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Popkultur

Das Höchste und Tiefste unserer Gefühle beim diesjährigen /slasheinhalb Filmfestival

Das /slasheinhalb Festival ist das, wovon die Figuren in Tarantino-Filmen nachts träumen würden. Wir präsentieren euch unsere vier High(und Low-)lights.

Foto via /slash Facebook-Seite

Das /slash Filmfestival ist das, wovon die Figuren in Tarantino-Filmen nachts träumen würden, wenn sie könnten (also: von dem und von Füßen). Es ist die Zeit, in der selbst wir im vorstädtisch idyllischen Wien uns ein Mal im Jahr so richtig urban ranzig fühlen dürfen und uns in ein altehrwürdiges Kino setzen, das direkt aus der Welt von Profondo Rosso stammen könnte, um uns Filme anzusehen, die ebenfalls direkt aus der Welt von Profondo Rosso stammen könnten. Die Besucher sind Nerds aus allen Ecken des Spektrums—introvertierte Metalheads mit infantilem Amerikahass und extrovertierte Arthouse-Gore-Gourmands mit genauso infantilen Bierrülpsern—und jeder einzelne von ihnen wäre ein liebevolles Close-up im Film unseres Lebens wert.

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Der einzige wirklich gravierende Nachteil am /slash ist, dass es jedes Jahr endet und uns mit einem fast 12-monatigen Nachspann zurücklässt. Und da wir im Gegensatz zu manchen Hardcore-Puristen, die unbedingt wissen müssen, wer Mads Mikkelsens Haare gemacht hat, echt nicht sehr geduldige Nachspann-Schauer sind, freuen wir uns umso mehr, dass sich das /slash den Hunger seiner Zelluloid-Vampire zum Anlass genommen hat und jetzt zur Halbzeit auch noch das /slasheinhalb Festival ausgerichtet hat.  Hier gab es von Donnerstag bis Samstag einen ganzen Darmausgang voller Premieren und einzigartiger Kino-Chancen für Filme, die sonst vom Verleih ignoriert oder mit DVD-Releases gestraft werden, wie dem grandiosen Under the Skin. Wir präsentieren euch unsere vier denkwürdigsten Filme aus dem Programm.

Under the Skin

Foto via YouTube

Ich habe diese Review jetzt bereits ohne Übertreibung vier Mal neu begonnen, nur um festzustellen, dass bei diesem Film jedes coole Understatement vollkommen fehl am Platz ist. Under the Skin geht einem genau dorthin, wo es der Titel verspricht und der Film ist endlich wieder mal Kino, wie man es noch nie zuvor gesehen hat. Gerade Filmfreunde, die sich wie ich exzessiv oft zwei Stunden lang auf einen Stuhl spannen und mit stroboskopischen Bildern beschießen zu lassen, wissen, wie selten so etwas ist. Die Anleihen bei 2001: A Space Odyssey sind zwar offensichtlich, aber selbst darin ist der Film einzigartig, weil es nicht um das Abkupfern von ästhetischen Gemeinplätzen geht, sondern um das Filmen von noch nie Gezeigtem—also um einen ähnlichen Abstraktionsgrad, nicht um eine Kopie der Abstraktionen selber.

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Die Story ist so high concept, dass sie sogar Steven Spielberg kaufen würde („Sexy Alien-Lady schleppt Opfer in der schottischen Pampa ab“), der Plot ist so wunderschön durchdekliniert, dass sowohl Gaspar Noé als auch Ingmar Bergmann neidisch werden könnten (von ewigen Autofahrten mit versteckter Kamera über Cinéma Verité-Momente mit erregten schottischen Schwengeln bis hin zu undurchschaubaren Schicksalsjagdszenen auf dem Motorrad und durch den Wald ist alles dabei), und die emotionale Palette, in die man als willenloser Pinsel beim Schauen getunkt wird, ist so bunt und gleichzeitig dreckig angemischt, dass sogar Bob Ross damit düstere Bilder gemalt hätte. Anders gesagt muss man Under the Skin sehen, wenn man unter seiner Haut aus mehr als verbrannter Kohle gemacht ist. Dass es dabei Sitzfleisch und Durchhaltevermögen braucht, ist klar. Dass aber alle, die sich von diesem Film unterjochen lassen, dafür mit einem anhaltenden Augenorgasmus belohnt werden, der sich wie die Sonne in die Netzhaut ätzt und noch viele Filme nachwirken wird, ebenso. — Markus (@Wurstzombie)

