So peinlich feiert Schland seinen Sieg

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So peinlich feiert Schland seinen Sieg

Die deutsche Nationalmannschaft lässt sich von hunderttausenden Betrunkenen auf der Berliner Fanmeile feiern.

Wir sind jetzt schon zwei Tage Weltmeister, und heute war der Tag gekommen, an dem sich Neuer, Hummels, Schweinsteiger und Co. endlich auch live in Berlin von den Fans feiern lassen konnten. Natürlich konnten es die zum Teil extra angereisten Fußball-Fanatiker kaum erwarten, ihre Helden nach dem „Wunder von Rio” gebührend zu begrüßen.

Alle Fotos von Jermain Raffington.

Punkt 9 Uhr sollten sie landen, letztendlich setzten die Räder der Maschine aus Brasilien aber erst mit einer Stunde Verspätung auf. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits um die tausend Anhänger dicht gedrängt auf der Aussichtsplattform. Viele hatten sich schon in den frühen Morgenstunden zum Stadtflughafen Tegel begeben, um sich die besten Plätze zu sichern.

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Auch die internationale Presse war angereist, um live von der Ankunft des frisch gebackenen Weltmeisters zu berichten. Unter tosendem Jubel stiegen die WM-Helden um Bastian Schweinsteiger aus dem Flugzeug, während ihre Fans absolut alles taten, um auch nur einen einzigen Blick auf die DFB-Elf zu erhaschen. Kein Wunder: Wer Arbeit oder Schule schwänzt, um ab dem frühen Morgen stundenlang an einem Flughafen auszuharren, will schließlich was geboten kriegen.

Ein internationaler Pressevertreter bei der Arbeit.

Trotz allgemeiner Begeisterung schien es nicht allen darum zu gehen, sich um die wenigen Plätze mit Blick auf die Spieler zu prügeln. Dieser Typ hier wollte zum Beispiel  einfach nur seine Freude über den gelungenen Sieg teilen und brachte für Bundestrainer Jogi Löw einen Blumenstrauß mit. Während unseres Gesprächs unterbreitete er mir außerdem glaubhaft, dass unser Treffen eine himmlische Fügung sei, und schenkte mir anschließend noch eine Shalom-Kerze und einen Stapel Fünf-Cent-Briefmarken.

Während der Rummel in Tegel schon überaus beeindruckend war, erwartete das Team auf der Fanmeile am Brandenburger Tor ein wahrer Hexenkessel. Fast 500.000 Menschen—hochgepeitscht von Radiomoderator Lukas Haunerland und Helene Fischers größten Hits—waren bereits seit Stunden mehr als bereit, ihre Helden in Grund und Boden zu kreischen. Mittlerweile war es halb Zwölf und ich war nach einer ziemlich beklemmenden Busfahrt zwischen schwitzenden Typen mit schwarz-rot-goldenen Irokesenperücken auf dem Pariser Platz angekommen. Auch mit dabei: lallende Nürnbergerinnen, für die diese Reise nach Berlin „die beste Reise überhaupt” war.

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Schon aus der Ferne war das Hupen des Teambusses zu hören. Je näher das Gefährt samt wertvoller Fracht kam, desto lauter wurde es auch bei den wartenden Massen. Während daheimgebliebene Sportfans das ganze Spektakel per Liveübertragung verfolgen konnten, wurde vor Ort zumindest die quälend lange Fahrt von Flughafen bis Fanmeile gezeigt.

Während Rekord-Torschütze Miroslav Klose ordentlich Champagner in die erhitzte Menge kippte, hielten sich der Rest der Mannschaft und der Trainerstab um Jogi Löw erst noch beinahe verschämt zurück.

Bevor die Situation komplett eskalieren konnte, mussten sich die erschöpften Profis allerdings erst einmal im goldenen Buch der Stadt verewigen. Auf der Fanmeile war die allgemeine Anspannung inzwischen frenetischer Partystimmung gewichen und wenn Fußballfans die Möglichkeit haben, an einem Dienstagmittag jede Menge Bier zu trinken, dann nutzen sie die auch.

Viele der angereisten Anhänger konnten wegen eines bereits ziemlich früh ausgesprochenen Einlassstops das Spektakel nur über den Online-Livestream verfolgen.

Bei so viel „Schland”-Begeisterung fanden sich aber auch außerhalb der Fanmeile kreative Lösungen, um nichts zu verpassen.

Man mag es nicht glauben, aber trotz der bundesweiten Hysterie gab es einige Leute, denen das Team und der Weltmeister-Titel scheißegal ist.

Dieser Rabbi beispielsweise war nur in Berlin, um Geld für seine Stiftung zu sammeln. Fußball geht ihm am Arsch vorbei.

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Das ist Manfred. Er war eigentlich nur am Flughafen, um in aller Herrgottsfrühe entspannt eine Molle zu zischen, stattdessen wurde er mit hysterischen DFB-Fans konfrontiert. Die Ankunft des Teams hätte ihm nicht egaler sein können.

Und dieser Typ bringt das Wort „Event-Fan” auf eine ganz neue Ebene. Bei der Weltmeisterschaft geht es nicht um Fußball oder die spielerische Leistung der Mannschaft.  Bei der WM geht es um Selfies und möglichst viel Deutschland-Merchandise.