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An alle alten deutschen Spießer, die Angst vor dem Euro haben: Hier kommt eure Partei

Am Wochenende war Gründungsparteitag einer neuen Partei—die Alternative für Deutschland—und es war deprimierend. Keine Kämpfer, sondern Schisser. Aber wenigstens war die Kartoffelsuppe OK.

Am Wochenende stelle sich in Berlin eine neue Partei vor, die Alternative für Deutschland, genannt auch die Eurohasser, die auch bei der Bundestagswahl antreten will. Das machte mich neugierig, zumal die letzte Partei, die im großen Politikzirkus mitmischen wollte, nämlich die Piraten, für einigen Wirbel gesorgt haben und kläglich gescheitert sind. Die AfD ist keine Gruppe aus Computerfreaks und Nerds, stattdessen wird ihnen vorgeworfen, rechtspopulistisch und antieuropäisch zu sein.

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Bernd Lucke

Doch komischerweise verstehen sich Parteigründer Bernd Lucke und Linke-Veteran Oskar Lafontaine bestens, wenn es um die Kritik an der Euro-Rettung geht. Ein Freund von mir, der VWL studiert, nennt sie die „Hartwährungsfaschisten". Soll heißen, dass sie sich schon beim Gedanken an Inflation in die Hosen machen. Irgendwie weiß ich also immer noch nicht so richtig, wer diese neue Partei sein will. Um mehr über sie herauszufinden, und ob sie genauso einschlagen wird wie die Piraten damals, welche Wähler sie hat, was ihre Pläne sind und wofür sie kämpft, gehe ich zusammen mit einem Freund zur Parteigründung ins Berliner Interconti-Hotel.

Hinter den Vorhängen an den Wänden des Konferenzsaales klingeln die Kristalle der Kronleuchter. Alles ganz classy hier. In den Gängen zwischen den Stuhlreihen bewegen sich Kameramänner hin und her, Journalisten halten Leuten Mikros unter die Nase. Die Stuhlreihen sind gefüllt mit den größtenteils weißhaarigen und größtenteils männlichen Gründungsmitgliedern. Sie fordern die Abschaffung des Euros und wissen dabei noch nicht so ganz genau, ob sie nun einen Nord- und Süd-Euro wollen oder einfach wieder die D-Mark. Nicht rechts, nicht links, nicht Mitte wollen sie sein, sagt Lucke vom Rednerpult aus den etwa 500 Anwesenden im Hauptsaal.

Wenn Lucke gerade nichts erzählt, wird über Satzungspunkte abgestimmt. Regelmäßig reckt die Masse entweder grüne oder rote Zettel in die Höhe (rot=nein, grün=ja). Zivilisiert und geordnet, wie sich das gehört. „Beim Gründungsparteitag der Piraten war das ganz anders", erklärt mir Günther aus Schwaben. „Was ein Chaos! Und die Fäkalsprache erst!", sagt er. Günther ist Rentner und Mitglied. Er erzählt mir, dass er sich für die AfD engagiert, weil er mit der Eurokrisenpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel unzufrieden ist. „Die Merkel sagt: ,Scheitert der Euro, scheitert Europa.' Macht doch gar keinen Sinn, Europa hat 27 Staaten und den Euro haben nur 17."

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Günther

Während er redet, greift Günther meine Schulter, um sicherzustellen, dass ich ihn auch wirklich verstehe. Dabei hört er nicht auf, über Europa und vor allem die Griechen zu sprechen, die am meisten von dem deutschen Geld profitieren. Ich kann ihm kaum folgen und höre nur, dass die Griechen Deutschlandfahnen verbrennen und dann redet Günther über einen Artikel von vor 115 Jahren im Preußischen Irgendwas-Blatt (Kein Plan, wie wir dahin gekommen sind und was er sagen will.). „Da muss man sich doch die Frage stellen: Was macht man mit dem Hund, der die Hand beißt, die ihn füttert?", sagt er über die hilfesuchenden südeuropäischen Länder.

Mitten in seiner Wirtschafts-Geschichts-Geographie-Vorlesung schiebt Günther sein Jackett zur Seite und drückt mit den Fingern seiner linken Hand auf einen Punkt unter seiner rechten Schulter. Tief hinein gehen sie, sehr viel tiefer, als sie sollten. Ich zucke zurück und Günther erklärt, dass er vor 14 Jahren den Krebs überlebt hat. Dann erzählt er von seinen Kindern. Er ist alleinerziehender Vater und seine Kinder Lisa und Lukas sind noch im Grundschulalter. „Alles, was ich mache, mache ich für meine Kinder." Ich fühle mich als schrecklicher Mensch, weil ich ihn gerade noch für einen Borderline-Rassisten gehalten hatte.

