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Ist ein einmaliger Sandabbau wertvoller als die nachwachsende Ressource Wald?

Der Buschbeller Wald im Großraum Köln soll für die Förderung des darunter liegenden Sandes gerodet werden.
Der Sand im Buschbeller Wald. Bild: Tanja Keßels. Mit freundlicher Genehmigung.

So nett unser First Class-Leben mit all seinen Annehmlichkeiten auch sein mag, unschuldig ist es leider nicht. Denn unser  Müll verdreckt die Meere und Versuchstiere werden zur Wissensgewinnung misshandelt. Diese Dystopien reihen sich nahtlos in den globalen Kampf um natürliche Ressourcen ein, in dem die Umwelt für die Energieerzeugung bis hin zur Herstellung von Nahrung und Computerchips ausgebeutet wird.

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Der  am meisten abgebaute Rohstoff, mit jährlich 15 Milliarden Tonnen, besticht durch seine Unauffälligkeit und ist im Gegensatz zu Kobalt, Germanium oder Rohöl schon jedem Kleinkind bekannt: Sand. Der Kampf um den Sand zieht größere und internationalere Kreise als die meisten erahnen, denn er wird jedes Jahr knapper.

Weltweit verbrauchen wir laut Experten fast ebenso viel Sand wie Wasser. Er ist enthalten in Glas, Handys, Zahnpasta, Kosmetika, Computern und vor allem in Gebäuden. Stahlbeton besteht zu rund einem Drittel aus Zement und rund zwei Dritteln aus Sand, ungefähr 200 Tonnen Sand sind für ein mittelgroßes Haus nötig und 30.000 Tonnen für einen Kilometer Autobahn, in einem Atomkraftwerk stecken zwölf Millionen Tonnen. Und der Bauboom nimmt stetig zu.

Sandabbau im Brelinger Berg in der Wedemark. Bild: Losch via  Wikimedia |  CC BY-SA 3.0 DE

Das Bevölkerungswachstum und die wirtschaftliche Entwicklung in den Schwellenländern sind die Hauptgründe für den Bauboom und da es sich um ein Produkt handelt, welches irgendwann einmal aufgebraucht sein wird, ist mittlerweile ein Kampf um den Sand entfacht.

Ist ein begrenzter Rohstoff wertvoller als der nachwachsende Wald?

Ein aktuelles Beispiel aus Deutschland ist der  Buschbeller Wald in der Nähe der nordrheinwestfälischen Stadt Frechen. Die örtlichen Quarzwerke wollen den unter dem Waldgebiet liegenden Sand abbauen, müssen für diese Förderung jedoch den Baumbestand roden. In einem Gebiet, in welchem es sowieso kaum noch Wald gibt ist diese ausschließlich wirtschaftliche Entscheidung umstritten. Es stellt sich die Frage, ob der Abbau eines begrenzten Rohstoffs für den Haus- und Straßenbau wertvoller ist, als ein wachsender und lebendiger Lebensraum für eine Vielzahl geschützter Tier- und Pflanzenarten.

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Angesichts der Unmengen an benötigtem und abgebauten Sand ist die Fördermenge in Frechen relativ gering. Aber dennoch stellt auch diese anstehende Entscheidung das globale Gewissen neuerlich vor die Frage nach den Prioritäten, die wir in unserer Umwelt setzen.

In den 84 Hektar des Buschbeller Waldes wohnen seltene Tierarten wie Pirol, Mittelspecht und Feuersalamander und er ist einer der letzten Altwälder in der Kölner Region. „Wegen seiner Artenvielfalt könnte er unter dem Schutz der EU stehen. Stattdessen droht ihm der Untergang", schreibt die Organisation  Rettet den Regenwald in einer Petition zum Erhalt der Fläche. Bisher wurde die Rodung schon zweimal verschoben, die Aktivisten hoffen nun, mit einer heutigen Unterschriftenübergabe das Schicksal des Waldes endgültig abhalten zu können.

Beton. Bild:  Wikimedia |  Public Domain

„Bei anhaltendem Rohstoffverbrauch auf dem bisherigen Niveau brauchen wir in 25 Jahren drei Erden, um den Bedarf zu decken.", schreiben Dieter Eich und Ralf Leonhard in ihrem Buch Umkämpfte Rohstoffe. Die Suche nach Alternativen zum Abbau begrenzter Rohstoffe ist also einigermaßen dringlich und die Sandknappheit zieht globale Kreise.

Vom illegalen Sandabbau in Marokko, dem Verschwinden ganzer Inseln in Indonesien, den pharaonenhaften Bauprojekten in Dubai für die Sand aus Australien importiert wird, bis hin zu den Machenschaften der indischen Sandmafia entfacht der wertvolle Rohstoff Kämpfe, die uns schon heute einen Eindruck auf die Themen zukünftiger Kriege geben. (Wenn ihr euch weitergehend mit dem Thema beschäftigen wollt, möchte ich euch unbedingt die Arte-Dokumentation  „Sand—die neue Umweltzeitbombe" ans Herz legen.)

Der Buschbeller Wald ist dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zeigt jedoch deutlich die ungesunde Ausrichtung zu der ausschließlich wirtschaftliche Prioritäten führen können.