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Eine Mutter steht vor Gericht, weil sie ihrer Tochter Urin injiziert haben soll

Mediziner bemerkten einen Hefepilz im Tropf der Tochter, nachdem sie mit Nierenversagen ins Krankenhaus eingeliefert worden war.

Einer 42-jährigen Frau aus Cessnock im australischen Bundesstaat New South Wales wird vorgeworfen, sie habe ihre neunjährige Tochter mit Urin-Injektionen vergiftet.

Der Fall hat seinen Anfang im März, als das Mädchen, das an einer seltenen Erbkrankheit leidet, mit lebensbedrohlichem Nierenversagen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Gerichtsdokumente zeigen, dass sie außerdem schweren Ausschlag hatte.

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Laut dem Personal ist das Mädchen regelmäßig im Krankenhaus. Sie war seit sechs Jahren krank gewesen und war sogar zum Gesicht einer Wohltätigkeitsorganisation für kranke Kinder geworden. Einmal tanzte sie sogar im Sydney Opera House bei einer Benefizveranstaltung.

Doch am 11. März bemerkten die Ärzte einen Hefepilz, der im Schlauch eines mit ihrer Halsschlagader verbundenen Tropfs wuchs . Die Mediziner waren sich einig: Das konnte nur das Ergebnis menschlichen Eingreifens sein. Der Newcastle Child Abuse Squad wurde gerufen und daraufhin wurden Spritzen, Abführmittel und Urinproben in der Handtasche der Mutter gefunden, was die Polizei auf die verstörende Spur des Falls brachte—die bis ins Jahr 2008 zurückreichte.

Der Mutter, deren Name nicht bekanntgegeben wurde, wird nun vorgeworfen, ihrer Tochter regelmäßig Urin injiziert und Abführmittel verabreicht zu haben—was ihren Ausschlag erklären könnte. Es gibt auch Hinweise darauf, dass sie an den Stuhlproben ihrer Tochter Veränderungen vorgenommen haben könnte.

Der Fall wurde am 14. Oktober auf den 2. Dezember vertagt, doch am 15. Oktober enthüllte die australische Nachrichtensendung 7:30, die Mutter des Mädchens sei eine eifrige Bloggerin, die regelmäßig über die Gesundheit ihrer Tochter schreibe. „Ich wollte, dass er [der Arzt] sie behandelt", schrieb sie in einem seither gelöschten Blogeintrag. „Um etwas zu tun. Egal was. Sie hatte Schmerzen und ich konnte sehen, dass sich ihr Zustand verschlechterte."

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Die Mutter ist auch Botschafterin mehrerer Wohltätigkeitsorganisation für kranke Kinder.

7:30 bemerkte, dass das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom eine mögliche Erklärung für das Verhalten der Mutter sei. Das Syndrom bezeichnet Menschen, die absichtlich anderen Schaden zufügen, um so Aufmerksamkeit zu gewinnen. Der Name stammt von dem fiktiven Baron von Münchhausen, der lose auf dem deutschen Baron und Erzähler unglaublicher Lügengeschichten Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen basiert.

In einer Studie wurde geschätzt, dass es allein im Jahr 1996 in den USA 600 Fälle des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms gab. Die Zahlen in Australien scheinen viel niedriger, denn dort wurde in einer Studie eine jährliche Rate von 15,2 bis 24,5 Fällen geschätzt. Jährlich gibt es zahlreiche Fälle, in denen jemandem das Syndrom fälschlich unterstellt wird.

In einem ähnlichen Fall erhielt eine 22-jährige Frau aus dem australischen Queensland voriges Jahr zwei Jahre Haft, nachdem sie ihrer Tochter Chemotherapie-Medikamente verabreicht hatte, die sie im Internet erstanden hatte. Die Gesundheit der Vierjährigen litt enorm darunter, bis hin zum Knochenmarksversagen, während ihre Mutter 8.000 Facebook-Fans und über 400 Euro an Spendengeldern sammelte.

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Doch in beiden Fällen unterstützten Freunde und Familie die Lügner. Eine Freundin der mutmaßlichen Täterin aus Cessnock sagte 7:30: „In vielen Fällen, in denen Eltern solche Vorwürfe gemacht werden, gibt es eine andere Erklärung und die Geschichte hat mehrere Seiten."

Das ist wahr, und es ist einer der Gründe, warum Mediziner sich vielerorts von der Bezeichnung „Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom" abgewandt haben. Seit geraumer Zeit wird es in Australien und Großbritannien zum Beispiel als „Von einer pflegender Person erfundene oder herbeigeführte Krankheit" bezeichnet. Diese Bezeichnung verzichtet auf das Wort „Syndrom", um zu verdeutlichen, dass es sich hierbei um eine Verhaltensweise und nicht um ein tatsächliches Syndrom handelt.

Die angeklagte Frau aus Cessnock wurde gegen Kaution freigelassen, obwohl befürchtet wird, dass sie Zeugen beeinflussen oder ihre Tochter kontaktieren könnte. Die Kaution wurde unter der Bedingung gewährt, dass sie weder das John Hunter Hospital in Newcastle, noch das Westmead Hospital in Sydney kontaktiere. Auf ihre Anklage steht eine Höchststrafe von zehn Jahren Haft.

Laut der Polizei wurde die Tochter im März aus ihrer Obhut entfernt und hat sich seitdem erholt.