Ich will ein wenig frische Luft schnappen und treffe auf der Terrasse eine Gruppe rauchender Anzugträger. Generell unterstützt man die Partei, erzählen sie mir, weil die Euro-Abschaffung für ganz Europa besser wäre: Dann können die nicht so produktionsstarken Länder ihre Währung abwerten, so wieder attraktiver auf dem Exportmarkt werden und wir können unsere schöne starke Währung behalten und uns über unsere Spareinlagen freuen. Ganz neu ist die Idee für mich jetzt nicht. Nur diesmal kommen die Ausführungen mit einer guten Portion Paranoia gewürzt. Ob die EZB nicht einfach den Euro ein bisschen abwerten könne? Nein, das würde ja zu einer Abwärtsspirale führen und am Ende 10 Prozent Inflation, und die Weltwirtschaft bricht zusammen, erklärt mir ein korpulenter Herr im Anzug.

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Ich erwähne die Berührungspunkte der AfD mit dem rechten Spektrum, die fragwürdigen Facebook-Posts, die Nähe zur rechten Zeitung Junge Freiheit. Der Typ mit der Le-Corbusier-Brille neben mir saugt noch einmal an seinem silbernen Zigarettenhalter: „Inwiefern ist denn die Junge Freiheit rechts? Erklären Sie mir das doch erstmal." Immerhin habe ja Roman Herzog da mal veröffentlicht, die Zeitung kann doch also gar nicht rechts sein. Überhaupt, was ich denn mit „rechts" meine. Ich bin ein bisschen zu baff, um auf die Schnelle eine wirklich eloquente Antwort zu geben.

Später setzt sich Silke dazu. Sie hat erst immer CDU gewählt, dann war sie bei den Piraten, „weil die am Anfang auch was gegen den ESM machen wollten." Silke ist arbeitende Mutter, seit Kurzem sogar Großmutter. Sie findet, dass es mehr Kindertagesstätten geben sollte und man generell einige Sachen aus dem Bildungssystem der DDR wieder einführen sollte. Weil Kinderbetreuung da nicht horrend teuer war und die Kinder früh sozialisiert wurden. Ähnlich wie Günther macht Silke hier mit, weil sie glaubt, damit ihren Kindern helfen zu können. „Ich habe meinen Kindern schon immer gesagt: Geht ins Ausland, hier gibt es keine Zukunft für euch!"

Heinrich

Heinrich, der füllige Weißhaarige mit dem 100-Mark-Schein am Revers und seinem 16-jährigen Sohn Florian im Schlepptau, findet, dass man doch nicht für die Schulden der Anderen aufkommen kann. Ich frage Florian, wie er den ganzen Parteitag findet? „Ja, ist voll spannend", sagt er in akzentfreiem Gelangweilt. Vielleicht trete er auch irgendwann mal bei, aber nicht unbedingt jetzt. Mehr wollte er mir auch nicht verraten.

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Fast bleibt Florian an diesem Tag mein einziger Gesprächspartner, der sich noch keine weißen Haare vom Sack gepflückt hat. Doch dann treffe ich die beiden jüngsten Parteimitglieder, die ich finden kann, Maximilian und Pascal aus der Pfalz. Maximilian macht noch Abi, Pascal studiert Physik. Pascal erzählt mir, dass der Grund für ihn, in die Partei einzutreten, ausgerechnet eine Doku über Griechenland war, wo Prostituierte „für fünf Euro die Stunde arbeiten!" „Sowas darf in Europa doch nicht sein!", sagt er. Wegen des Euro würden auch die Prostituierten in Griechenland nicht mehr gescheit verdienen und seien somit ebenfalls Opfer der ungerechten Wirtschaftslage. Maximilian sagt, er habe sich schon länger politisch engagiert. Sein Vater ist bei der CDU, er selbst war Mitglied in der Jungen Union in der Pfalz. Die waren ihm aber zu links.

Die NPDler

Als ich das Interconti verlasse, sehe ich fünf NPDler, die zusammenpacken. Die haben zuvor ihre Solidarität mit der AfD bekundet. Irgendwie scheinen die AfDler diese Solidarität aber nicht alle zu schätzen, im Saal drinnen wurde gerade noch ein Deutschlandfahnenschwenker ausgebuht.

Ich rede mit den Linken

Auf der anderen Straßenseite stehen auch die Linken. Und die sind nicht nur wegen der NPD gekommen, erklärt mir Dirk, der hinter dem blauen Antinationalsozialismusbanner steht. Nein, auch die AfD seien Rechtspopulisten. „Die appellieren an die Ängste der weißen Mittelklasse und bieten scheinbar einfache Lösungen. D-Mark zurück, dann ist alles wieder gut. Aber dabei verschweigen sie auch, wie sehr Deutschland vom europäischen Binnenmarkt und dem Euro profitiert." Aber eben haben die Gründungsmitglieder im Saal laut „Nazis raus" gerufen, sage ich ihm. Das überrascht Dirk wenig: „Na klar, sowas gibt ja auch ein schlechtes Bild für sie ab."

Ich verlasse Dirk und seine fünf Mitstreiter und mache mich auf den Heimweg. Ich frage meinen Freund, wie er den Parteitag denn fand: „Na ja, wär' die Kartoffelsuppe nicht so gut gewesen, wär' es doof geworden."