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Brasilien hat erstmals seit 18 Jahren einen unberührten Stamm kontaktiert

Der indigene Stamm musste wohl vor den Folgen der illegalen Abholzung und des Drogenhandels in die Nähe der Zivilisation flüchten.
Bildausschnitt: FUNAI/Gleison Miranda/ www.uncontactedtribes.org/brazilphotos | Mit freundlicher Genehmigung. 

Zum ersten Mal seit knapp zwei Jahrzehnten hat die brasilianische Regierung Kontakt zu einem bisher von der Außenwelt abgeschnittenen indigenen Stamm aufgenommen. Die brasilianische Behörde für indigene Angelegenheiten, FUNAI gab bekannt, dass es zu der Kommunikation am vergangenen Wochenende an der Grenze von Brasilien und Peru kam.

Das Ereignis stellt die erste Kontaktaufnahme der brasilianischen Regierung mit solch einem Stamm seit 1996 dar. Scheinbar wurde die Gruppe auf Grund illegaler Abholzung aus Peru vertrieben—und das nur wenige Tage nachdem FUNAI vor „Tod und Tragödien" warnte, wenn die Abholzung kein Ende nimmt. Die Gruppe hat außerhalb des Stammes keinen Namen und es ist unklar, welche Sprache sie sprechen, erzählte mir Kayla Wieche, eine Sprecherin von Survival International, einer in London ansässigen Organisation, die sich für die Rechte von Indigenen einsetzt:

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„Bisher existiert kein Name für die Menschen. Wir wissen nicht, wie sie sich selbst bezeichnen, oder in welcher Sprache wir uns an sie wenden könnten. Es ist schwierig zu sagen, wie viele Menschen die Gruppe umfasst und wie viele in Kontakt mit der Außenwelt traten. Ein FUNAI-Mitarbeiter sprach von ungefähr 70 Personen, aber zur Zeit können darüber keine gesicherten Informationen abgegeben werden."

Der Kontakt geschah nicht ganz unerwartet, denn die brasilianischen Ashaninka, ein mit der Zivilisation in Verbindung stehender Stamm in der Nähe der Gruppe, berichtete von einigen Sichtungen. Sonntag näherten sich offensichtlich einige Personen dem Ashaninka Dorf.

Es wird angenommen, dass die Gruppe dieselbe ist, die 2008 und 2010 auf der Luft fotografiert wurde. Auf diesen Fotos zielen Männer mit Speeren und Pfeilen auf den Helikopter. Damals, 2008, machte ein vom Observer in die Welt gesetztes Gerücht die Runde, dass es sich bei den Bildern um einen Hoax handelte. Die Zeitung entschuldigte sich mittlerweile und entfernte den Artikel von ihrer Webseite.

Laut FUNAI nahmen die Sichtungen ab dem 13. Juni zu und der Kontakt erfolgte nun am 29 Juni.

Das sind natürlich keine guten Nachrichten. Der generelle Konsens lautet, dass unberührte Stämme auf sich gestellt bleiben sollten, da viele von ihnen seit hunderten von Jahren und sogar noch länger existieren.

Eine aktuelle Studie weist darauf hin, dass viele unberührte Stämme nahezu direkt nach ihrem Kontakt mit der Zivilisation sterben. Von den 238 Stämmen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte kontaktiert wurden, starben drei Viertel aus. Bei denjenigen, die überlebten, stieg die Sterberate auf 80 Prozent an, was unter anderem an der Übertragung von Krankheiten liegt, denen sie bisher nicht ausgesetzt waren.

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FUNAI „vertritt die Prämisse, dass kein Kontakt stattfinden darf, um die Selbstbestimmung der Menschen zu respektieren. Außerdem soll die Arbeit zum Schutz der Territorien auch die Anwesenheit der Völker beinhalten", schrieb die Vereinigung in einer Presseerklärung zu dem Kontakt. Sie führten an, dass Experten für indigene Gesundheit und Dolmetscher in die Gegend geschickt wurden, um die Kommunikation mit den Menschen aufzunehmen und für ihr Wohlergehen zu sorgen.

Im Jahr 2011 veröffentlichte WikiLeaks Dokumente, die zeigten, dass 90 Prozent der peruanischen Mahagoni-Exporte illegal in Amazonasgebieten geschlagen werden, was sich sehr nah an dem Gebiet dieses Stammes befindet. Survival International ist sich sicher, dass die illegale Abholzung der Urwälder dafür verantwortlich ist, dass das Volk nach Brasilien floh. Eine ähnliche Situation könnte sich in Ecuador ereignen, wo Öl-Bohrungen zu einem unberührten Stamm vordringen und diesen in Richtung der Zivilisation drängen.

Laut Sarah Senker, einer Aktivistin von Survival International, die in engem Kontakt mit den Kontaktpersonen in Brasilien steht, könne sich jeder selbst ausmalen, was als Konsequenz letztlich passieren werde. Der Gruppe wird die Wahl gelassen, ob sie sich in einem Dorf innerhalb der Zivilisation ansiedeln wolle oder nicht. Und es gab durchaus bereits Fälle in denen sich Indigene dazu entschieden hätten wieder in der Isolation zu leben.

Sie bestätigt, dass externe Belastungen der Grund für den Entschluss des unbekannten Stammes gewesen seien, wenn sich eine unberührte Gruppe einer zivilisierten Behausung nähert, wie es in diesem Fall geschehen ist.

„Es scheint, als hätten sie unter großem Druck gestanden—Abholzung und Drogenhandel zwangen sie zu diesem Schritt", sagte sie mir. „Es sieht so aus als hätte ein einschneidendes Ereignis statt gefunden, dass sie sich dem Dorf angenähert haben. Möglicherweise haben sie Holzfäller gesehen und wussten tatsächlich einfach nicht mehr, wohin sie flüchten sollten."