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Der Demonstrant Jahn B. wurde schuldig gesprochen

Heute soll ein Urteil im Strafprozess um den jungen antifaschistischen Demonstranten Jahn B. fallen. Hier eine Chronologie der Ereignisse.
Foto von VICE Media

Am Montag um kurz nach 09:40 Uhr fiel das Urteil im Strafprozess um den jungen antifaschistischen Demonstranten Jahn B. Wir waren beim letzten Prozesstag live im Gerichtssaal dabei. Das Urteil lautet schuldig—obwohl Jahn B. nur zu einer Schadensersatzzahlung und nicht zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

Jahn B. stand vor Gericht, weil er laut eigener Aussage beim letztjährigen Fest der Freiheit (einer Demonstration, bei der Burschenschaften das Revolutionsjahr 1848 feiern) bei der „unverhältnismäßig" brutalen Festnahme von Hüseyin S. dazwischen gegangen ist.

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Bei einem Handgemenge soll er einen Polizisten verletzt haben, weshalb er wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung angeklagt wurde. Unten lest ihr die umgekehrt chronologische Auflistung der Ereignisse.

Urteil: Schuldig

Jahn B. wird dazu verurteilt, Schadensersatz in der Höhe von 14.800 Euro zu zahlen. Er muss nicht ins Gefängnis. In der Begründung heißt es: „Jahn B. ist sicher kein gewalttätiger Mensch. Sich aber einzumischen und eine Schlagbewegung zu machen, ist etwas, was ich nicht verstehe."

Der Richter sagt weiter: „Sich gegen Polizeibeamte zu wehren hat noch nie was gebracht." Aber auch: „Eine Geldstrafe reicht meines Erachtens völlig aus."

Worte des Angeklagten

„Es war ein Fehler, dass ich mich in eine Polizeihandlung eingemischt habe", sagt Jahn B. „Ich habe mir lediglich Sorgen um Hüseyin gemacht—mein Ziel war nie, Polizei Handlung zu stören."

Plädoyer der Verteidigung: „Auf den Videos findet man nichts"

„Wir haben 2 ausführliche Videos", so der Verteidiger. „Dort findet man weder ein Reißen, noch ein Fallenlassen—man findet nichts. Man kann Herrn B. keine Widerstandshandlung nachweisen. Auch die Aussagen der Polizisten diesbezüglich waren widersprüchlich. Daher ist der Tatbestand des Widerstandes nicht gegeben. Was die Körperverletzung betrifft: Ich bin der Auffassung, dass die Verletzung des Polizisten nicht in der Verantwortung von Herrn B liegt."

Staatsanwältin: „Ersuche um Verurteilung"

Plädoyer Staatsanwältin: „Jeder in Österreich kann Unmut über Dinge kundtun, die ihm nicht gefallen. Die Grenze ist dann erreicht, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben ist. Wenn sich jeder, der einen Polizeieinsatz ungerecht findet, bei einem solchen einmischt, würde es permanent zu Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Polizei kommen. Herr B. hätte einfach nicht eingreifen dürfen. Was den Grad des Eingreifens betrifft: Sobald Kraft eingesetzt wird, ist der Tatbestand des Widerstandes gegen Staatsgewalt gegeben."

Außerdem, so die Staatsanwältin weiter: „Der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung ist auch gegeben. Ich ersuche, Herrn B. zu verurteilen."

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Höhere Besucherzahlen als bisher

Bei der heutigen Verhandlung sind mehr Menschen anwesend als bei den vorangegangenen Terminen. Neben Bekannten und Freunden sind auch reguläre Zuschauer im Saal—insgesamt an die 30 Personen.

MRT-Scan wird nicht vorgelegt

Das vom Verteidiger verlangte MRT wird nicht vorgelegt. „Das hab ich mir vom Herrn Inspektor zeigen lassen und ihm dann wieder zurück gegeben", heißt es. Im Übrigen werden Details rund um den Sehnenriss besprochen—in welchen Fällen ein solcher möglich ist, wie sehr dieser die Beweglichkeit einschränkt und so weiter.

