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It's still real to me, damn it!

It's still real to me, damn it!

Bad Santa Battle Royals und Besinnliches beim Blick hinter die TV-Kulissen.

Okay, ich habe nur genau 15 Minuten Zeit, bevor sich die Wohnung in ein festliches Flammeninferno verwandelt und ich solange mit fettem Essen gefüttert werde, bis es Zeit für eine familiäre Runde Flying Hirsch ist, also halten wir uns bitte nicht mit unnötigen Erklärungen und Schnörkeln auf, sondern kommen wir einfach gleich zum Kern der Sache: It's still real to me, damn it! war die letzten zwei Monate abgetaucht, wie Hornswoggle oder The Great Khali, kommt aber, genau wie Hornswoggle und The Great Khali, jedes Mal pünktlich zu den Feiertagen wieder unter dem Ring hervor- oder aus dem indischen Polizeidienst herangekrochen, um euch mit den neuersten Monstrositäten aus dem weihnachtlichen WWE-Gruselkabinett zu erheitern, die aber, genau wie Hornswoggle und The Great Khali, nicht nur lustig sind, sondern auch den Pulsmesser um die atrophierten Kapillar-Ärmchen der Zeit schnüren und einiges Ernste über die Welt jenseits des reinen Wrestling aussagen, das, besonders wie bei Hornswoggle und The Great Khali, im Mainstream sowieso eher vor die Hunde geht.

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Diesmal will ich euch anders als letztes Jahr keine Fotos von Michael Cole im Rentier-Rudolph-Anzug oder gleich ganze Weihnachts-Specials zumuten, die genauso nichtig sind, wie auch abseits des Wrestling (ich sage nur: Star Wars Holiday Special und: Keine weiteren Fargen, euer Ehren). Natürlich gibt es auch 2012 wieder sinnlose Battle Royals mit Bad Santa Babes und noch viel sinnlosere Backstage-Segmente, in denen endlose (und endlos schlecht geschriebene) Kinderpunsch-Orgien mit dem letzten noch lebendigen Rest aus den Reihen der "Legenden" durchexerziert werden wie Grabreden oder Trauermärsche in Sibirien. Aber es gibt auch Anlass zu echter Besinnlichkeit. So richtig in sich gehen konnte man zum Beispiel bei folgendem Divas Match, das auf seine Art auch jetzt schon ein bisschen Legenden-Status erreicht hat und von einem Freund von mir das "Headlock of Doom"-Match getauft wurde:

Drei Minuten mit nur einem Move — das nenne ich wirklich Reduktion aufs Wesentliche. Oder vielleicht sogar Reduktion des Wesentlichen auf das, wovon die Leute wollen, dass es während der Klopause im Ring passiert. So oder so, Reduktion ist wohl das Stichwort. Und Reduktion ist genau das, was ein solches Match (zumindest beim ersten Mal Anschauen) mit der Anzahl eurer Gehirnzellen macht. Das Ganze ist aber nicht nur lustig, sondern aus einer kritischen Fan-Perspektive überraschenderweise auch irgendwie gar nicht so schlecht. Und zwar in dem Sinne, als es nach glaubwürdigem Niederringen aussieht und es auch passt, dass Kaitlyn trotz allem am Ende gewinnt, weil der Headlock nun mal nicht sonderlich mächtig ist. Das sind zirka 100 % mehr Realitätsgehalt als bei allen übrigen SmackDown-Frauenmatches des Jahres 2012 zusammen.

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Und wenn wir schon bei Realitätsgehalt sind, will ich euch noch einen anderen, abendfüllenden Leckerbissen empfehlen, der in Sachen Kuriosität und Ereignisreichtum dem letzten Video in nichts nachsteht, aber trotzdem für Eingeweihte und Vorbei-Zapper gleichermaßen von Interesse sein könnte: Pro Wrestling Off The Air ist nichts weiter als eine Zusammenfassung von Szenen aus dem WWE-, WCW- und ECW-Fundus, die niemals im Fernsehen zu sehen waren, sondern nur von Satellitenschüsseln in der Nähe des Übertragungswagens empfangen wurden. Entsprechend enthält diese Sammlung Sprechproben, Kamera-Testfahrten und andere Nasenbohreraktionen; aber eben auch Insider-Jokes, Mitarbeiter-Schikanen und bietet ziemlich viel Einblick in die Realität hinter den TV-Kulissen, die beim Wrestling genauso "echt" sind wie bei allen anderen Serienproduktionen sonst auch:

Manche Ausschnitte muten an wie aus Mystery Science Theater 3000, manche sind einfach nur Mobbing (nicht zuletzt alles rund um Tony Chimel, zu dem Jerry The King Lawler bei ca. 1 Stunde sagt: "Go sell some merchandise — or try to"), aber alle beweisen sie vor allem eins: Wrestling ist ein verdammter Zoo mit aufgeputschten Affen, die um Aufmerksamkeit buhlen und immer neue Wege suchen, einander den Finger in den After zu stecken. So ganz ohne den Hochglanzfilter der überproduzierten Überprofessionalität, wenn auch das Programm der WWE plötzlich aussieht, wie aus dem eigenen Keller gestreamt, frage ich mich vor allem, wie die Liga es überhaupt geschafft hat, während der Attitude Era nicht in einen schulhöfischen Hormonholocaust auszuarten und für immer unterzugehen. Wenn Michael Hayes sich das Genick verletzt, geht das den Offiziellen genauso am Arsch vorbei wie wenn Steve Austin eine seiner improvisierten Promos ablässt und dabei Kameramännern im Halbspaß mit Schlägen droht (außerdem hat der sich schon mal wirklich das Genick im Ring gebrochen, da braucht sich so ein Hayes nichts einbilden — und wer weiß schon, was echt ist).

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Über Michael Cole wissen wir nun eindeutig, dass er tatsächlich auch außerhalb seiner Rolle genauso bitchy wie Jennifer Lopez ist und sich gleichzeitig in Sachen Arschkriechen exakt so verhält, wie man das einer Backgroundtänzerin von J-Lo zutrauen würde (We can do this, JR, If you want it done, JR, yes, JR). Und so viel also dazu. Draußen klirren schon die Gläser und mein Bruder schreit "Ich habe die Stamperl fertig geschnitzt!" Meine Wangen pulsieren vor festlicher Aufregung und überall klingen Ringglocken. Ich denke, es ist Zeit zu gehen. Ach ja, schaut bitte unbedingt bei Minute 30 rein, wo Brock Lesnar Kurt Angle küsst. Frohes Restfest und Mahalo!


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