Dracula 3D

Foto via UK Horror Scene

Vor dem Film war Giallo-Großmeister (oder, weniger vornehm ausgedrückt: Spaghetti-Horror-Legende) Dario Argento schon zu einem Q&A im Wiener Filmcasino und hat dem Publikum des /slasheinhalb schwer verständliches Murmeln geboten und zu Recht alle Sympathien geerntet. Inhaltlich sprang er zwar von „… marvelous Vienna …“ zu „ … turkish … Erdogan“, dann von „… terrible Islam …“ hin zu erfreuten Anekdoten über die Aufmärsche des 1. Mais, während die Teile dazwischen in einen bezaubernden Nebel italienischer Sprachmelodie gehüllt blieben, aber da wir am Ende alle geklatscht haben, wird sein Fazit über Wien wohl schon politisch vertretbar gewesen sein.

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Seinen Dracula 3D, der ziemlich genauso durch die Filmlandschaft irrt wie der Meister durch die englische Sprache, hätte er uns dann jedoch ersparen können. Die 3D-Technik ist nett, aber peinlich unerfahren und unmotiviert in einen komplett unterwältigenden, dahinplätschernden Vampirfilm verflochten, den nicht einmal die Nacktszenen mit heißen Italienerinnen oder andere Trash-Tendenzen retten konnten. Ich habe im Kino mit dem Einschlafen gekämpft, bis die Erkenntnis kam, mich ohne schlechtem Gewissen geschlagen geben zu dürfen. Nichtsdestotrotz haben alle ihre Autogramme bekommen und eine Legende bleibt eine Legende. Auch wenn nach der Zeit von Suspiria und Co jetzt auch nicht mehr sooo viel Gutes nachgekommen ist, mag ich Argento sehr und besonders sein Interview mit Markus. — Josef (@TheZeffo)

All Cheerleaders Die

Foto via Horrorpedia

Ehrlich gesagt war ich ein ziemlich furchtbarer Kinozuschauer und habe den ganzen Film über auf meinen gleißend hellen Handy-Bildschirm geschielt. Zum Glück ist das aber kaum jemandem aufgefallen, weil die anderen Zuschauer damit beschäftigt waren, vor Schreck und unter lauten „Auuuuu!“-Rufen ihr Bier zu verschütten, während auf der Leinwand Cheerleader-Mädchen mit dem Genick voran im Football-Rasen landeten. Außerdem war der Grund für mein Handy-Leuchten, das dem Koffer-Leuchten aus Pulp Fiction alle Ehre gemacht hätte, nicht irgendein sinnloser SMS-Spam, bei dem man sich sowieso nur ausmacht, dass man sich nach dem Film noch mal schreibt, sondern mein Twitter-Geschreibe mit Regisseur Lucky McKee.

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Zusammengefasst kann ich euch sagen, dass ihm die Beschreibung des Films als „a fantasy slasher for the Steubenville Generation“ ganz passend erschienen ist und er sich besonders freute, als ich ihm gegen Ende schrieb, dass sich manche im Saal wegen der Lautstärke sogar die Ohren zugehalten haben—was sie natürlich wie Opis wirken ließ, die gerade zum ersten Mal Beatles hören. Sein Sound-Designer nannte die Arbeit an Cheerleaders seinen „kitchen sink mix“ und beide freuten sich mit Retweets und „It worked!“-Meldungen über das erfolgreiche Screening, das auf der Geräusch-, aber auch der Buffy-Skala weit über die 11 hinausging. Als Leidenschaftsprojekt und Remake von McKees erstem Amateurfilm fehlt All Cheerleaders Die natürlich die postmoderne Tiefe und ihre gegen den Mainstream rudernden Candy-Charaktere, die May, The Woods oder The Woman (zumindest in den ersten 30 Minuten) noch hatten; aber auch, wenn Cheerleaders weit mehr wie Charmed daherkommt und man sich nicht reinfallen, sondern nur distanziert mitlachen kann, bringt der Film doch denselben opaken und perfekt pastelligen Pop-Glanz wie seine Vorgänger mit, der entlang seiner Sollbruchstellen aus allen Slasher-Nähten platzt. Man braucht vielleicht Bier dazu, aber Bier braucht auch vielleicht bald All Cheerleaders Die. — Markus (@Wurstzombie)

