Twitter ist ja bekanntlich ein Nischenphänomen, das hauptsächlich daraus besteht, dass sich Journalisten und Marketer gegenseitig vormachen, sie hätten ein Publikum, das nicht nur sie selbst sind. In Österreich hat die Plattform 117.000 Nutzer, von denen 45.000 selbst regelmäßig Tweets verfassen. Im Vergleich dazu haben die Naturfreunde Österreich 150.486 Mitglieder (Stand 2012) und ich würde sogar weiter gehen und sagen: Die Naturfreunde Österreich haben wahrscheinlich die zivisierteren, sinnvolleren Gespräche.Last day of holiday today :( — Shane Todd (@shanetodd)June 16, 2014
Zum Glück ist Twitter aber per Design so flüchtig und das beretweetete Publikum so auf Durchzug geeicht, dass solche Bilder normalerweise gar nicht die Zeit haben, sich wirklich ins Gedächtnis zu brennen. Blöd allerdings, wenn sie es mal trotzdem tun—und man nach zwei nasskalten Nächten voller abgebogener, weggebundener Shlongs bemerkt, dass die ursprüngliche Quelle der Alpträume, also das Foto eines Twitter-Users namens „Brödchen", plötzlich gelöscht wurde und einem 404er Platz gemacht hat.Ich schwör's, ganz egal was passiert: Den Trend lass ich aus - http://t.co/UWtSDrhARB (via @broedchen @dernaro)
— Armin Wolf (@ArminWolf) June 13, 2014
Der Medienwissenschaftler in mir findet das natürlich interessant, weil es zeigt, dass unsere sozialen Streams wirklich immer mehr an uns vorbei fließen, und es immer schwieriger wird, einzelne Beiträge isoliert oder mit derselben Kritikfähigkeit wahrzunehmen, wie wir das bei den „alten Medien" noch gelernt haben. Mir selbst sind auch schon mehr als ein Mal Gespräche vom Format „Hast du das nicht gepostet? Oder hat es nur irgendwer geliket? Wo hab ich das noch mal gesehen?" im Freundeskreis untergekommen.@wurstzombie das Foto war von einer FB Seite, aber keine Ahnung welcher. Gelöscht weil zu viel Aufmerksamkeit auf meinen Account
— brdchn (@broedchen) June 17, 2014
@wurstzombie definitiv nicht. Das war auf meinem FB Feed, ich hab mir auch nix gedacht, als ich das Bild gepostet habe, also dass das so
— brdchn (@broedchen) June 17, 2014
Brödchen ist gewissermaßen die moderne Twitter-Version des prototypischen Sci-fi-Rednecks, der die Welt vor Aliens gerettet hat, um danach sofort wieder in seinen Trailerpark zu verschwinden—nur dass in unserer Geschichte die außerirdischen Eindringlinge eher abdominale Ausreißer, aber deshalb auch nicht weniger gruselig sind. Brödchen hat ihr Bild jedenfalls aus Österreichs Retweets getilgt und darf jetzt wieder entspannt auf der Veranda vor und zurück schaukeln. Well done, sir! Im zweiten Teil kämpft der Held dann vielleicht gegen den böse VICE-Kraken, der das Foto wieder an die Oberfläche gespült hat.@wurstzombie auf die Medien wie Galileo oder taff kommt
— brdchn (@broedchen) June 17, 2014
Ich habe jedenfalls schon absurdere Einträge in Lebensläufen gelesen (nein, Krav Maga-Kurse und „auf MDMA alle Folgen Hundeflüsterer schauen" qualifizieren euch nicht für einen Job bei uns). Irgendwie ist es natürlich auch nicht ganz unkomisch, dass wir Brödchen mit unserem Medienbericht wieder genau die Aufmerksamkeit widmen, der er so verzweifelt aus dem Weg geht—aber keine Angst, sowas versendet sich auf Twitter ganz schnell wieder. Brödchen hat übrigens 303 Follower. Was genau ein asymmetrischer Tanga bringen soll, der noch seltsamere Bräunungsstreifen macht als ein unabgewischter Pavian-Arsch (und diesen im schlimmsten Fall auch noch freilegt), bleibt weiter unklar.Markus auf Twitter: @wurstzombieSchreibe demnächst in meinen Lebenslauf: große Medienaufmerksamkeit durch Bildtweet einer komischen Badehose.
— brdchn (@broedchen) June 17, 2014