Das Bild zeigt die Innenräume eines Bordells. Die Fenster sind mit rotem Samt behängt, die Wand verziert ein Gemälde mit nackten Frauen.
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Fotos: So sieht es in deutschen Bordellen aus

"Oft sind sie einfach schrecklich kitschig, fast so wie auf einem Kreuzfahrtschiff." – Fotografin Katharina Bosse.

Wie kommt man eigentlich mit einer Kamera in einen Puff? Ein Bordell ist ja nicht unbedingt ein Ort, an dem man sich gern fotografieren lässt – zumindest nicht als Kunde. Katharina Bosse hat es trotzdem geschafft. Sie hat schon in den 90er Jahren Swinger-Clubs, Domina-Studios und Pin-up-Girls in Amerika abgelichtet.

Die Fotografin, die auch Professorin der Fachhochschule Bielefeld ist, hat sich als künstlerisches Leitthema die Verkörperung von Wunschträumen gesetzt. Ihr Fokus dabei ist häufig die Selbstbestimmung von Frauen. Ihre Fotoserie Bordello Architecture ist eine zwar grellbunte, aber dennoch hoffnungslose Erzählung über kitschige Orte in ganz Deutschland, an denen eigentlich nur eine Sache von der Decke tropft und den Fußboden verklebt: gesellschaftskritische Selbstironie.

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Wir haben mit ihr über das Projekt gesprochen und sie nicht nur gefragt, wie man mit der Kamera in den Puff kommt, sondern auch wie im Rheinland Radfahrern ein geordneter Straßenstrich-Besuch ermöglicht wird und warum Wellness-Bordelle mit Rentner-Rabattaktionen einen wichtigen Beitrag zu mehr Akzeptanz leisten.

Rechts ein Wohnwagen und links ein orientalisch anmutendes Atrium eines Bordells

VICE: Katharina, erzähl doch mal von deinem ersten Mal im Bordell.
Katharina Bosse: Mein erstes Mal in einem Bordell war sozusagen gar kein Bordell. Denn Bordelle, wie wir sie kennen, sind in den USA verboten. Aber es gibt sogenannte "Theme Rooms" für Erwachsene – also Räume, die zum Ausleben erotischer Fantasien eingerichtet wurden, wie ein kleines Disneyland für Erwachsene. Die habe ich in New York, Los Angeles und San Francisco fotografiert. Die Bordelle auf den Bildern dieser Serie sind also tatsächlich nicht die ersten, die ich besucht habe.

In den USA habe ich eine Serie gemacht, wo es um öffentliche Räume geht, die sich an eine bestimmte Klientel richten und mit ihren überzeichneten Designs gesellschaftliche Sehnsüchte repräsentieren. Die deutsche Bordell-Serie ist dann vor ein paar Jahren auf der Grundlage damaliger Gesetzesänderungen entstanden. Denn durch die neuen Gesetze wird die Prostitution Stück für Stück aus der Illegalität geholt. Ich hatte natürlich gehofft, dass ich dokumentieren kann, wie sich durch die Legalisierung des Gewerbes die Situation der Frauen verbessert. Aber es hat sich inzwischen herausgestellt, dass das nicht wirklich der Fall ist.

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Ein Bordell-Bett in rotes und blaues Licht gehüllt.

Was war deine ursprüngliche Intention: Aufklärung? Provokation? Die besondere Ästhetik?
Ich wollte Orte abbilden, an denen Menschen geschützt und selbstbestimmt in diesem Business arbeiten können. Aber das ist so nicht eingetreten. So bekamen die Bilder eine ganz andere Bedeutung, als ich sie ihnen im Moment des Fotografierens zugeschrieben habe. Es sind nach wie vor Orte, an denen Menschen ausgebeutet werden. Aber damals hatte ich eben diese Hoffnung.