The Raid 2

Foto via Nerdist

Wie oft kann ein menschlicher Kopf zwischen einem Stahlträger und einer massiven Asphaltkante hin und herknallen, bis es dem Zuschauer dann doch zu viel wird? Wer glaubt eine Antwort auf diese Fragen zu haben, hat den Sinn von The Raid 2: Berandal nicht verstanden. Dieses Wahnsinnsprojekt beweist, dass Gewaltästhetik eine Zirkusdisziplin sein kann, ein verdammter Kinosaal voller emphatischen Schmerzensschreien, und dass das Level des technischen Filmschaffens in perfekter Paarung mit Kampfsport und Stunt-Choregrafie unfassbare Höhen erreicht hat. Hier wurde aus blutigem Knochenmehl indonesischer Stuntmen ein weiterer Eckpfeiler des Action-Kinos gebacken, der neidlos neben Jackie Chan und Tony Jaa stehen darf.

Auch wenn The Raid 2 in manchen Instanzen Schnittlängen aufweist und sich—für einen Film mit den Charakteren „Hammer Girl“ und „Baseball Bat Man“—selbst etwas sehr ernst nimmt, überrascht ein ambitionierter Plot. Das Baby-Drama rund um einen Nebencharakter, den versifft bärtigen Macheten-Killer, hätte nicht unbedingt sein müssen, aber ansonsten hält sich der Film solide zwischen Undercover- und Gangsterfamilien-Elementen. Das freut, da Handlung bei solchen Watschenpornos normalerweise ziemlich mau ausfällt. Mit etwas weniger „Gun-Fu“ als im ersten Teil, deckt The Raid 2 viel mehr Raum ab und auch die zweieinhalb Stunden scheinen dem Regisseur noch zu wenig gewesen zu sein. In klassischer Videospiel-Dramaturgie hat der geborene Waliser, Gareth Huw Evans, den indonesischen Kampfsport Pencak Silat massentauglich gemacht—indem er massenhaft Leute damit das Gesicht bricht. In engen Kloställen aus Beton werden Szenen wie aus Gravity geboten und bei einer der beeindruckendsten Verfolgungsjagden meines jungen Lebens wurden beim Dreh Kameras zwischen den fahrenden Autos herumjongliert, wie diese Making-ofs unpackbar beweisen. Normalerweise ist westliches Publikum schnell ermüdet von 15-minütigen Kampfszenen. Hier ist dir im Gegensatz zu Dracula 3D nicht erlaubt, einzuschlafen, weil sonst plötzlich irgendwer mit Bauhaus-Utensilien deinen Kehlkopf entfernt hat. Solche Fights sollten einfach in jedem zukünftigen Action-Film zum Standard erhoben sein. Awesome-gasm. — Josef (@TheZeffo)

Und soviel also dazu. Oder wie das anglophile Filmvolk sagt: „It's a wrap.“ Der einzige Film, zu dem wir es leider nicht geschafft haben, ist The Sacrament—und das, obwohl darin aus irgendwelchen Gründen zwei VICE-Reporter vorkommen, die zu einer abgeschiedenen Sekte reisen. Wir können euch aber versichern, dass bei den Dreharbeiten niemand aus unserem Büro zu Schaden gekommen ist. Was sich ändern könnte, wenn uns bis zum Voll-/slash im September niemand mit unserer Dosis Gore versorgt. Filmvorschläge für unser Privatvergnügen werden ab sofort via Twitter angenommen.