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Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen mehr Underground

Siamak Amidi erklärt uns, warum der noch junge Underground in den Emiraten trotz Drogenverbot und Schwulendiskriminierung stetig wächst.
Photo: Kirill Fedorov

Was wisst Ihr eigentlich über die elektronische Szene in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Eben. Natürlich lohnte sich auch die Beschäftigung mit den obligatorischen Key-Regionen wie Amerika, doch nach dem Einblick in die ebenfalls eher unbekannteren Entwicklungen in Japan oder Australien machen wir mit unserer Serie „Interviews of The World" nun bei der sicherlich exotischsten Station Halt. Mit Dubai assoziieren wir eher endlose Skyscraper, prunkvolle Hotels und reiche Scheichs, aber nicht diesen einen großen Club oder den allerorts bekannten DJ. Interessant ist der Fokus auf Dubai auch deswegen, weil sich die Stadt am Persischen Golf in einem fortwährenden Prozess befindet, der gerade erst begonnen hat. In den siebziger Jahren lebten dort nicht einmal 200.000 Menschen, heute sind es über zwei Millionen. Und wenn Dubai in sechs Jahren der Expo-Gastgeber sein wird, soll die Metropole bereits mehr Einwohner zählen als Berlin heute beherbergt.

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Dementsprechend spielt sich beinahe das komplette soziale und kulturelle Leben des Landes in Dubai ab—und unser Gesprächspartner Siamak Amidi steckt nicht nur mittendrin, sondern leitet mit Analog Room die mehr oder minder einzige Partyreihe. Dafür brachte er bereits Künstler wie Move D, Dasha Rush oder Nick Höppner nach Dubai. Der 29-Jährige selbst kommt ursprünglich aus dem Iran, zog 2007 aber für sein Studium in Audio-Engineering nach Dubai und bezeichnet die eigene Entdeckung der elektronischen Musik als wichtigsten Baustein in seinem Leben. Warum Dubai zu den meist unterschätzten Szenen in der elektronischen Welt gehören dürfte, erfahrt ihr hier.

THUMP: Siamak, seit einigen Jahren gestaltest du die elektronische Musikszene in Dubai maßgeblich mit. Erzähl uns doch kurz, was hinter deinen Projekten Analog Room und Volt Music steckt! 

Seit acht Jahren lebe ich nun schon in Dubai und vom Moment an, als ich hier gelandet bin, hatte ich den Antrieb, die Underground-Musik voranzutreiben, weil es hier einfach nicht genug davon gab. Ich habe mehrmals versucht, etwas auf die Beine zu stellen, aber die Leute waren einfach nicht daran interessiert. Die Crowd in Dubai hat sich seitdem aber wirklich gewandelt—und auch die Stadt verändert sich quasi täglich. Vor zwei Jahren haben wir Analog Room gestartet und ich hatte damals entschieden, auch das kleine Vinyl-Only-Label Volt Music zu machen. Obwohl mir beides sehr am Herzen liegt, könnten die beiden Projekte nicht unterschiedlicher sein. Das Konzept von Analog Room ist es, moderne elektronische Underground-Musik zu präsentieren, aber auch lokalen Künstlern eine Plattform zu bieten. In einer Nacht spielen unsere Residents neben wirklichen Legenden, was unsere lokalen Acts wirklich Selbstbewusstsein und Erfahrungen für ihre Karrieren gibt. Volt Music hat einen anderen Vibe, auch wenn es elektronische Musik präsentiert, geht es nicht nur um Dance Music, sondern auch um heftigen Dub, atmosphärische Downtempo-Electronica ebenso wie House und Techno.

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Wie sieht den dein Tagesablauf so aus?

Da ich Booker im Analog Room bin, besteht meine tägliche Routine vor allem aus E-Mails schreiben. Verdammt viele E-Mails. Aber ich räume mir auch immer Zeit ein, um neue Musik zu entdecken oder im Studio zu sein.

Im Vergleich zu Berlin würde ich Dubai als teure Stadt bezeichnen. Treten dadurch vielleicht sogar Probleme für die Musikszene auf? Können es sich die Leute zum Beispiel leisten Platten zu kaufen? 

Dubai ist gar nicht so teuer, wenn du hier arbeitest—„teuer" ist halt relativ. Andererseits wirbt die Stadt mit einem schicken Lifestyle, der mit unserem Angebot, die Underground-Musik in einer entspannten Umgebung voranzutreiben, nicht auf einer Linie liegt. Dennoch erzeugt das wiederum die Möglichkeit, das Clubbing oder andere Subkulturen und alternative Formen von Unterhaltung zu gestalten. Und wir haben hier in Dubai keine Plattenläden, die elektronische Musik verkaufen—ein Freund will aber demnächst einen eröffnen, was sicherlich spannend für die Stadt sein wird. Major-Läden wie Virgin haben eine kleine Auswahl an Platten, aber die sind definitiv viel teurer als in Europa.

