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ANGST: Mein ständiger Begleiter

Wenn du es auch mal im Oberstübchen rattern hörst und dich die Angst beschleicht, ob du überhaupt gut genug bist für diese Welt. Dann wisse, du bist nicht allein und es gibt Hoffnung.

Foto via Flickr.

Ich habe ein Problem. Du hast es vielleicht auch. Es heißt Angst und sitzt mir in den Knochen.

Und ich rede nicht von der klassischen Angst. Ich meine nicht die dunkle Wolke, die du immer noch über die schweben siehst, lange nachdem du nach einer Nacht voller hedonistischer Ausschweifungen erwachst: Diese Furcht, die nicht vergessen lässt, dass du A) alle deine Freunde mit deinem Verhalten verstimmt hast, B) eine dir nahestehende Bezugsperson, vermutlich deinen Schatz, vergrämt hast, C) eine geheimnisumwitterte Verbindung von Mächtigen so sehr gereizt hast, dass du jeden Moment für immer von der Bildfläche verschwinden könntest, oder D) dazu verleitet wurdest, eine monströse und sicher tödliche Kombination der obigen Möglichkeiten zu provozieren.

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Ja, klar—ich rede auch von der Angst, etwas zu verpassen, aber auch von der Angst, nicht gut genug zu sein. Ich meine die Angst, die dich denken lässt, du seist von dem Hochstaplersyndrom befallen: Immer dann, wenn du dich für nicht gut genug hältst, weil du glaubst, du seist ein Scharlatan. Ich meine es ernst. Zumindest ich leiste nicht genug. Ich verdiene es nicht, auf meiner Arbeit weiterbeschäftigt zu werden. Und selbst wenn ich glaube, dass ich genug gemacht habe, stinkt meine Arbeit immer noch zum Himmel und ich werde mich nie von dem Gegenteil überzeugen können.

Wenn man tagein tagaus für das Internet produziert—und besonders für eine Webseite, die sich auf Themen rund um Technologie spezialisiert hat, während man selbst eine Null auf dem Gebiet ist—, dann sitzt diese Angst umso tiefer. Ich bin überzeugt, sie kennt keine Grenzen. Und sie wirft viel mehr Fragen auf, als ich je beantworten könnte:

Ist es schlimm, dass ich keine einzige App auf meinem Telefon habe? Sollte ich mich endlich im Jahr 2008 wiederfinden und anfangen, mein Telefon für mehr als nur für´s Telefonieren zu benutzen? Ich weiß es nicht. Panikanfall.

Ist es schlimm, falls ich nur 312  anstatt 314 Tweets in meinem Leben geschrieben habe? Sollte ich mehr twittern? Würden die ganzen Belanglosigkeiten, die mir während des Duschens in den Kopf kommen, überhaupt jemanden interessieren? Ich bin mir da nicht sicher. Panik

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Ist es schlimm, dass ich bis heute nicht richtig verstehe wie Bitcoins funktionieren? Vielleicht sollte ich mir einfach die ganze Literatur zu Thema nun schon zum fünften Mal durchlesen. Aber dann hätte ich keine Zeit, diesen Post zu erstellen. Davon hängt schließlich mein Lebensunterhalt ab. Schnell, mach den Post endlich fertig und raus damit. Panik.

Ist es schlimm, dass es schon nach Mittag ist und ich noch keinen einzigen Satz gepostet habe? Es gibt so viele Nachrichten. Sie hören nie auf. Aber gibt es auch etwas, worüber ich qualifiziert etwas schreiben könnte? Was habe ich schon zu sagen? Ich könnte auch einfach in den sauren Apfel beißen und etwas über den unbemannten Tod aus der Luft schreiben—ja, nochmal. Und das trotz meiner unzähligen Versuche, meinen Schlafverlust, den ich mir aufgrund des vielen Nachdenkens über dieses schrecklich blutige Killerdrohnendurcheinander eingehandelt habe, auszugleichen. Die Alpträume wurden mir einfach irgendwann zu viel. Panik.

Ist es schlimm, dass ich das ganze verdammte Ding nicht einfach in einer halben Stunde runterschreiben kann? Es gibt nämlich keinen vernünftigen Grund, warum man mehr als dreißig Minuten darauf verschwenden sollte, geschweige denn 45. Es ist einfach sinnlos. Es ist doch nur das Internet. Da ist doch alles egal—das stimmt doch, oder? Warum brauch ich dann aber ganze drei Stunden? Warum versuche ich immer, zeitsparend und kompakt zu schreiben, wenn ich doch ganz genau weiß, dass am Ende des Tages, ich trotzdem unzufrieden sein werde? Warum schwitze ich Blut und Wasser? Ich weiß es nicht. Panik.

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Ist es schlimm, dass ich mir nicht größere Mühe gebe? Das ist nämlich die Ironie dieser Angst: Selbst wenn ich Blut und Wasser schwitze, sind mir doch viele Dinge in Wirklichkeit scheißegal. Natürlich gibt es auch einige Dinge, die mich nicht kalt lassen. Zum Beispiel finde ich es unheimlich, dass mich die NSA während ich hier schufte und mühsam diese Worte runtertippe in Echtzeit beobachtet (Hallo, Freunde) oder mich bei jedem meiner Gespräche auf meinem App-freien Telefon belauschen kann oder mir sogar direkt ins Gesicht gucken kann durch meine kleine Laptopkamera. Aber wem versuche ich hier was vorzumachen? Ich bin nur irgendein Typ, der in einem bodenlosen Eimer rumdümpelt. Ich bin der aufleuchtende Punkt auf dem Radarschirm. Doch sollte mir das was ausmachen? Warum nur habe ich meine Laptopkamera nicht mir Panzerband zugeklebt? Ich könnte es dir nicht sagen. Panik.

Und so grassiert sie weiter, die Angst. Ich habe es nie geschafft ihr etwas entgegenzusetzen und habe die Vorstellung schon lange aufgegeben, ich könnte es doch irgendwann tun. So bin ich gestrickt und ich muss lernen, damit umzugehen.

Und das ist genau das, was ich hier mache: Im Verlauf des Jahres 2013 habe ich realisiert, dass es OK ist und dass dies wohl mein Fluch ist. Ich habe wirklich verstanden, dass es OK ist, zu denken, die eigene Arbeit sei scheiße. Denn das ist ein Trick des Hochstaplersyndroms, der uns dazu antreibt eine bessere, schärfere Version von uns selbst zu werden.

Ich habe meinen Frieden mit dieser Angst gemacht, und zwar in der Form, dass ich mich lieber meiner eigenen psychischen Marterung ausliefere als zu glauben, ich hätte den nächsten großen Knüller gelandet. Außerdem hat mir die ganze Zeit, als ich mich nicht mir der neusten App der Woche herumschlagen musste oder als ich nicht den neusten Blödsinn getwittert habe, dabei geholfen, mich weiter zu entwickeln und zu verbessern—trotz der unaufhörlichen Zweifel in meinem Kopf.

Ja, ich habe ein Problem, aber wenigstens ist es ein gutes.

Angst—ich habe eine Nachricht für dich. Selbst wenn es mich umbringt, werde ich den letzten Tropfen Lebens aus dir quetschen, du miese Drecksau. Und wenn überhaupt, dann werde ich mir hier eine Auszeit nehmen.