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Apple macht überraschenden Move gegen Lootbox-Entwickler

Diese kleine Änderung im AppStore könnte der Lootbox-Industrie gewaltige Probleme bereiten.
Lootboxen sind ein wichtiges Element in einem der erfolgreichsten Games im AppStore: Clash Royale | Bild: Supercell, Collage Motherboard

Wenn Apple eine Sache kann, dann sind es pompöse Ankündigungen. Doch die jüngste Neuigkeit aus Tim Cooks Firma bekam nicht mal eine Pressemitteilung. Dabei könnten die Folgen der Entscheidung gewaltig sein: Apple geht zum ersten Mal gegen Lootboxen vor.

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In der Nacht zum heutigen Donnerstag, 21. Dezember, änderte Apple die "Review Guidelines" für seinen AppStore. In diesen definiert das Unternehmen die Anforderungen an Entwickler, die ihre Apps über die Plattform auf den Markt bringen wollen. Seit gestern findet sich unter Punkt 3.1.1., "In-App-Käufe", ein neuer Absatz, der eine überraschende neue Regelung für Lootboxen in Apps enthält. Für Anbieter der mit echtem Geld käuflichen, virtuellen Schatztruhen, in denen zufällig ausgewürfelte Belohnungen fürs Spiel enthalten sind, gilt ab sofort: "Apps, die 'Lootboxen' oder andere Mechaniken enthalten, mit denen sie zufällige virtuelle Gegenstände verkaufen, müssen Kunden vor dem Kauf die Wahrscheinlichkeit offenlegen, jeden einzelnen Gegenstand zu bekommen."

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Apples Änderung könnte Konsequenzen für die Lootbox-Industrie nach sich ziehen, denn sie entkräftet ein zentrales Element, das Lootboxen so erfolgreich macht: Ihre Undurchsichtigkeit. Weil Gamer nicht wissen können, wie wahrscheinlich es ist, die gewünschte Belohnungen aus der Schatzkiste zu bekommen – das seltene Kostüm in Overwatch, den wertvollsten Waffen-Skin in Counter-Strike, den legendärsten Fußballer in FIFA – müssen sie stundenlang Kisten erspielen oder immer mehr Geld ins Spiel pumpen, um neue Boxen zu kaufen.

Für Entwickler und Publisher sind Lootboxen eine enorme Einnahmequelle. Über genaue Zahlen sprechen die meisten großen Publisher nicht, doch in einem Interview mit Waypoint gab ein Entwickler an, dass die Einnahmen für Lootboxen in Mass Effect 3 so groß waren, dass sie zu einem massiven Umdenken bei EA, dem Publisher von Battlefront II geführt haben. Immer wieder gibt es Berichte über Spieler, die über 10.000 Euro in Lootboxen stecken.

Im November dieses Jahres kochte die Debatte um Lootboxen erneut hoch, als der neue Star Wars Shooter Battlefront II auf Lootboxen setzte. Viele Gamer waren darüber erbost und sorgten mit dem massiven Downvoting eines Kommentars der Battlefront-Entwickler auf Reddit für so viel Furore, dass EA einlenken musste und die Möglichkeit, Lootboxen für Geld zu kaufen, entfernte. Die Aufmerksamkeit, die dabei auf Lootboxen fiel, war aber so groß, dass die Debatte, die schon seit Jahren in Gamer-Kreisen tobt, inzwischen auch die Politik erreicht hat. Ob Lootboxen eine Form von Glücksspiel darstellen, die staatlich reguliert werden sollte, wird seitdem international debattiert. In Deutschland sieht es im Moment allerdings nicht so aus, als würden sie unter den Glücksspiel-Staatsvertrag fallen, das zumindest erklärte die für die Prüfung von Computerspielen in Deutschland zuständige USK im Oktober in einer Pressemitteilung.

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Hat Apple gerade eine Ansage gemacht, ob Lootboxen Glücksspiel sind?

In dieser aktuellen Debatte hat Apples neue Entscheidung eine gewaltige Strahlkraft. Spiele mit Lootboxen gehören aktuell zu den erfolgreichsten Titeln im AppStore. Laut der Analyse-Seite AppAnnie setzen zum Beispiel mindestens fünf von zehn der profitabelsten Games im deutschen AppStore auf Lootboxen.


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Apple handelt hier also eigentlich gegen eigene Interessen. Weil das Unternehmen einen kleinen Prozentanteil von jedem Verkauf im AppStore bekommt, sollte der Verkauf von mehr Lootboxen eigentlich auch im Interesse von Apple liegen. Ob Apple mit seiner Entscheidung zu größerer Transparenz bei Lootboxen also in erster Linie die eigenen Nutzer schützen, einem möglichen Shitstorm wie dem gegen EA zuvorkommen oder stattdessen eine politische Botschaft Richtung Games-Industrie abgeben möchte, ist unklar. Auf Anfrage von Motherboard Deutschland erklärt ein Apple-Mitarbeiter lediglich: "Der App-Freigabe-Prozess, sowie die AppStore Review Guidelines, werden seitens Apple generell nicht kommentiert, da u.a. die detaillierte Kommunikation zwischen Apple und Entwicklern einer Vertraulichkeitsvereinbarung unterliegt."

Interessant ist die Wortwahl im neuen Passus der neuen AppStore Guidelines: "Apps […] must disclose the odds of receiving each type of item", heißt es dort. Der Begriff "odds" bezeichnet im Englischen nicht nur Wahrscheinlichkeiten, sondern wird vor allem im Glücksspiel benutzt und bezeichnet hier zum Beispiel bei Pferde- oder Sportwetten die Quoten für einen Wetteinsatz. Mit den neuen Guidelines hat Apple also nicht nur ein Signal an die Lootbox-Industrie gesendet, sondern vielleicht auch unbewusst eine Einschätzung gegeben, ob Lootboxen nun also als Glücksspiel anzusehen sind oder nicht.

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