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football's coming' home

Kann Arsenal den Premier-League-Titel gewinnen?

Vor wenigen Tagen haben die Gunners den FC Chelsea im Supercup-Final besiegen können. Doch ist ihnen auch der Gewinn der Meisterschaft zuzutrauen oder war Wenger dafür wieder zu geizig?
FACUNDO ARRIZABALAGA/EPA

Vor wenigen Tagen haben die Gunners den FC Chelsea im Supercup-Finale besiegen können. Doch ist ihnen auch der Gewinn der Meisterschaft zuzutrauen? Wir haben dazu eine redaktionsinterne Debatte geführt.

Aaron Gordon:

Also Brian, nächstes Wochenende beginnt die neue Premier-League-Saison. Auch in dieser Sommerpause wurden wieder massiv Transfers getätigt. So wechselte Raheem Sterling zu Manchester City, Christian Benteke und Roberto Firmino gingen zu Liverpool, Morgan Schneiderlin, Memphis Depay und Bastian Schweinsteiger zu Manchester United und Falcao versucht sein Glück in Chelsea. Aufgrund von all den Verstärkungen könnte man argumentieren, dass diese vier Teams den Titel unter sich ausmachen werden, mit anderen Worten: dass Arsenal erneut keine Chance auf den Titel hat. Ich sehe das aber anders.

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Das Arsenal-Maskottchen heißt Gunnersaurus. Keine Pointe

Auch wenn es um Arsenal während der aktuellen Transferperiode relativ ruhig blieb, haben sie zumindest ihr größtes Problem behoben und mit Petr Cech einen echten Weltklassekeeper verpflichtet. Kein Geringerer als Chelsea-Spielführer John Terry—der jahrelang mit Cech zusammengespielt hat—warnte davor, dass der Cech-Coup für Arsenal 12 bis 15 Punkte wert sein könnte. Mit diesen Extrapunkten auf dem Konto hätten sie letztes Jahr die Meisterschaft gewonnen. Und wenn das John Terry sagt, dann muss das stimmen (lacht).

Aber jetzt mal im Ernst. Arsène Wenger hat zum diesjährigen Saisonstart einen besonders tiefen Kader beisammen, auch deswegen, weil fast alle fit sind. Die überraschend starke Entwicklung von Hector Bellerin hat dazu geführt, dass die Abwehr mittlerweile deutlich sattelfester ist. Außerdem ist Wenger nicht mehr so abhängig von Jack Wilshere, was gut ist, weil er recht häufig verletzt ist, wie auch jetzt wieder. Und vorne hat Wenger eh die Qual der Wahl mit Walcott, Giroud, Welbeck und Sánchez.

All das bedeutet, dass Wenger mittlerweile mit einem Kader arbeiten kann, bei dem man ordentlich rotieren kann. Davon konnte er in den letzten Jahren, als aufgrund des teuren Stadions viel weniger Geld zur Verfügung stand, nur träumen.

Brian Blickenstaff:

Aaron, du sagst eine Menge kluger Sachen. Allen voran, dass sich Arsenals junge Spieler super entwickelt haben und dass mit Cech endlich einer der besten Keeper der Welt zwischen ihren Pfosten steht. Ich glaube zwar, dass das Team so gut aufgestellt ist wie schon seit zehn Jahren nicht mehr, ich glaube aber nicht, dass die Gunners Meister werden können. Dafür fehlt es ihnen sowohl an einem Weltklassestürmer als auch an wirklich guten Verteidigern. Nacho zum Beispiel vertraue ich überhaupt nicht, auch wenn er letzte Saison ein paar gute Spiele abgeliefert hat. Und auch von Per Mertesacker bin ich nicht wirklich überzeugt. Der ist zwar ein guter Spieler, aber aus meiner Sicht nicht genug genug.

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Schau dir mal zum Vergleich die Startaufstellung von Chelsea an und zeig mir nur eine einzige Schwachstelle auf. Ich mein, alle reden davon, dass sich Arsenal so stark verbessert hätte, indem sie Cech verpflichtet haben. Cech war bei Chelsea aber nur noch zweite Wahl. Das sagt doch schon alles, wenn ein Bankspieler von Chelsea die Gunners auf ein neues Niveau heben kann.

Aaron Gordon:

Du Brian, ich halte auch nicht besonders viel von Nacho. Doch wenn ich mir anschaue, was bei City oder Chelsea auf der Bank sitzt… Ist Nacho zum Beispiel so viel schlechter als Bacary Sagna? Wohl kaum. Und was Chelsea betrifft: Ich wüsste aus dem Stegreif nicht mal, wer für Ivanovic spielen würde, sollte der sich verletzen.

