Die PARTEI hat einen "eleganten Weg" aus Deutschlands Krise gefunden
Vorsitzender der Partei Die Partei Martin Sonneborn im Februar | Foto: imago | Mauersberger

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Regierungskrise

Die PARTEI hat einen "eleganten Weg" aus Deutschlands Krise gefunden

Im VICE-Interview erzählt Parteichef Martin Sonneborn, wie es eine funktionierende Regierung geben kann – mit der Partei Die PARTEI im Bundestag.

Wird es Neuwahlen geben? Seit Sonntagnacht, seitdem Christian Linder und seine Liberalen-Truppe die Sondierungsgespräche mit Union und Grünen verlassen haben, erlebt Deutschland Tage der Ungewissheit. Die New York Times schreibt bereits von einer "Krise". Wer kann uns jetzt einen Ausweg aufzeigen? Wir haben Martin Sonneborn angerufen.

Der erfahrene Europapolitiker eilt gerade über die Flure des Europäischen Parlaments, als wir ihn erreichen. Als Vorsitzender der Partei Die PARTEI wollte Sonneborn nach der Bundestagswahl eigentlich den neuen Bundeskanzler stellen. Am Ende erreichte Die PARTEI nur ein Prozent aller Stimmen und scheiterte an der Fünfprozenthürde. Doch damit will er sich nicht zufrieden geben. Gegenüber VICE kündigt Sonneborn an, dass seine Partei versuchen werde, die Bundestagswahl 2017 zu annulieren.

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VICE: Jamaika fällt aus, es drohen Neuwahlen in Deutschland. Wie steht die Partei Die PARTEI dazu?
Martin Sonneborn: Wir sind gegen Neuwahlen, bloß weil hier eine Arbeitsverweigerung der FDP vorliegt. Seit Jahren warne ich davor, diese Partei ernst zu nehmen. Immer wieder habe ich gesagt: "Wir nehmen jeden, der sich zur Machtergreifung als Steigbügelhalter andient, außer der FDP."

Sie begründen das damit, nicht mit "Spaßparteien" koalieren zu wollen.
Genau. Und das hat sich wieder mal bewahrheitet. Im Ausland wird bereits getuschelt. Mir ist es fast schon peinlich, hier in Brüssel als Deutscher erkannt zu werden.

Die FDP hat nicht als einzige die Sondierungen torpediert. Lag Ihre Partei historisch betrachtet falsch, als Sie forderten, Klaus Wowereit ausstopfen zu lassen – und nicht Horst Seehofer?
Auf jeden Fall. Ich habe Seehofer immer geschont. Wir sind beide abgehalfterte Politiker, die vor einem besoffenen Bierzeltpublikum populistische Phrasen von uns geben. So erkläre ich das auf meiner Lesereise. Der einzige Unterschied ist, dass ich Eintritt nehme.

Wäre Die PARTEI bereit für Neuwahlen?
Für die Wahlzulassung müssten wir innerhalb weniger Wochen knapp 30.000 Unterstützer-Unterschriften mobilisieren. Das ist im Winter sehr schwer. Kaum jemand weiß, wie viel Arbeit das ist. Zumal die Formulare relativ abschreckend gestaltet sind: Unterstützer müssen Name, Geburtsdatum und Meldeadresse eintragen sowie unterzeichnen – ein wahnwitziger Aufwand. In Berlin ist das kein Problem: Da setzen wir uns an den Heinrichplatz in Kreuzberg und die Leute fragen, wo sie unterschreiben müssen. Aber in strukturschwachen Gegenden wie in Mecklenburg-Vorpommern, noch dazu mit einer hohen Analphabetenquote, ist das in so kurzer Zeit kaum möglich.

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Könnten von Ihrer Partei organisierte Weihnachtsmärkte die Arbeit erleichtern, dann könnten Sie dort direkt Unterschriften sammeln?
Wenn Sie das machen, bekommen Sie Unterstützerzettel, die unleserlich ausgefüllt wurden und voller Glühweinflecken sind. Dem Beamten, der das später prüft, reicht das bereits, um den Zettel für ungültig zu erklären. Aber wir haben eine elegante Lösung für das ganze Land parat.

Welche denn?
Wir legen morgen [am Mittwoch, den 22. November] Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundestag ein. Die Fünfprozenthürde gilt als unseriös und ist demokratietheoretisch nicht mehr zu rechtfertigen, sie gehört abgeschafft. Fünf Prozent aller gültigen Stimmen wurden in der Sitzverteilung im neuen Bundestag nicht berücksichtigt. Wer kleine Parteien wählt, stärkt die Etablierten. Oder er wählt sie deshalb erst gar nicht. Das ist eine Verzerrung des Wählerwillens. Wie es besser funktionieren kann, erlebe ich tagtäglich im Europäischen Parlament. Hier sucht man für politische Vorhaben eine breitere Basis über alle Fraktionen hinweg. Außerdem stünde Deutschland ohne die Fünfprozenthürde besser da. Die PARTEI hätte jetzt sieben Sitze im Bundestag und könnte eine Minderheitsregierung stellen.


