FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Rassismusgegner posten Hasskommentare auf Plakaten im Wohnort des Hetzers

Wer in sozialen Netzwerken rassistisch hetzt, könnte in Brasilien schon bald ein neues Plakat in seinem Heimatort vorfinden und mit den eigenen Aussagen konfrontiert werden.
„Wenn du dich waschen würdest, wärst du nicht so dreckig." Foto: Racismo Virtual/Criola.

„Wenn du dich waschen würdest, wärst du nicht so dreckig." Das war noch eine der milderen rassistischen Pöbeleien, die unter einem Facebook-Foto der bekannten brasilianischen Nachrichtensprecherin Maria Julia Coutinho veröffentlicht wurden.

Mittlerweile prangt der beleidigende Spruch auf einer riesigen Plakatwand mitten in der Stadt Feira de Santana im Norden des Landes. Hier wohnt höchstwahrscheinlich der Urheber des rassistischen Kommentars. Zumindest wurde der Spruch von hier gepostet—das hat die Bürgerrechtsorganisation Criola anhand von Geolocation-Tools herausgefunden.

Anzeige

Mitglieder von Criola haben in mehreren Orten Brasiliens Plakatwände gemietet, rassistische Kommentare auf Facebook und Twitter ausgedruckt und veröffentlicht; immer im Wohnort des Urhebers. Sie wollen so das öffentliche Bewusstsein für Brasiliens alltäglichen Rassismus schärfen und vor allem die Leute, die die Hetze verbreiten, im echten Leben mit ihren Aussagen öffentlich konfrontieren. „Virtueller Rassismus, echte Konsequenzen" haben sie ihre Kampagne genannt.

„Diese Leute denken, sie können bequem zuhause sitzen und im Internet tun, was auch immer sie wollen. Doch das lassen wir nicht zu."

In den vergangenen Monaten der Flüchtlingskrise konnte man leicht den Eindruck bekommen, rassistische Entgleisungen und Hasskommentare seien ein speziell deutsches Problem. Tatsächlich taucht das Phänomen überall da auf, wo Menschen soziale Medien benutzen—und im Schutz der vermeintlichen Anonymität hetzerischem Gedankengut freien Lauf lassen.

„F*ck dich, dreckiger Neger. Ich weiß nicht, was bei dir geht, aber ich dusche mich." Foto: Racismo Virtual/Criola.

Während die strafrechtliche Verfolgung von Hasskommentaren selbst in Deutschland nur langsam ins Rollen kommt, ist es in Brasilien nahezu aussichtslos, sich auf die Behörden zu verlassen. „Diese Leute denken, sie können bequem zuhause sitzen und im Internet tun, was immer sie wollen. Doch das lassen wir nicht zu. Sie können sich nicht vor uns verstecken, wir werden sie finden", erklärt Criola-Gründerin Jurema Werneck gegenüber BBC.

Auch wenn die Kampagne etwas nach Public Shaming klingt—wie manche auf Facebook kritisieren—stellt Criola den Inhalt der Kommentare in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und nicht den Urheber des Posts. Name und Bild des Autors werden also konsequenterweise zensiert.

Neben den Anfeindungen gegen Maria Coutinho, die ausgerechnet am nationalen Tag gegen rassistische Diskriminierung außer Kontrolle geraten waren, sorgte vor zwei Wochen der nächste rassistische Shitstorm, dieses Mal gegen die schwarze brasilianische Schauspielerin Tais Araujo, für Aufsehen. Araujo war auf Facebook als „Tier aus dem Zoo" verspottet und mit sexistischen Kommentaren überflutet worden, hatte diese dann öffentlich gemacht und anschließend eine Welle der Solidarität auf Twitter erfahren.

Wie die bekannte afro-brasilianische Bloggerin Stephanie Ribeiro daraufhin erklärte, bestünde das Problem darin, dass sich die Rassismus bekämpfende Öffentlichkeit in Brasilien immer nur dann zu Wort melden würde, wenn es um einen Celebrity gehen würde. „Please Stop Individualizing Racism" fordert sie. Das Problem sei keine Serie von Einzelfällen, sondern tief in der Gesellschaft verwurzelt.

Doch nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Medien grassiert das Problem, wie eine in sozialen Netzwerken veröffentlichte Email der Produktionsfirma von Brasiliens erster selbstproduzierter Netflix-Serie „3%" beweist. Das Schreiben der Produktionsfirma + Add Casting hatte folgende Ausschreibung verschickt: „Wir suchen einen jungen Schauspieler im Alter zwischen 20 und 25 Jahren. Er muss sehr schön sein. Die Regie hätte gerne einen Schwarzen. Ein dunkelhäutiger und hübscher Darsteller wäre also ideal. Uns ist bewusst, dass das schwierig ist, deswegen casten wir auch hübsche Schauspieler, die nicht schwarz sind."

Die Email war über verschiedene Verteiler von Medienschaffenden verschickt worden, die sie anschließend auf Facebook öffentlich machten. Es dürfte sehr im Sinne von Criola geschehen sein.