Chinaglia soll dem Camorra-Clan der Casalesi nahestehen. Als dieser versucht hat, die Mehrheitsrechte an Lazio zu erwerben, soll sich Chinaglia für seine etwas speziellen Freunde eingesetzt haben. Auch bei den Namen Diego Maradona und Fabio Cannavaro gab es in der Vergangenheit immer wieder mal Mafia-Gerüchte.

Doch zurück in die Gegenwart, wo die Ermittlungen gegen Vincenzo Iaquinta noch laufen. Noch steht nicht fest, was das Schicksal (lies: die Justiz) für ihn bereithält. Der italienische Fußball bangt. Und hofft gleichzeitig, dass der Weltmeister von 2006 der letzte große Name bleibt, der den Verlockungen der Unterwelt erlegen sein könnte.