Das einzig Gute am Dockville war Hamburg

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Musik

Das einzig Gute am Dockville war Hamburg

Das Dockville fühlt sich irgendwie nicht an wie ein richtiges Festival. Vielleicht liegt das daran, dass man es einfach nur nutzt, um endlich mal wieder ein Wochenende in Hamburg abzuhängen.

Das Dockville fühlt sich irgendwie nicht an wie ein richtiges Festival. Vielleicht liegt das daran, dass man es einfach nur nutzt, um endlich mal wieder ein Wochenende in Hamburg abzuhängen. Ganz traditionell fahre ich auch dieses Jahr wieder mit der Mitfahrzentrale. Mein Fahrer Carlo, angehender Jurist aus einer wohlhabenden Hamburger Anwaltsfamilie und verkannter Autor à la Rafael Horzon, unterhält uns mit skurrilen Geschichten aus seiner Fern- und Pizzafahrerkarriere, von der seine Eltern nichts wissen dürfen. Am Ende der Fahrt wünsche ich mir, dass er mit aufs Festival kommen würde. Er wäre mit Sicherheit ein super Entertainer gewesen, falls mal Langeweile aufkommt.
Ich schlafe dieses Jahr bei dem Schwarm meines damaligen Gymnasiums. Damals fanden den alle so toll, weil er mit seinen blondierten Haaren und seinem Wizo-T-Shirt Kurt Cobain irgendwie am ähnlichsten sah. Er hat mir netterweise seine Wohnung zur Verfügung gestellt, obwohl wir uns seit den 90ern nur einmal gesehen haben. Das war Weihnachten 2006 volltrunken in einer Kneipe, in der Sisters of Mercy lief und alle Tequila tranken. Er scheint aber auch heute noch ziemlich OK zu sein. In seinem Zimmer stehen Gitarren, Platten und ein bisschen Kunst. Während ich meine Sachen in der fremden Wohnung ausbreite, fühle ich mich ein bisschen wie MTV Room Raiders. Vor allem, als er mir später eine SMS schickt, in der steht, dass er meinen Bettbezug ganz süß findet, den ich schnell noch aufgespannt habe. Man weiß ja nie, ob man nach dem Festival noch dazu in der Lage ist.

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Der Freitag fällt dann allerdings eher mild aus. Traditionell verpasse ich alle Bands am Nachmittag und nutze den Abend, um erst mal anzukommen und mich an die mit Glitzer und Konfetti dekorierten Kids zu gewöhnen, die bereits völlig unkoordiniert und gröhlend auf dem staubigen Gelände umhertorkeln. Ich hätte in solchen Momenten immer gerne erstmal einen Stuhl zum Hinsetzen. Vor Maxïmo Park muss ich leider flüchten, so schnell es geht. Der Sänger trägt immer noch ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte und ist scheinbar im Jahr 2003 stehengeblieben. Bei der Gruppe Friends passt ganz und gar nichts zusammen. Die Sängerin ist sich anscheinend nicht sicher, ob sie Britney Spears oder Karen O sein möchte. Beides zusammen funktioniert jedenfalls nicht. Es hätte dem Publikum und meinen Ohren sicher gut getan, hätte sie sich vor ihrem Gig für eine der beiden entschieden. Bei The Hundred in Hands wird es nicht besser. Mein Kumpel schreit mir irgendwas von Drums und Playback ins Ohr, meine Freundin ist genervt vom Gitarristen. Er ist ihr irgendwie nicht heiß genug. Bei Apparat Band hängen wir ein bisschen in der ersten Reihe ab und beschließen danach, das Bett dem sich mittlerweile von allen Seiten anbahnenden Technogewummer vorzuziehen. Beim Gehen fragt hinter uns ein junges Mädchen mit sächsischem Akzent fassungslos ihren Freund, wie man diese Band bloß als Headliner buchen konnte.
„Kennt die überhaupt irgendwer?“

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Meinen Samstag verbringe ich nach WhoMadeWho und der bezaubernden Dillon, die bedauerlicherweise von einer 13-jährigen Stalkerin aus Hannover heimgesucht wurde, hauptsächlich am Telefon an der Bar im Backstage-Bereich. Alle fünf Minuten rufen Leute an und wollen abgeholt oder psychologisch betreut werden. Das Telefon steht nicht mehr still. Immer wieder sind abwechselnd die gleichen Leute dran, von denen anscheinend niemand mehr in der Lage ist, den Weg in den Backstage-Bereich zu finden. Die Telefongespräche entwickeln sich zum Highlight der VIP-Area. Von allen Seiten bekomme ich zustimmende und belustigte Blicke. Man muss mich mittlerweile für eine sehr wichtige Managerin halten.

„Hol mich bitte hier ab.“
„Wo bist du jetzt?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich irre hier seit Stunden rum. Hol mich doch jetzt einfach mal endlich ab. Ich hab’ alle verloren.“
Akku leer. Future Islands verpasse ich somit und verbringe meine Zeit volltrunken im gleißenden Licht des Pressebereichs, um mein Telefon aufzuladen. Einer der verlorenen Kumpels taucht dann tatsächlich doch noch unerwartet im Backstage-Bereich auf. Er wird von mir freundlich mit den Worten „Los, kauf mir jetzt was zu trinken“ begrüßt und nach ein paar Drinks ruppig durchs Gebüsch und über diverse Absperrbänder in den Fotograben des Maschinenraums gezerrt, um wenigstens noch Purity Ring und Nicki and the Dove mitzukriegen. Den beiden Bands mit ihren coolen Frauen an der Front gelingt es dann letztendlich doch noch, meinen Gemütszustand zu erhellen. Mit Holy Other und dem gefühlten 35. Bier endet das Festival dann für mich, während mein Kumpel lallend am Telefon hängt und meinen Job, mit dem Rest der Reisegruppe zu kommunizieren, ohne große Erfolgsaussichten übernommen hat.

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