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Nazar hat seine Autobiographie veröffentlicht und erntet unter anderem rassistische Kommentare

Im Kommentarbereich österreichischer Tageszeitungen wird man bekanntlich nie enttäuscht. Und auch diesmal findet man wieder wohlüberlegte, konstruktive Kritik.
Screenshot via YouTube und OÖNachrichten

Mit Mich kriegt ihr nicht hat Nazar am 28. Jänner als erster österreichischer Rapper eine Autobiographie veröffentlicht. Mit 33 Jahren hat er schon so viel erlebt, dass er seine Lebensgeschichte einfach mal so in ein 240-seitiges Hardcover-Buch verwandeln kann. "Das Buch behandelt detailliert meine Zeit im Iran bis zu meiner Rap-Karriere", hat er uns noch im Jänner, vor der Veröffentlichung des Buches, in einem Interview erzählt – mittlerweile wissen wir schon mehr über den Inhalt.

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Seine Autobiographie ist sehr persönlich und er erzählt uns von Geschichten, in denen es vor allem darum geht, dass er gerade noch mal so davongekommen ist – deshalb auch der Titel Mich kriegt ihr nicht. Er schreibt über die schwierige Zeit im Iran, erzählt über die Flucht mit seiner Mutter und seinem Bruder und dann natürlich auch über seine ersten Erfahrungen in Österreich, die alles andere als einfach waren.

Nazar schreibt, wie er rappt. Was wäre schon eine gute Autobiographie von einem Rapper ohne authentische Ausdrucksweise, die in dem Fall eben auch ein paar sehr direkte Wörter impliziert? Und nicht nur mit seinen Songs, sondern auch mit seinem Buch möchte er Probleme der Gesellschaft ansprechen. Natürlich führt hier kein Weg an politischen Themen vorbei.



Schon 2015 hat Nazar politisch Stellung genommen, indem er bei seinem Konzert Heinz-Christian Strache einen Uhrensohn genannt hat. Im Buch kritisiert er nun auch Sebastian Kurz: "Wie können die Leute nicht merken, dass es ein reines Geschäftsmodell ist, auf dem Reißbrett entworfen, das der Typ ihnen als seine Überzeugungen präsentiert?"

Sobald man als Musiker politisch Stellung nimmt, muss man mit Gegenwind rechnen. Und der kommt vor allem von den Personen, die sich gar nicht mit seiner Musik befassen. Unzensuriert beispielsweise hat die Veröffentlichung der Autobiographie als Anlass genommen, all seine lyrischen "Vergehen" nochmals aufzulisten. In einem Interview mit dem Kurier geht es dann genau um dieses Problem und seine Meinung zur Gesellschaft, in der er lebt.

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Zuhause haben die Leser jedenfalls schon in ihren Jogginganzügen gewartet. Tiefkühlpizza und Popcorn als Nachspeise standen schon bereit. Alle warteten – nicht auf die Veröffentlichung des Buches. Sondern auf die Veröffentlichung von Artikeln, die das heilige Portal für sie öffnen sollte: den Kommentarbereich.

Natürlich gibt es auch zu diesem Thema wieder genügend Leute, die in den Kommentaren ihren Frust auf die Welt loswerden wollen. Wir haben die fragwürdigsten Exemplare rausgesucht und uns gefragt: Haben diese Leute jemals etwas von konstruktiver Kritik und Argumentation gehört? Vermutlich nicht. Haben diese Leute das Buch tatsächlich überhaupt gelesen? Höchstwahrscheinlich auch nicht, nein.

Screenshot via DiePresse

Wir wollen wirklich nicht böse sein, wirklich. Aber wenn wir sowas sinnerfassend lesen, dann fragen wir uns einfach: Was zur Hölle, SensiSindi. Sensi fehlt hier nämlich.

Screenshot via DiePresse

Wir wollten Nazar haben! Und wir kennen sehr viele Leute, die Nazar haben wollten. Und wer sich kurz mit dem Inhalt des Buches befasst, wird sehr schnell erschließen können, worum es in dem Buch geht und was der Titel des Buches zu bedeuten hat. Gern geschehen.

Dieser Kommentar erinnert mich an die Texte, die ich für die Uni lesen muss – unnötig geschwollen geschrieben und doch ohne Sinn.

Screenshot via DiePresse

Ich glaube nicht, dass Nazar das für OK hält und wie wir sehen, ist aus ihm ein erfolgreicher Rapper geworden, der über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Jemand, der so viel erlebt hat und es doch geschafft hat, seinen Weg zu finden, steht in meinen Augen nicht für eine verlorene Gesellschaft.

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Zum Glück leben wir ja in einer Demokratie inklusive Meinungsfreiheit. Newsflash: Über die Politik zu sudern, zählt durchaus zu den österreichischen Gepflogenheiten.

Screenshot via DiePresse

Vielleicht sollte Nazar sich einfach bei allen Leuten persönlich dafür bedanken, dass er in Österreich aufgenommen wurde. Dafür müssen sich dann aber sämtliche Politiker der letzten Jahre für die verfehlte Integrationspolitik entschuldigen. Übrigens: Nazar kommt aus dem Iran und Musik schreibt man ohne Anführungszeichen.

Wer zu faul ist, das Buch zu lesen und sich deshalb auch nicht über den Inhalt kritisch äußern kann, der bedient sich einfach an Knockout-Argumenten und beleidigt Rapper an sich.

Screenshot via Amazon

Diese Amazon-Rezension erinnert mich an einen Witz: Wie viele Kriegsveterane braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? Wie sollst du das wissen? DU WARST JA NICHT DORT!

Screenshot via Kurier

Ohne Worte.

Wenn wir schon über Rassismus sprechen.

Ein klassischer Fall von Generalisierung. Künstler sind natürlich immer linksradikal und drogenabhängig und das gesamte bürgerliche Volk hat Hausverstand.

Screenshot via DiePresse

Wenn wir uns richtig erinnern, gab es genau einen Song, bei dem Nazar mit Falco rappt. Dieser Song heißt "Zwischen Zeit & Raum" und der Rest von Nazar klingt – nunja – doch sehr nach dem Rapper, der schon vier Mal einen Amadeus gewonnen hat . Und vom Klauen bekommt man den vermutlich nicht.

Und wenn du, lieber Alf, einmal mit der Politik unzufrieden sein solltest, dann steig bitte in dein UFO und flieg zurück zum Planeten Melmac.

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Nazar schreibt sicher gerade persönliche Dankesbriefe an euch alle, habt nur etwas Geduld.

Screenshot via DiePresse

Ich bin zwar keine Expertin, aber ich vermute, dass Nazar selbst genügend Steuern zahlt. Unter allen Kommentaren findet man nur sehr wenige, die tatsächlich von der Autobiographie handeln. Wer will, kann heute Abend ein Trinkspiel versuchen: Jedes Mal, wenn Nazar destruktiv beleidigt wird, als undankbar bezeichnet wird, auf seinen Migrationshintergrund reduziert oder wegen seiner Vergangenheit kritisiert wird, bitte einmal trinken. So schnell wart ihr noch nie innerhalb von fünf Minuten auf zwei Promille.

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