Gutachten wird dem Richter vorgetragen

Das beantragte Gutachten liegt dem Gericht jetzt vor und wird vorgetragen: „Es ist eindeutig, dass Andreas U. einen Abriss der langen Sehne des Bizeps-Muskels erlitten hat. (…) Wenn dieser Muskel überbeansprucht wird, reißt er, so wie im gegenständigen Fall. Diese Überbeanspruchung kann auch durch degenerative Vorerkrankungen gefördert werden. Aber keiner von uns weiß, ob seine Sehne vorgeschädigt ist oder nicht. So ein Riss kann im täglichen Leben passieren. Wenn man sich den gegenständigen Fall ansieht, dürfte es so sein, dass der Inspektor den Angeklagten fest gehalten hat und dann eine Aktion stattgefunden hat, bei der der Bizepsmuskel eine Gegenkraft erfahren hat. Ob er sich fallen gelassen oder gezogen hat, kann man aus medizinischer Sicht nicht sagen."

Und weiter: „Ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung und der beschriebenen Aktion kann aus medizinischer Sicht angenommen werden."

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Der Richter fragt nach, wie es dann möglich war, dass der Polizist Jahn nach der Verletzung noch fest gehalten hat. Gutachter antwortet: „Es kommt bei einem Sehnenriss dieser Art zu Leistungsreduktion, aber nicht zu einer Funktionsuntüchtigkeit."

Das Gutachten

Laut Jahn ist das von seinem Verteidiger geforderte Gutachten äußerst dubios zustande gekommen: „Der Gerichtsmediziner hat einfach den verletzten Polizisten zu sich eingeladen und sich die Geschichte von ihm erzählen lassen. Auf Fragen von meinem Verteidiger, wie der Polizist zum Beispiel drei Minuten nach dem angeblichen Bandriss noch in der Lage war, mich mit dem verletzten Arm festzuhalten, ist der Gerichtsmediziner gar nicht erst eingegangen. Deswegen haben wir jetzt noch ein alternatives Gutachten einholen lassen, das die ganzen offenen Fragen behandelt. Nach der Sache mit dem Gutachten hat mich mein Anwalt angerufen, und gesagt, dass wir jetzt kämpfen müssen."

Das WEGA-Video

Dem Gericht liegen Videoaufnahmen der WEGA vor, auf denen man laut ihm recht wenig Aussagekräftiges sieht. Auch auf Aufnahmen von Wien TV zum Fest der Freiheit und den Gegendemonstrationen ist nur wenig vom betreffenden Vorfall zu sehen. Anschließend wurde der Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt. Grund dafür war, dass Jahn B.s Verteidiger ein Gutachten der Verletzung des besagten Polizisten beantragt hat und dieses erst eingeholt werden musste.

Der Beginn des zweiten Verhandlungstages

Der zweite Tag in der Verhandlung gegen Jahn beginnt so, wie der erste zu Ende gegangen ist. „Zur Widerstandshandlung an sich kann ich nichts sagen, das hab ich nicht mitbekommen", gibt der erste Zeuge des Tages zu Protokoll. Er habe lediglich gesehen, dass sich Jahn zur Wehr gesetzt hat.

Die Zeugenaussagen

Die restlichen Zeugen können zum genauen Tathergang keine konkreten Angaben machen und beschreiben lediglich ihre Eindrücke. Konkret gesehen, dass Jahn auf Andreas U. eingeschlagen hätte, hat niemand. Jahn habe sich die Stiege hinunter fallen lassen, heißt es weiter. Auch in welcher Intensität Jahn „mit den Armen herumgefuchtelt hat", kann niemand so genau sagen. Immer wieder ist die Rede von sich fallen lassen und mit den Armen rudern.

Der Hauptbelastungszeuge

Der Hauptbelastungszeuge Andreas U., also der verletzte Polizist, hat ausgesagt, dass Jahn „relativ tumultartig herumgewerkt" habe. Dass Jahn auf ihn eingeschlagen habe oder körperlich gegen ihn vorgegangen sei, verneint er zwar, aber er sagt, er hätte ihn auf der Treppe, auf der sich der ganze Vorfall ereignet hat, nach unten gezerrt. Dadurch soll sich der Polizist einen Sehnenriss zugezogen haben, der ihm geschätzte 3.300 Euro Verdienstentgang beschert haben soll.

Jahns Aussage

Zu Beginn der Verhandlung hat sich Jahn B. „nicht schuldig" bekannt. Laut eigenen Aussagen wollte er durch sein Eingreifen bei der Festnahme von Hüseyin S., einem Gegendemonstranten beim Fest der Freiheit, bezwecken, dass Hüseyin, der am Kopf geblutet hat, ins Spital gebracht wird. Daraufhin soll ihm im Handgemenge bei der U-Bahn-Station Schottentor ein Polizist die Hoden gequetscht haben.

Verena auf Twitter: @verenabgnr