Umgeben von Londons brutalistischer Architektur, in die per Computer-Generated-Imagery noch jede Menge weiterer Wolkenkratzer eingebaut wurden, muss der Protagonist im neuen Kurzfilm des Londoner Animations-Studios Factory Fifteen zusehen, wie seine tägliche, monotone Routine plötzlich und auf unerklärliche Weise zu bröckeln beginnt. Der Clip zu den beiden Songs Function / Void von The Bug aus dessen Album Angels & Devils (erschienen auf Ninja Tune) ist eine Kollaboration zwischen den digitalen Produzenten von Nexus, Factory Fifteen und The Creators Project.
Das Kreativstudio Factory Fifteen, bestehend aus Kibwe Tavares, Jonathan Gales, and Paul Nicholls (hier unser letzter Beitrag über die Jungs), hat einen Architektur-Hintergrund. Ihre Arbeiten setzen sich oft mit Science-Fiction-Landschaften, spekulativen Ideen und futuristischer Technologie auseinander. Für ihren jüngsten Clip wollten sie ein apokalytisches Szenario kreieren, das den Zerfall einer totalitären Welt beschreibt.
Im Rahmen der exklusiven Premiere des Videos haben wir den Jungs von Factory Fifteen ein paar Fragen zu ihrem neuen Werk und den zugrundeliegenden Ideen gestellt:

The Creators Project: Inwiefern hat der Sound von The Bug das Video inspiriert?
Factory Fifteen: Als ich mit Kevin [The Bug] sprach, war klar, dass er etwas Ungewöhnliches, Überraschendes, Unerwartetes haben wollte. Von Anfang an arbeiteten wir mit einem Video für zwei sehr unterschiedliche Tracks. Sobald wir den grundlegenden Erzählstrang ausgearbeitet hatten, begannen wir mit der Idee zu spielen, die langsame, tägliche Routine mit Function, dem aggressiveren der beiden Songs, zu unterlegen und den Zerfall der Welt mit dem sphärischen Void. Wir mochten die so entstehende Polarität. Zwei Tracks mit einem Übergang bieten eine interessante Struktur zum Arbeiten. Toll, dass Ninja Tune und Kevin offen waren, was den Schnitt der Tracks anging. Wir hatten sehr viel Freiheit diesbezüglich.

Welche echten Orte habt ihr besucht? Und warum habt ihr euch für diese entschieden?
Wir wollten die Wohnsituation in einem modernistischen Bau hervorheben, um den Protagonisten als Individuum in einem großen System darzustellen. Die erste wichtige Location war sein Apartment, wo die Geschichte aus den Fugen gerät. Wir riefen unseren Freund Armando Elias an. Er ist einer der Gründer von Craft Design. Sie hatten ein wirklich einzigartiges Einzimmer-Apartment entworfen und gebaut, das viele der Merkmale besitzt, nach denen wir gesucht haben. Es hatte sogar ein Loch in der Wand für eine Kaffeemaschine, die wir durch unseren extra angefertigten Pillenspender ersetzten.

Die hohen Decken ermöglichten uns großartige Kameraperspektiven. Die Szene auf der Straße haben wir im Wohnkomplex Alexandra Estate im Norden Londons gedreht; es ist eine wunderschöne, kultige Anlage mit einigen wirklich beeindruckenden geometrischen Strukturen. Uns gefiel die Idee, aus diesen Wohneinheiten das Fundament für die Geschäftstürme darüber zu machen. Das Alexandra Estate eignet sich räumlich hervorragend dafür. Das Gebäude besitzt eine gute Mischung aus Ästhetik und Zweckmäßigkeit, aber ohne diese dystopischen stereotypischen Siedlungen, die im britischen Fernsehen überpräsent sind.