Du wolltest also eigentlich zeigen, wie sich die Prostitution durch die Legalität verändert?
Ja. Schließlich war es ja auf einmal auch möglich, dass Investoren große Gebäude bauten und viel Geld in Wandmalereien und Atrien mit knallbunten Pool-Landschaften steckten. Das fand ich spannend, denn es zeigte ganz deutlich die wachsende Akzeptanz des Gewerbes in Deutschland. Natürlich haben mich auch das Design und die spezielle Innenarchitektur interessiert: dunkle Zimmer, gedämmtes Licht in langen Fluren und an die Wände gemalte Frauen, die einem verheißungsvolle Blicke zuwerfen. Mir gefällt dieses Versprechen, welches die Räume einem geben, wenn man sie betritt. Aber natürlich sind sie auch einfach oft schrecklich kitschig, fast so wie auf einem Kreuzfahrtschiff.

Links sieht man ein Puff-Bett in einem roten Raum, rechts eine Art Eisgrotte.

Und dann hast du einfach im Puff angerufen und gefragt: "Hallo, ich bin Katharina … darf ich mal mit meiner Kamera vorbeikommen?"
Ja, eigentlich genau so [lacht]. Ich habe erklärt, was die Intention der Serie ist und dann stand man dem tatsächlich sehr offen gegenüber. Es ging ja schließlich nur um Architektur.

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War es für dich befremdlich oder eine Hürde, dort hin zu fahren? Hattest du Kontakt zu den Arbeitenden oder der Klientel?
Es war immer anders, aber eigentlich nie eine Hürde. Manchmal war ich nur da, wenn gerade geputzt wurde, dann habe ich das Reinigungspersonal kennengelernt. In einigen Etablissements war ich sehr lange vor Ort und wurde um das laufende Geschäft herum geschleust oder musste mich in leeren Räumen verstecken. Bei anderen hatte ich komplett freie Bahn und konnte mir alles ganz in Ruhe anschauen.

Ein mediterran eingerichteter Raum in einem deutschen Bordell.

Das klingt lustig. Und die Ironie mancher Bilder ist auch nicht zu übersehen. Einige sind aber auch ein bisschen traurig. Was war besonders subtil für dich?
Es ist interessant, wie stark das deutsche Bedürfnis ist, alles zu regeln. Auf einem Bild sieht man Parkautomaten, die stehen im Ruhrgebiet, da fährt man mit dem Auto am Straßenstrich lang, jemand steigt ein und man parkt gemeinsam in einer holzumzäunten Box, für die man vorher einen Parkschein ziehen muss. Dazu gibt es dann das gleiche nochmal für Fahrräder: die Fahrrad-Parkbox, für all jene Leute, die sich kein Auto, aber eine Prostituierte leisten können – denn es wäre ja schließlich ungerecht, wenn nur Leute mit einem Auto den Service in Anspruch nehmen könnten. Die Fahrradfahrer dürfen nicht benachteiligt werden, für sie gibt es also Spezial-Boxen und Spezial-Parkscheinautomaten.

Dass die da überhaupt können … Es ist schon relativ schwer, die Bilder irgendwie mit einem Gefühl von echter Lust in Verbindung zu bringen.
Mich persönlich erschreckt auch nach wie vor das schizophrene Verhalten der Klientel. Die Menge an Männern, die zugeben, ins Bordell zu gehen, deckt sich überhaupt nicht mit den Zahlen der aktuellen Besucher: einige Etablissements haben über 10 Stockwerke – und die sind alle voll. Ich frage mich nach wie vor, warum so viele Männer ins Bordell gehen und es gleichzeitig so viel Verachtung und Hass auf die dort arbeitenden Menschen gibt. Man geht ja auch nicht zum Bäcker und kauft sich einen leckeren Kuchen, um dann die Bäckerei aus tiefstem Herzen zu verachten, dafür, dass man bekommen hat, was man wollte. Aber bei Prostituierten ist es irgendwie so, dass die Männer sich selbst nicht begreifen. Sie kommen nicht mit dem klar, was sie dort tun. Und sie möchten es nicht vor Augen gehalten bekommen. Gleichzeitig ist Deutschland der Ort, der im Ausland als touristisches Prostitutions-Paradies gilt, und alle beneiden den deutschen Mann für seine "Freiheit". Eine sehr komplexe Problematik, es geht um Ehen, Ehre und eben auch ein riesiges, in großen Teilen illegales Geschäft.