Erinnerst du dich noch daran, wie sie alle über den Guardian hergezogen haben, nachdem der im letzten Jahr erklärt hatte, dass der US-Fitnesstrainer Shad Forsythe Arsenals beste Verpflichtung des Sommers war? Das klang vor allem deswegen schwachsinnig, weil sie ja erst kurz zuvor Sanchez vom großen FC Barcelona geholt hatten. Doch schaut man sich an, wie sich die Verletzungsstatistik in der zweiten Saisonhälfte entwickelt hat, als Arsenal den gesündesten Kader seit Ewigkeiten hatte, muss man dem Guardian nachträglich wohl doch Recht geben. Setzt sich diese Entwicklung auch in der kommenden Saison fort, kann das allein ein paar Siege wert sein.

Und klar, die Startformation von Chelsea hat fast keine Schwächen. Darum sind sie im letzten Jahr auch Meister geworden. Aber was passiert, wenn ein Ivanovic verletzungsbedingt ausfällt? Oder Cahill? Oder Matic? Oder Fabregas? Und noch schlimmer: Was passiert, wenn Costa ein paar Monate ausfällt? Falcao war vielleicht teuer, aber er hat seit seiner Knieverletzung nicht mehr viel gerissen. Chelseas Schwäche ist der nicht so tiefe Kader. Darum mache ich mir auch Hoffnungen, was Arsenal betrifft, denn zum allerersten Mal haben sie den wohl tiefsten Kader der gesamten Premier League.

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Brian Blickenstaff:

Einen tiefen Kader zu haben, ist natürlich eine wichtige Sache. Doch noch wichtiger ist es meiner Meinung nach, die beste Startformation zu haben, da man Verletzungen nie richtig einplanen, sondern nur auf sie reagieren kann. Ich habe lieber einen exzellenten Plan A und keinen Plan B als einen guten Plan A und einen guten Plan B. Wenn es auf diesem Niveau zu Verletzungen kommt, sollte man man die Zuversicht haben, erfolgreich improvisieren zu können.

Mit José Mourinho hat Chelsea einen unfassbar kompetenten Trainer, der so gut wie wohl kein Zweiter umdisponieren kann. Erinnerst du dich noch an Mourinhos erste Amtszeit bei den Blues, als Michael Essien plötzlich hinten rechts gespielt hat? Der Typ findet immer einen Ausweg. Und wenn nicht, kaufen sie einfach im Januar einen neuen Spieler.

Was ich bei Arsenal nicht verstehe, ist die Tatsache, dass sie nur so wenig von einem richtigen Titelanwärter trennt, sie aber aus irgendeinem Grund nicht bereit sind, den letzten Schritt zu gehen und noch ein paar wirklich große Spieler zu verpflichten. Jeder andere große Verein in der Premier League gibt Geld aus, um die Schwachstellen im Kader auszubessern, nur Arsenal nicht. Dabei wird auch Arsenal eine Menge Kohle zur Verfügung haben. Warum wird die also nicht eingesetzt, um das Team auf eine Ebene mit Chelsea, City und Co. zu katapultieren?

Aaron Gordon:

Ich halte generell nicht so viel davon, Trainern eine riesige Bedeutung beizumessen, doch bei Mourinho ist das etwas anderes. Er kann in der Tat hervorragend improvisieren und umdisponieren, weswegen die fehlende Tiefe des Kaders vielleicht in dem Fall nicht ganz so gravierend ist. Doch ich bleibe dabei: Dieses Jahr sind die Vorzeichen so, dass Arsenal den Titel holen könnte. Ihre Startformation kann es mit Chelsea und City aufnehmen, während ihre Kadertiefe die beste der Liga ist.

Als Arsenal-Fan hätte ich mir natürlich gewünscht, dass Wenger für Vidal und/oder Schneiderlin die Kohle locker gemacht hätte, um das zentrale Mittelfeld zu stärken. Ich kann aber auch gut nachvollziehen, warum er es nicht gemacht hat: Erstens ist Vidal schon 28 und Wenger ist ein Freund von Spielern unter 25 und zweitens ist Schneiderlin keine 27 Mio. Pfund wert, die Manchester für ihn auf den Tisch gelegt hat. Wenger war schon immer besessen davon, bei Transfers das Preis-Leistungsverhältnis im Hinterkopf zu haben. Vielleicht zahlt sich das dieses Jahr endlich mal aus.