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Wie soll Ihre Wahlprüfungsbeschwerde im Detail aussehen?
Aufgrund der Kürze der Zeit und der Unlust, so etwas zu formulieren, wird sie sehr kurz ausfallen. Formal muss "Wahlprüfungsbeschwerde" draufstehen.

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Wie beurteilen Sie Ihre Chancen auf Erfolg?
Wir haben bereits Erfahrung mit Wahlprüfungsbeschwerden. 2009 haben wir Beschwerde eingelegt, weil uns ein durchgeknallter Bundeswahlleiter mit CDU-Parteibuch nicht zur Wahl zugelassen hatte. Im Anschluss daran wurden die Wahlgesetze geändert und ein Rechtsschutz für Kleinparteien eingeführt. Außerdem wissen wir seit dem "Geldverkaufsprozess" gegen den Bundestag, wie man Prozesse gewinnt. Gerade heute hat der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen eine 2,5-Prozent-Hürde für unrechtmäßig erklärt. Die Klausel ist kürzlich eingeführt worden, um populistische Kleinparteien wie uns aus den Kommunalparlamenten herauszuhalten. Ich bin kein Jurist, aber ich denke, dass es ein kleiner Fingerzeig für den Bundestag sein wird.

Im Umkehrschluss nehmen Sie es aber auch in Kauf, dass sie Frauke Petry ihr Bundestagsmandat sichern.
Mein Kollege im Europäischen Parlament, Marcus Pretzell, und seine Frau verfügen innerhalb der Familie über vier politische Mandate. Ich glaube, das ist Weltrekord. Die dürften finanziell gut abgesichert sein. Auf ein Mandat mehr oder weniger kommt es da nicht an.

Wie gut ist Die PARTEI für eine Wahlwiederholung oder Neuwahl aufgestellt?
Wir sind in jedem Fall besser aufgestellt als FDP und AfD. Es ist beunruhigend anzusehen, was diese Parteien da in den Bundestag geschickt haben, und ich wundere mich auch nicht, dass Christian Lindner mit so einer Mannschaft keine Regierungsverantwortung übernehmen wollte. Das können wir besser. Die PARTEI hat 30, 40 Mandatsträger in Deutschland, da sind durchaus fähige Köpfe dabei.

Ihr Wahlziel waren 100 Prozent plus X. Wie sehen Sie die Chancen darauf im Falle einer erneuten Wahl?
Relativ gut, in jedem Fall besser als beim letzten Mal. Wenn die Fünfprozenthürde wegfällt, haben nicht mehr so viele Menschen Angst, ihre Stimme einer kleinen Partei zu geben. Ich verspreche mir eine Verfünffachung des Wahlergebnisses, das ist bereits beim letzten Mal gelungen. 2013 hatten wir 0,2 Prozent geholt, im vergangenen September bereits ein Prozent. Unsere besten Mathematiker gehen davon aus, dass sich das bei jeder kommenden Wahl so fortsetzen wird. Die 125 Prozent sind möglich.

Dann würde Ihre Partei noch mehr Geld aus der Parteienfinanzierung des Bundes erhalten. Sogar eine Strafzahlung wegen vermeintlich illegaler Einnahmen konnten Sie im bereits angesprochenen "Geldverkaufsprozess" abwenden. Wie steht es jetzt um Ihre Finanzen?
Meines Wissens schöpfen wir die uns theoretisch zustehenden Gelder höchstens zu einem Drittel aus. Aber wir befinden uns weiterhin in einer Auseinandersetzung mit der Bundestagsverwaltung. Noch warten wir auf die schriftliche Bestätigung, aber im Moment sieht es so aus, als ob Wolfgang Schäuble einen Privatkrieg gegen uns beginnen und in Berufung gehen will. Dafür würden erneut Steuergelder verschwendet. Wir haben deshalb einmal beim Bundestag nachgefragt, welche Kosten durch die verlorenen Prozesse gegen uns entstehen. Und wir prüfen derzeit das Parteienfinanzierungsgesetz selbst. Wir haben schon einige lustige Stellen entdeckt, mittels derer CDU und SPD Gelder generieren, ohne sie korrekt auszuweisen. Mehr kann ich noch nicht verraten. Aber wenn der Bundestag sich auf die Hinterbeine stellt, dann werden wir Anfang Dezember eine neue Aktion starten, mit der wir unsere Ansprüche aus der Parteienfinanzierung deutlich steigern werden.

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