Wie hat Lebbeus Woods euer Werk inspiriert und was findet ihr so interessant an seiner Arbeit?
In den Anfängen des Projekts haben uns die Zeichnungen von Lebbeus Woods ziemlich erstaunt. Wir wollten eine Welt erschaffen und zerstören, aber auf eine wunderschöne und fantastische Art und Weise. Lebbeus kreiert mit seinen Arbeiten oft eine ambivalente Ästhetik, die von Natur aus dekonstruktivistisch ist, aber auch eine Aussage hat. Wir nutzen seine Inspiration und Vorlagen, um zu beginnen, aber wenn wir am Werk arbeiten, lassen wir uns nicht durch ihn beschränken, sondern schweifen auch ab oder schlagen eine neue Richtung ein.

Die Dekonstruktion und der Zerfall von Gebäuden und Städten sind ein Motiv in deiner Arbeit. Es kommt hier wieder vor. Was findet du an dieser Ästhetik der kunstvollen Zerstörung?
Es gibt mehrere Gründe, warum wir kontinuierlich von der Dekonstruktion von Architektur angezogen werden. Einer ist vielleicht, dass wir Architektur studiert haben; wir wurden alle vom Dekonstruktivismus in der Architektur inspiriert und sehen das Ästhetische in der Zerstörung. In diesem Projekt wollten wir den Zusammenbruch des Individuums parallel zum Zusammenbruch des Systems darstellen. Für uns wurde das durch die Welt repräsentiert und wurde so zu einem buchstäblichen Kollaps. Was die Erzählung angeht, verweist das für uns auf den Zerfall nichtmaterieller Dinge, die eine große Bedeutung in unserer Welt haben, wie zum Beispiel der Kollaps des Finanzsystems oder die Wirtschaft einer Stadt. Für uns sind Stadt und Gebäude Charaktere und die Dekonstruktion der Welt ist so der Kollaps der Welt des Protagonisten.

Kannst du uns etwas zu den Computer-Schnittstellen erzählen, die im Film auftauchen? Woher kam die Inspiration für sie?
Wir wählten einen Angestellten in einer Geschäftswelt als Hauptperson. Wir wollten, dass sein Büro etwas Zeitgenössisches, aber gleichzeitig Modernistisches hätte. Es ist eine Art Mischung aus dem Büro in Tatis herrliche Zeiten von Jacques Tati, Winstons Rolle in 1984 und einer Art futuristischem Call Center. Seine Rolle sollte die eines Arbeiters unter vielen in einer Datenfirma aus dem Bereich Analyse und Trading sein. Die meisten Bildschirme zeigen Firmeninformationen, Analysen oder Zahlenwerte. Auf die Art und Weise haben wir auch Cameo-Auftritte von Manga und Grouper (Liz Harris) eingebaut, die jeweils auf einem der Tracks vertreten sind. Man sieht sie bei den Einstellungen aus der Vogelperspektive im Büro. Die Interfaces funktionieren absichtlich per Gesten auf dem Touchpad, um eine zukünftige Welt oder eine alternative Gegenwart zu simulieren. Ich denke, in dieser Szene ist es wichtig, diese Welt nicht zu übertrieben darzustellen. Die Schreibtischoberflächen sind eigentlich ziemlich schlicht und einfach eine Übertreibung bereits existierender Technologie.

Mit dem Screen auf dem Pillenspender im Apartment wollten wir die Schnittstelle etwas ansehnlicher machen als nur eine bloße Grafik zu zeigen. Sie ist irgendetwas zwischen Apples Siri und einer Wettermoderatorin, aber sie liest nur vor, welche Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel der Protagonist zu sich nehmen sollte. Wir wollten nicht, dass das richtiges Filmmaterial wird, also drehten wir die Sequenz mit einer Kinect, um das Video und die Tiefpässe zu bekommen. Mit diesen wurde der Kopf animiert, während die Videooberfläche zurückprojiziert wurde, um die Voxel zu definieren.
Warum habt ihr euch für einen Schwarz/Weiß-Dreh entschieden?
Wir lieben das sehr grafische und atmosphärische Artwork des Albums. Wir wollten dieses monochromatische Motiv weiterführen und hatten schon länger mit dem Gedanken gespielt, ein Projekt im Schwarz/Weiß-Stil zu machen.

