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Das Fake-News-Plugin, das selbst für eine riesige Falschmeldung sorgte

Daniel Sieradski hat ein Tool programmiert, das Nutzer vor Falschmeldungen warnen soll. Nach seinen Aussagen sperrte Facebook das Tool jedoch kurzerhand. Inzwischen kann das Plugin wieder genutzt werden.
Der B.S. Detector in Aktion | Bild: Motherboard

Der B.S. Detector in Aktion | Bild: Motherboard 

Seit der US-Wahl steht Facebook in der Kritik, nicht genug gegen die Verbreitung von Falschnachrichten zu unternehmen. Daher horchte die Medienwelt auf, als ein Artikel von TechCrunch Ende letzter Woche verkündete, Facebook teste nun ein Tool zum Aufspüren von Fake News. Mit dem Hinweis „Diese Website ist keine vertrauenswürdige Nachrichtenquelle" warnt es Nutzer vor Falschmeldungen im Newsfeed. Doch so schnell wie das vermeintliche Facebook-Feature aufgetaucht war, wurde es auf der Plattform selbst blockiert. Was war hier passiert?

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Ironischerweise hatte TechCrunch mit seiner Fake-News-Meldung selber eine Falschmeldung produziert—auch wenn es wohl kaum die Absicht der Journalisten war, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Viel mehr hatte TechCrunch seinen Artikel zu schnell veröffentlicht, ohne vorher alle Fakten zu checken: Denn bei dem Plugin handelt es sich keinesfalls um eine Testversion von Facebook sondern um ein Tool namens „B.S. Detector", das von dem Aktivisten und unabhängigen Journalisten Daniel Sieradski entwickelt wurde. Wir haben Sieradski angerufen, um mit ihm über den Aufwand hinter seinem Tool zu sprechen und ihn zu fragen, was genau passierte, nachdem er das Tool vorgestellt hat.

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Warum hast du den B.S. Detector entwickelt? Ist er eine direkte Reaktion auf die vermeintliche Rolle, die Facebook während der US-Wahl gespielt hat? Oder war das Tool schon länger in Arbeit?

Es beunruhigt mich, dass Fehlinformationen eine viel zu große Rolle in unseren politischen Debatten spielen. Du kannst keine fundierten Entscheidungen treffen, wenn dein Wissen auf falschen Informationen beruht. Außerdem habe ich den B.S. Detector speziell entwickelt, um Mark Zuckerbergs Aussagen zu widerlegen, Facebook sei nicht dazu imstande, mit der Verbreitung von Fake News angemessen umzugehen. Ich wollte zeigen, wie einfach es in Wirklichkeit ist.

Findest du es nicht auch sehr ironisch, dass TechCrunch dein Plugin ausgerechnet für eine Facebook-Funktion hielt?

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Ja, es ist die Meta-Ebene der Meta-Ebene. Falschnachrichten über ein Plugin, das Falschnachrichten identifizieren soll. Man sollte meinen, dass TechCrunch sich die Zeit nehmen würde, sich die Meldung vor der Veröffentlichung von Facebook bestätigen zu lassen.

Kannst du uns verraten, wie viele Downloads, wie viele Nutzer, es bisher gab?

Bisher wurde das Plugin 25.000 Mal installiert.

Wie funktioniert der B.S. Detector? Wie entscheidet das Plugin, welche Nachrichten vertrauenswürdig sind und welche nicht? Wie wird beispielsweise entschieden, dass InfoWars keine zuverlässige Quelle ist und warum sollte der Nutzer diesem Entscheidungsprozess vertrauen? Und wer entscheidet, dass CNN oder Fox News seriöse Quellen sind?

