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Fußballprofi Robbie Rogers ist schwul——und das ist auch gut so

Es war die wohl schwerste Entscheidung im Leben von Robbie Rogers: der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass er schwul ist. Doch die Reaktion der Leute fiel anders aus als erwartet.
Foto: Kelvin Kuo (USA TODAY)

Dieses Mal sieht Robbie Rogers glücklich aus. Er ist schweißgebadet und voll mit Glasflecken, Bier und Schampus. Auf seiner Stirn prangt eine große Beule, die er sich im Zweikampf mit seinem Gegenspieler Teal Bunbury zugezogen hat. Pressevertreter drängen sich um Rogers und wollen eine kurze Stellungnahme vom ersten offen homosexuellen Sportler Amerikas, der eine Meisterschaft gewinnen konnte. Soeben hat er mit seinen Los Angeles Galaxy das Finale um den MLS Cup mit 2:1 für sich entscheiden können.

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„„Ich weiß noch ganz genau: Als ich zum letzten Mal den Titel gewann, übrigens auch in diesem Stadion, waren das ganz andere Umstände, weswegen ich die Meisterschaft auch nicht wirklich genießen konnte", sagte Rogers nach dem Spiel. „„Ich war zwar damals auch ganz zufrieden. Aber kein Vergleich mit dem, was ich heute nach dem Abpfiff empfunden habe. Das war einfach unbeschreiblich. Es war so ein langer und beschwerlicher Weg, und dass der auf diese Art und Weise enden würde, mit dem Titel an der Seite meiner Jungs, kommt mir fast wie ein Wunder vor."

Alles war anders für Rogers im Jahr 2008. Rogers spielte damals noch für Columbus Crew. Das gewonnene Endspiel im StubHub Center konnte er nicht so genießen wie seine Mitspieler. Rogers, damals noch 21, ist bei der anschließenden Meisterfeier nur auf ein, zwei Drinks geblieben und hat sich dann auf den Heimweg gemacht. Er konnte sich nicht wirklich über den Gewinn der wichtigsten Trophäe im amerikanischen Fußball freuen. Rogers war traurig. Seine Niedergeschlagenheit war das Produkt eines jahrelangen Versteckspiels, eines jahrelangen Geheimhaltens der eigenen Sexualität vor der Außenwelt. Einer Sexualität, der er sich erst als Teenager bewusst wurde und über die er dachte, dass sie seine Karriere gefährden würde.

Vor zwei Jahren dann hatte Rogers im Alter von 25 sein Coming-out—um nur Monate später seinen Rücktritt bekanntzugeben.

„„Ich bin zurückgetreten, weil ich dachte, man könne nach einem Coming-Out nicht mehr professionell Fußball spielen", erzählte mir Rogers ein paar Tage vor seinem zweiten Triumph beim MLS Cup.

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Er schrieb—nur wenige Tage, nachdem er sich vor seiner Familie und Freunden geoutet hatte—den mittlerweile bekannt gewordenen offenen Brief. Übrigens auf Anraten von Nick Mulholland, einem engen Freund und PR-Profi. Rogers wusste, dass die Medien—vor allem die britischen—früher oder später jeden Gossip ausgraben würden. Darum riet ihm Mulholland auch dazu, ein offizielles Statement in der Schublade bereitliegen zu haben. Und er überzeugte Rogers, Tagebuch zu führen.

Foto von Jayne Kamin-Oncea—USA TODAY Sports

Nur Tage später begann Rogers tatsächlich mit dem Schreiben. Während dieser Zeit verfasste er auch den offenen Brief und speicherte ihn unter dem Titel „„Brief meines Lebens" ab. Als er ihn dann einem Freund, Steven Buchan, zeigte, kamen dem plötzlich die Tränen.

„„Er hat wirklich verstanden, was in mir vorgeht, was ein besonderer Moment für mich war", so Rogers—der in einer konservativen und christlichen Familie aufgewachsen ist—weiter.

Gleichzeitig verstand Buchan nicht, warum die Welt von diesem Brief nichts wissen durfte. Er verstand nicht, dass das Tabu des schwulen Profisportlers noch lange nicht gebrochen war. Der NBA-Profi Jason Collins hatte sich da noch nicht geoutet. Auch der Footballer Michael Sam sollte sich erst Monate später zu seiner Homosexualität bekennen. Ja, amerikanische Sportlerinnen (wie etwa die beiden Fußballnationalspielerinnen Megan Rapinoe und Abby Wambach) hatten sich damals schon geoutet—und waren dabei auf viel Akzeptanz gestoßen—aber eben noch keine männlichen Vertreter in der US-Sportwelt.

