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TTIP: Unterwandert die Tabakindustrie den deutschen Nichtraucherschutz?

Das Freihandelsabkommen TTIP hat vielleicht ein offenes Hintertürchen für amerikanische Tabakkonzerne.

Foto: Flickr | Ryan Glenn | CC BY 2.0

Tabak ist die tödlichste aller Drogen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) nennt im jüngst veröffentlichten Jahrbuch Sucht eine Zahl von jährlich 100.000-120.000 Toten. An illegalen Substanzen sind in Deutschland 2015 insgesamt 1.032 Menschen gestorben, am Rauchen sterben also ungefähr hundert Mal so viele. Zahlreiche Maßnahmen und viel Aufklärung zum Nichtraucherschutz haben in den vergangenen Jahren aber immerhin für eine stetig sinkende Raucherquote gesorgt.

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Jetzt klagt die DHS über Bemühungen der Tabakindustrie, sich über das Freihandelsabkommen TTIP eine Hintertür zur Unterwanderung des Nichtraucherschutzes zu öffnen. Die DHS weist in einer Pressemitteilung mit Unterstützung des Deutschen Richterbundes darauf hin, dass die US-Tabakkonzerne schon das GATT-Abkommen zur Markteinführung ihrer Produkte in Japan und Südkorea genutzt hätten, was schlussendlich „zu einem Anstieg der tabakbedingten Morbidität und Mortalität geführt (hat). " Zudem nutze Philip Morris bilaterale Handelsabkommen seit 2010 systematisch, um „nationale Gesundheitsgesetze juristisch anzugreifen." Der weltgrößte Tabak-Konzern hatte die australische Regierung aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen, aufdruckslosen Einheits-Zigarettenpackungen 2011 verklagt. Darum befürchten die Suchtspezialisten aus Hamm und der Deutsche Richterbund, dass der EU und nationalen Regierungen in der EU Ähnliches blüht, falls Tabakprodukte ein Teil von TTIP werden sollten, da sich die Tabaklobby intensiv bemühe, TTIP zu forcieren. Die Richter befürchten sogar grundsätzlich die „Einführung einer Paralleljustiz zugunsten ausländischer Investoren". Darum fordern sie zusammen mit den Präventions-Experten der DHS, Tabakwaren außen vor zu lassen und so Klagen großer Tabak-Konzerne von vornherein einen Riegel vorzuschieben.

"1. Zigaretten sind die einzigen Handelswaren, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch für die Hälfte ihrer Konsumenten tödliche Konsequenzen haben. Sie sollten deshalb grundsätzlich aus TTIP und anderen Abkommen zur Intensivierung des internationalen Handels ausgeschlossen werden.

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2. Historisch gesehen wurden viele der Lobbystrategien, die von der Tabakindustrie entwickelt worden sind, später auch von der Alkoholindustrie und anderen Branchen aufgegriffen. Aus Sicht der Suchtprävention ist es deshalb sinnvoll, auf eine Paralleljustiz zugunsten ausländischer Investoren zu verzichten."

So steht es in der gemeinsamen Erklärung von DHS und dem Richterbund.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen ist nicht irgendeine per se TTIP-kritische NGO, sondern berät die Bundesregierung seit fast 70 Jahren in Fragen der Suchthilfe. Sie wurde 1947 gegründet, als bundesweite Plattform für Suchthilfevereine und -verbände gegründet. Die meisten niederschwelligen Anlaufstellen der ambulanten Beratung und Behandlung, der stationären Versorgung und der Selbsthilfe sind in der DHS vertreten.

Aus dem Transpazifischen Handelsabkommen TTP wurden Tabakprodukte übrigens auf Druck der australischen Nichtraucherlobby herausgenommen. Um so etwas für TTIP zu verhindern, hat die US-Tabaklobby ihre Bemühungen hinter verschlossenen Türen intensiviert, wie die New York Times schon im Juni 2015 berichtete. Jetzt wäre Deutschlands Drogenbeauftragte gefragt. Die scheint sich der juristischen Gefahr, die dem auch von ihr geliebten Nichtraucherschutz durch TTIP droht, nicht bewusst zu sein. "Es gilt, transparent und gründlich zu verhandeln, berechtigte Kritikpunkte auszuräumen", kommentiert Mortler 2015 die Kritik am geplanten Handelsabkommen. Versuche der Drogenbeauftragten, Tabak aus TTIP herauszunehmen, sind indes nicht bekannt.

Lieber Gras als Tabak?

Einige, die meinen, TTIP könnte aufgrund einiger US-Bundesstaaten mit legalem Gras auch hier helfen, Cannabis zu regulieren, sollten wissen: Gras ist, anders als Tabak, derzeit nicht auf der TTIP-Tagesordnung und wird dort in absehbarer Zeit auch nicht stehen. Denn die nationale und internationale Hanflobby ist, anders als man in Berlin fürchtet, selbst in den USA nicht so stark, um TTIP-Verhandlungen irgendwie beeinflussen zu können.