Die Liste der nicht vertrauenswürdigen Nachrichtenseiten wurde aus verschiedenen Online-Quellen erstellt. Momentan arbeiten die Open-Source-Community und ich uns durch diese Liste und klassifizieren die Nachrichtenquellen. Wir entfernen die Seiten, die nicht auf die Liste gehören und fügen dafür andere hinzu. Auch wenn das ein offener Prozess ist, ist es natürlich nicht die beste Methode. Darum versuche ich momentan, Medienbeobachtungsgruppen als Partner für das Projekt zu gewinnen, die ihre Einordnungen durch fundierte Methoden und Forschungen begründen können.

Meiner Meinung nach ist der Unterschied zwischen Seiten wie InfoWars und Fox News, dass InfoWars Meldungen über mysteriöse, bedrohliche Eliten wie die Illuminati oder die New World Order verbreitet. Keine seriöse Nachrichtenseite würde diese Art von Nachrichten publizieren. Auch wenn Fox eine gewisse Parteilichkeit an den Tag legt und Tatsachen daher manchmal etwas zu seinen Gunsten hinbiegt, so verfügt es doch über eine echte Nachrichtenredaktion mit echten Herausgebern und Redakteuren. Sie bauen manchmal Mist, teilweise auch mit Absicht, aber es sind nicht nur ein paar Typen, die mit Aluhütchen auf dem Kopf im Keller hocken. Es gibt bei Fox ein gewisses Kontrollsystem, um Falschmeldungen zu vermeiden. Dasselbe gilt für CNN. Sie bauen manchmal Mist, aber es ist nicht grundsätzlich ihre Absicht, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.

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Der B.S. Detector ist jedoch nicht als Zensur-Instrument gedacht. Nutzer können das Plugin installieren—es hindert jedoch niemanden daran, Fake News zu lesen. Das Tool soll die Leute einfach nur daran erinnern, dass sie beim Lesen von Online-Nachrichten immer kritisch sein sollten und nicht alles für bare Münze nehmen. Daher hat es eigentlich keine großen Konsequenzen, welche Nachrichtendienste wir in die Liste aufnehmen. Ich möchte die Menschen einfach nur dazu ermutigen, von vornherein misstrauisch zu sein.

.@Facebook is now blocking links to the B.S. Detector!!! pic.twitter.com/gUagoe3AH2
— daniel sieradski (@selfagency) December 2, 2016

Glaubst du, dass es für Fake News generell eine technische Lösung gibt oder müssen Leute einfach kritischer mit den Medien umgehen?

Der kompetente Umgang mit Medien ist extrem wichtig und sollte meiner Meinung nach schon in der Schule unterrichtet werden.

Welche Weiterentwicklungen sind für das Plugin geplant (falls es überhaupt weiterentwickelt werden soll)?

Ich habe den Quellcode der Software öffentlich zur Verfügung gestellt und sofort nach der Veröffentlichung Beiträge von anderen Entwicklern erhalten, die die Funktionalität des Plugins verbessern wollten. In den vergangenen Wochen konnten wir die Funktionalität und Leistungsfähigkeit des Tools bereits drastisch erhöhen. So konnten wir es von einer Testversion zu einem funktionierenden Produkt weiterentwickeln und wollen es noch weiter verbessern. Ich würde sehr gerne eine mobile Version des Plugins anbieten, verfüge jedoch nicht über die nötigen Ressourcen für die Entwicklung. Ich habe einen normalen Bürojob. Insofern mich niemand für die Arbeit am Plugin bezahlt, wird es ein Nebenprojekt bleiben.

Du hast auf Twitter einen Screenshot gepostet, der zeigt, dass dein Plugin blockiert wurde. Steckt Facebook dahinter?

Ich vermute, dass sie das getan haben, weil ich sie öffentlich bloß gestellt habe.

Auf Motherboards Nachfragen, warum das soziale Netzwerk das Plugin am Freitag mehrere Stunden lang blockiert hat, hat Facebook bisher nicht reagiert. Inzwischen erscheint die Fehlermeldung, von der Sieradski berichtete, nicht mehr auf Facebook.