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Dann haben Rogers und Buchan noch eine Weile in der Küche zusammengesessen und über den Brief diskutiert. Am Ende hat er ihn dann auf seiner Website veröffentlicht, sofort den Laptop zugeklappt, sein Handy ausgeschaltet und ist mit Buchan essen gegangen. Am nächsten Morgen sollten die beiden bei einem Halbmarathon in Brighton antreten. Rogers hat sein Handy und sämtliche sozialen Medien bis nach dem Rennen komplett ausgeblendet. Während dieser Zeit entwickelte sein Brief im Internet ein Eigenleben und von allen Seiten—von vielen MLS-Kickern, Trainern, anderen Sportlern, berühmten Personen und auch Fans—gab es viel Unterstützung für Rogers' mutigen Schritt.

„„Die Reaktion war wirklich verrückt", sagte Rogers. „„Ich bekam Tausende E-Mails, weil auf meiner Website auch meine E-Mail-Adresse stand. Damit hatte ich echt nicht gerechnet."

Rogers wollte nach seinem Rücktritt in die Modewelt gehen. Er war überzeugt, dass nach dem Coming-Out an Profifußball nicht mehr zu denken wäre. Dann bekam er vom London College of Fashion eine Zusage. Zu dem Zeitpunkt war Rogers schon Mitinhaber der Männermodemarke Halsey und hatte zudem Praktika bei einer Mode-PR-Firma in London sowie bei der Moderedaktion vom Men's-Health-Magazin gemacht. Er besaß also ein gutes Verständnis über die Modewelt und plante, mit den Einnahmen aus der Fußballkarriere sein Studium in London zu finanzieren. Erst danach wollte er entscheiden, wie es für ihn weitergehen solle.

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Bis ihn dann wieder die Sehnsucht nach Fußball überkam. Für Rogers war aber klar, dass er nur für Los Angeles spielen würde, um so in der Nähe—und dem schützenden Umfeld—seiner Familie sein zu können. Nur einen Tag, nachdem sich auch Jason Collins geoutet hatte, stieg Rogers bei den Galaxy ins Training ein. Doch es gab noch ein Problem: Denn aufgrund des verwirrende MLS-Regelwerks besaß noch Chicago Fire die Rechte an Rogers. Doch am 24. Mai 2013 wurde Mike Magee von L.A. zu den Fire getradet—und im Gegenzug kam Rogers. Nur zwei Tage nach seinem Wechsel absolvierte er sein erstes Spiel für die Los Angeles Galaxy und wurde so zum ersten offen homosexuellen Sportler in einer der großen US-Ligen.

Seitdem ging es für Rogers stetig aufwärts—wohl auch dank der Tatsache, dass er von seinen neuen Mitspielern großartig aufgenommen wurde: Er hat nämlich nicht nur ein Buch geschrieben, sondern auch auf dem Platz—seit ihn Bruce Arena auf die linke Seite beordert hat—für das eine oder andere Ausrufezeichen gesorgt. Einige Beobachter gehen sogar davon aus, dass er schon bald wieder für die Nationalmannschaft auflaufen könnte.

Seit seinem Coming-Out sind mittlerweile rund zwei Jahre vergangen, weswegen er auch ein bisschen überrascht ist, dass seitdem kaum ein Profisportler nachgezogen hat. Andererseits weiß er natürlich am Besten, wie schwierig so ein Schritt ist. Schließlich hatte der bei ihm sogar seinen Rücktritt ausgelost.

Dennoch ist sich Rogers sicher, dass sich in Zukunft mehr und mehr Sportler zu ihrer Homosexualität bekennen werden und dass Sexualität eines Tages keine Rolle mehr in der Welt des Sports spielen wird.

„„Ich bin überzeugt, dass sich die Situation für schwule Sportler verbessern wird", meint Rogers. „„In den USA wie auch im Rest der Welt findet ein Umdenken statt. Wir müssen uns zwar gedulden, aber ich weiß, dass es passieren wird."