Das Video ist ein Mix aus CGI und tatsächlichen Orten. Was macht so viel Spaß daran, beides zu mixen?
CGI und visuelle Effekte sind ein wirklich spannendes Tool, um eine Geschichte zu formen und sie so zu erzählen, wie man möchte. Wir konnten so eine Welt um die Elemente Londons, die wir mögen, herum bauen. Und zwar mit der Freiheit, Dinge hinzuzufügen und zu kontrollieren, so dass etwas Neues entstand. Es ist immer eine Herausforderung, echte und künstlich geschaffene Räume so ineinander übergehen zu lassen, dass es überzeugend rüberkommt. Aber das ist auch manchmal gut so, denn es zwingt dich Entscheidungen zu treffen, was die Welt und Architektur angeht.

Der Clip spielt in einer dystopischen Welt. Ist er eine Warnung oder spielt er mit den Ästhetiken dieser Art von Science Ficton?
Ich denke, dieses Projekt ist teilweise ein Echo und ein Kommentar zur heutigen Gesellschaften und teilweise ein Wink auf diese totalitäre Fiktion, die wir so lieben. Wir wollten uns auf subtile Weise mit dieser Art von Science Fiction auseinandersetzen, ohne dabei zu emotionslos an die Sache heranzugehen. Wir mögen die Idee eines totalitären Systems, für das man sich entscheidet, eher als auf autoritäre Weise von ihm kontrolliert zu werden. Der Clip ist eine Übertreibung unserer Smartphone-Kultur, dem ständigen Analysieren und Nachverfolgen unseres Lebens, das wir durch Dinge ergänzen wollen, die wir zu brauchen zu glauben.

CREDITS
Artist: The Bug
Director: Factory Fifteen
Production Company: Nexus
Label: Ninja Tune
Commissioner: Maddy Salvage
Producer: Beccy McCray
Production Manager: Caroline Milsom
Director Of Photography: Luke Jacobs
Lead Actor: Gary Grant
Lead Actress: Ani Lang
Focus Puller: Tom Mcmahon
1st AD: Dan Precious
2nd AD: Alex Paterakis, Carmen de Witt
Gaffer: Joel Rainsley
Focus/ Gaffer Assistant: William del Rivero
DIT: Prince Yemoh
VFX Supervisor: Matt Townsend
Animation / VFX: Alexey Marfin, Jonathan Gales, Paul Nicholls, Prince Yemoh, Isaac Eluwole, Carl Kenyon, Ares Simone, Roberto Brichese, Matt Townsend.
Tracking: Tom Carter, Kibwe Tavares
Rotoscoping: Sinjarajan Studios
Kinect Character Development: Eran Amir
Offline Editor: Paul Hardcastle
Edit House:Trim
Post Production Consultant:Dave Slade
Studio Manager @ Nexus: Natalie Busuttil
Art Director: James Hatt
Art Dept Assistant: Rebecca Carey, Michelle Renee
Art Dept Runner: Arthur Menezes
Stylist: Crissie Aranda
Hair & Make Up: Bobbie Ross
Hair/MU Assistant: Maggie Forrest, Sharon Chagger
Production Assistant: Billi Hatfield
Production Runner: James Alexander
Unit Minibus Driver: John Targgart
Security: Per Doda
Extras: Kimberley Goldsmith, Mark Craddock, Silvia Ferreira Santos, Susete Furtado, Justinas Vilutis, Eran Amir, Patrick Dishman, Freny Pavri, Roberto Brichese, Konstatin Zhukov, Peter Efe
With thanks to:
Kate Michelson
Pete Spence and all at Walthamstow Pumphouse Museum Trust
5 Merchant Sq
Jimmy, Wayne & Godfrey at Robin Hood Estate
Michelle Myrie & The Film Office
Vince, Rhian & Team at Film Fixer
Craft Design for Flat Design and build:
Designers: Armando Elias, Hugo D'Enjoy