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Römische Statuen sind ein deutschen Bordells besonders beliebt.

Also ist die Serie eigentlich eine gesellschaftspsychologische Parodie, die das Patriarchat verhöhnt und zeigen will, dass es in Freudenhäusern gar keine echte Freude gibt?
Jain. Meine Intention deckt sich mit dem Inhalt eigentlich am meisten bei jenen Bildern, auf denen typische Vorstadt-Bordelle zu sehen sind. Da gibt es richtige Renter-Clubs, die sich statt zum Skatabend dann Nachmittags in der Bordell-Saunalandschaft treffen, um sich dort zu Rentner-Rabattpreisen verwöhnen zu lassen. Jeder kennt sich, alle schätzen sich. In solchen Kreisen sind Bordelle keine Orte der Verachtung, sondern alle kommen miteinander klar. Auch die Frauen kommen dort gut klar, weil sie ihre Kunden gut kennen oder die Kunden sich untereinander kennen und deshalb benehmen. Wie beim Stammtisch oder Sportverein. Es ist skurril, aber nachvollziehbar. Es ist Gewöhnung und ein wichtiger Beitrag zu mehr Selbstbestimmung und Akzeptanz. Das ist eine vollkommen andere Situation, als wenn eine Frau am Wochenende irgendwo im Nirgendwo mit ihrem Koffer anreist, um heimlich einem Beruf nachzugehen, zu dem sie vielleicht sogar gezwungen wird oder bei dem sie konstant in Gefahr lebt.

Wurdest du angefeindet? Dort, wo du unterwegs warst, bringen Kameras ja schon ziemlich essenzielle Gefahren mit sich.
Es gab eine Situation, wo der Laden noch recht leer war und ich relativ auffällig war. Dass dort eine Frau war, die eben keine Prostituierte war, ging irgendwie für einige Männer nicht klar und hat ihre Illusionen zerstört. Einmal, als ich mit meinem Kamerakoffer am Bahnhof in ein Taxi gestiegen bin und die Adresse nannte, hielt der Fahrer mich für eine ganz normale Prostituierte. Da kamen massenhaft Frauen an, die zu dem Bordell fuhren, dass er dachte, ich gehöre eben auch dazu. Das war etwas ungewohnt, aber amüsant.

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Ein Pool in einem Bordell.

Ist es richtig, dass deine Fotos manchmal geklaut werden?
Die Fotoserie hat ein sehr spezielles Eigenleben entwickelt. Die Bilder sollen keine Werbung für die Etablissements sein, aber sie werden extrem oft als solche benutzt. Sobald im Internet ein Artikel mit ihnen veröffentlicht wird, in dem irgendetwas mit "Bordell" steht, werden die Bilder hemmungslos geklaut. Farblich verändert oder neu zugeschnitten werden sie dann weltweit auf unterirdischen Seiten als kleine Schnipsel in "Bordell-Werbeanzeigen" verwendet, von Etablissements auf der ganzen Welt, die keine eigenen Fotos ihrer Räumlichkeiten haben. Das finde ich dann nur über spezielle Bildersuchdienste heraus und frage mich, was da neben meinen Fotos in asiatischen Schriftzeichen wohl stehen mag.

Das Schlafzimmer in diesem Bordell erinnert eher an den Warteraum einer Arztpraxis.
Auf diesem blauen Bordell-Sofa nehmen Kunden von Sexarbeiterinnen platz.
Spiegel, blaues Licht, viele offene Treppen: So sieht es in einem deutschen Bordell aus.
Das Bild zeigt die Innenräume eines Bordells. Die Fenster sind mit rotem Samt behängt, die Wand verziert ein Gemälde mit nackten Frauen.

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