Wir würdest du im Allgemeinen den Status Quo der Szene beschreiben? 

Dubai ist eine wirklich einzigartige Stadt, weil der größte Anteil der Einwohner Ausländer sind. Weil die Leute aus allen Ecken der Welt kommen, sehnen sie sich nach dieser Clubbing-Erfahrung, die sie von zu Hause kennen. Aufgrund der lokalen Kulturen und Gesetze haben wir keine Clubs, die so lange offen bleiben bis die letzte Person aufhört zu tanzen wie etwa in Berlin, und es ist hier sicherlich auch weniger liberal.

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Wie sieht denn die Club-Situation aus, bist du mit dem Angebot zufrieden oder vermisst du vielleicht etwas?

Der Tourismus ist riesig in Dubai, wie du bestimmt weißt, demnach macht Unterhaltung im Allgemeinen einen großen Teil der Stadt aus. Ich glaube, ich habe noch in keiner anderen Stadt in der ich war, derart viele Bars, Clubs oder Restaurants gesehen. Die meisten Clubs bieten eher so die St. Tropez-Clubbing-Variante an und ich denke es fehlt hier definitiv die Vielfalt. Aber wie ich schon sagte, auf der anderen Seite gibt es dadurch eine Lücke, die wir füllen und es ist spannend, Teil der Geburt einer alternativen Kultur zu sein.

Stimmt es, dass die elektronische Musikkultur von einer Handvoll Professioneller dominiert wird? Würdest du die Szene als Underground bezeichnen und was waren in den letzten Jahren die wichtigsten Veränderungen? 

Ich bin mir nicht sicher, ob die Nightlife-Szene in den Vereinigten Arabischen Emiraten wirklich von einer Handvoll Leute dominiert wird—könnte sein, könnte aber auch falsch sein. Es gibt in Dubai definitiv einen großen Durst nach Underground und einer alternativen Szene, und dieser Durst ist noch relativ frisch. Trotzdem ist die Szene hier sicherlich nicht Underground. Die Stadt wächst halt rasant, die Menschen ziehen aus der ganzen Welt hierher, was zur Folge hat, dass sich die Kultur andauernd neuerfindet. Und du musst im Hinterkopf haben, dass die Stadt noch sehr jung ist —Dubai ist nicht einmal 50 Jahre alt. In den letzten zwei Jahren erfuhr die Stadt ein schnelles Wachstum, sowohl geografisch als auch, was die Bevölkerung angeht. Der Aufstieg der Club-Szene und alternativer Subkulturen ist eine direkte Folge davon.

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Wenn ich mir die Listen der Top 1000 DJs der Welt anschaue, dann findet sich niemand darunter, der aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammt. Liegt das am recht jungen Alter der Szene und gibt es eigentlich viele lokale Talente und die notwendigen Plattformen? 

Das ist eine großartige Frage, denn wir haben wirklich unglaubliche Talente hier, die du natürlich nicht auf diesen ganzen Listen findest—unsere Szene ist sehr klein, wir sind eine kleine Community in einer kleinen Stadt und außerdem weit entfernt von den Zentren wie Europa oder Amerika. Talente wie NasrawiSalar Ansari—beides Künstler von Volt Music und Residents vom Analog Room—oder Shadi Megallaa—der Gründer und A&R des Labels Ark to Ashes—sind alle in den Emiraten ansässig und nicht weit weg entfernt von den besten DJs, die ich auf der Welt gesehen habe. Meiner Meinung nach ist es die Aufgabe der Musikjournalisten und Medien danach zu suchen und den Scheinwerfer auf neue und aufkommende Szenen sowie Talente zu richten, wie etwa Mehdi Ansari alias Shermroon—er ist der Haupteigentümer vom Analog Room. Oder unser neuer Freund Shaun Soomro, der erst kürzlich von London nach Dubai gezogen ist, er steckt hinter dem Label Lick My Deck.

Auch wenn das Musikjahr noch nicht vorüber ist, sind dir 2014 vielleicht irgendwelche spannenden Trends aufgefallen? 

Ich kann nicht wirklich sagen, ob es wirklich irgendwelche großen Entwicklungen oder Musiktrends gegeben hat, aber was mir auf jeden Fall aufgefallen ist, war die Wiedereinführung und das gestiegene Interesse an Vinyl. Auch in den Studios, die Produzenten gehen wieder zurück zu analogen Equipment, um organische Sounds zu entwickeln—man könnte sagen, dass die Szene wieder zu ihren Wurzeln zurückgeht. Ich liebe das.

Am Ende aller Interviews über die unterschiedlichsten Länder und Kulturen stelle ich allen DJs oder Produzenten diese Frage stellen. Teilst du mit uns bitte diesen einen Track, den du seit Jahren in deinem Plattenkoffer dabei hast und häufig spielst? 

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