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Raubkopieren ist jetzt eine Religion!

Wir haben mit Isak Gerson, dem Hohepriester der Raubkopierer, über seinen Glauben an freies Wissen und seinen Hass auf Leute, die das Copyright verteidigen, gesprochen.

Isak Gerson: „Ich bin nicht der Jesus der Kopimisten" In der vergangenen Woche wurde Filesharing als Religion staatlich anerkannt. Im Ernst. Diese Glaubensrichtung wird als Kopimismus bezeichnet (was ursprünglich von dem schwedischen Begriff 'kopimi' für Raubkopie stammt, einem Wortspiel mit dem englischen „copy me"). Sie verehren  den heiligen Akt des Kopierens und des Verbreitens von Informationen—aber nicht nur digital, sondern den eigentlichen Akt, als Leben dadurch begann, dass sich DNA-Moleküle von alleine verdoppelten. Ich schätze, das macht irgendwie Sinn. Die Symbole der Kopimismus-Religion sind CTRL+C und CTRL+V. Ihr Evangelium verbreitet sich schnell. Obwohl sie seit nur einem Jahr existiert, hat diese Religion bereits 4.000 Mitglieder und ihre schwedische Website wurde schon mehrfach kopiert, von Russland und Kanada, über Frankreich und Rumänien. Der Kreuzzug hat begonnen und es sieht so aus, als wäre Schweden jetzt sehr glücklich damit, sich zu einem der religiösesten Länder der Welt entwickelt zu haben. Wie auch immer deine Haltung zu Raubkopien ist und unabhängig davon, ob du glaubst, dass die Kopimisten streng gläubige Fanatiker sind oder ein Haufen gelangweilter, bekloppter Leute—der Kampf für die freie Verfügbarkeit von Wissen und Information für die Massen, ist ein zunehmend wichtiges Thema. Die Existenz des Internets wird zur Zeit von dem aggressiven Stop Online Piracy Act (oder SOPA)-Gesetz der Vereinigten Staaten bedroht. Lähmende Bildungsgebühren und steigende Buch-/ DVD-/ CD-/ Konzert-/ Kino-Preise machen es für die Leute immer schwieriger, sich auf „legalem Weg" zu bilden und zu unterhalten. Unter diesen Vorraussetzunge, wer weiß, was passieren wird? Vielleicht wird der Kopimismus großen Erfolg haben. Ich habe den Gründer dieser Kirche, Isak Gerson, angerufen, um mich kurz mit ihm zu unterhalten. VICE: Herzlichen Glückwunsch zu der staatlichen Anerkennung von Kopimismus als Religion in Schweden. Was bedeutet das für die Filesharer?
Isak Gerson: Als Religion akzeptiert zu werden, ändert in rechtlicher Hinsicht nicht wirklich viel für die uns, da Filesharing immer noch illegal ist. Für uns ist die Freiheit zu kopieren nicht nur politisch; es hat einen viel tieferen Hintergrund als das. Ist das dein Ernst?
Ja. Kopimisten verdienen die gleiche Anerkennung und den Respekt, wie andere Religionen auch. Warum ist  Filesharing wichtig genug, um es in eine religiöse Praxis umzusetzen?
Weil das Kopieren die Basis des menschlichen Denkprozesses ist. Alle unsere Ideen und Inspirationen entspringen aus Konversationen, die wir mit anderen Leuten führen und aus der Kunst und der Kultur anderer Menschen. Ich habe auf deiner Seite gelesen, dass du ein Christ bist. In welcher Hinsicht ähnelt Filesharing den eher traditionellen Glaubensformen?
Der Datenaustausch an sich, ist es nicht, aber es ist der Glaube daran, dass das Kopieren und die Verbreitung ein heiliger Akt ist. Darin ähneln wir den anderen religiösen Traditionen. Kannst man beides sein—ein Christ und ein Kopimist?
Da gibt es überhaupt kein Problem. Eigentlich gibt es viele Anzeichen dafür, dass Kopieren und Verbreitung von Informationen auch im Christentum ein große Rolle spielen. Wie hast du es geschafft, das schwedische Rechtssystem davon zu überzeugen, dass Filesharing eine legitime religiöse Praxis ist?
Als wir das dritte und letzte Mal anfragten, gab es nur noch ein paar Formalitäten, die uns im Weg standen. Wir haben es geschafft, diese, nach einem Gespräch mit den rechtlichen, finanziellen und verwaltungstechnischen Service-Agenturen, zu klären.

Wie betet ihr? Habt ihr Messen?
Wir haben keine Kirche, weil wir uns im Internet treffen. Aber ich schätze, unsere Version einer Messe ist es, wenn wir uns alle in einem Raum oder auf einem Server versammeln, um zu kopieren oder miteinander Dinge zu teilen. Und dann beenden wir die Sitzung mit einem Aufruf an alle, zu kopieren und an andere zu verbreiten. Wer oder was ist euer Gott?
Wir haben keinen Gott. Bist du der Jesus der Kopimisten?
Nein, ich bin nur ein zwischenzeitlicher Anführer. Was sagen die Kopimisten für „Amen"?
„Kopiert und verbreitet". So beenden wir unsere Gespräche. Ist das Copyright der Teufel?
Das Copyright an sich nicht, aber die Leute, die es erfunden haben. Und natürlich die, die es aufrecht erhalten wollen. Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft?
Ich hoffe, dass wir weiterhin einen zunehmenden Datenaustausch erleben werden und dass mehr und mehr Menschen Zugang zum Internet finden werden. Was die Kopimisten angeht, bin ich optimistisch; wir sind in nur einem Jahr zu einer Gruppe von mehreren tausend Mitgliedern gewachsen und das ist erst der Anfang. Na dann, viel Glück damit. Illustration von Jenny Hirons