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RIP Clipart: Die 90er Jahre-Office-Funktion der Herzen ist nicht mehr

Microsoft hat bekanntgegeben, seine Clipart-Grafiken zur „Verschönerung“ von Word-Dokumenten und Präsentationen in den Ruhestand zu schicken. Ein Nachruf.
​Frauen, die auf Präsentationen starren: Eine typische Clipart-Grafik. Bild: ​Wikimedia Commons​KEITHatLSU ​CC-BY SA 3.0

Liebe Clipart-Grafiken,

​ihr habt uns die sechzehnfarbige Vektorkunst nahegebracht, lang bevor wir mit euren elitären, gutaussehenden Cousins aus Adobe Flash fremdgingen. Heute, am 2. Dezember 2014, haben eure Erzeuger von Microsoft euer Ende besiegelt.

Ihr wart die stummen Platzhalter in zahllosen Word-Dokumenten und wohntet mehr oder weniger platzsparend auf unseren CD-ROMs. Ihr habt auch den unkreativsten Abteilungsleiter mit der Möglichkeit beschenkt, seine nervigen Büro-Memos mit so etwas wie farbenfroher Kunst „aufzupeppen"—er musste nur in der entsprechenden Kategorie der Clipart-Galerie stoisch nach Schlagworten suchen.

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Ihr wart die stille, bescheidene Variante des stets unbeliebten Büroklammer-Avatars Clippy aka Karl Klammer, der immer alles besser wusste, sobald man ein Office-Programm öffnete. Ihr gabt uns ein Gefühl der Vertrautheit in vermeintlich lustigen Kettenmail-Anhängen der computerbildungsfernen Tante, einen Anker zum Festhalten in endlosen Powerpoint-Präsentationen und ein wenig Wärme in passiv-aggressiver Bürobeschilderung.

Nun seid ihr also abgeschafft worden und werdet restlos ersetzt durch lizenzfrei verwendbare Bing-Bilder. Die profane Begründung eurer Schöpfer bei Microsoft lautete, dass sich die meisten Menschen heutzutage ohnehin Bilder im Internet suchten. Ihr hässlichen Symbolbildchen und spießigen Screen Beans—wir werden euch vermissen wie den Weltraum-Sound des sich einwählenden 56K-Modems.

Es trauern alle, die noch mit Windows 95 aufgewachsen sind.

Immerhin bietet uns die ​nüchterne Verlautbarung aus dem offiziellen Microsoft Office-Blog noch einmal die Möglichkeit, an einige eurer visuellen Qualitäten und Verdienste zu erinnern, bevor ihr für immer emotionslos in der Schublade „Redundante Office-Erweiterungen" beigesetzt werdet.

Die Liebeserklärung auf dem Word-Dokument

Irgendwann zwischen Monkey Island und SimCity kam die Zeit, in der man schüchterne oder auch leidenschaftliche Liebesbriefe plötzlich auch digital verfassen konnte. Der Vorteil war die garantierte Anonymisierung des Textes durch den Tintenstrahldrucker, die eine Identifikation der unbeholfen zitternden Handschrift durch die oder den Angebeteten unmöglich machte. Und um dem Ganzen noch etwas romantische Verve zu verleihen, bedienten wir uns der herzerweichenden Macht von Cliparts.

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​Die Einladung zum Weihnachtsfest​

Hoho! Der Chef dichtet! Wenn grobschlächtige Kalauer-Poesie auf Symbolbilder besinnungslos betrunkener Weihnachtsmänner trifft, kann das nur eins bedeuten: Du bist eingeladen, es Santa im Kreis der Kollegen gleichzutun.

Dank eines bildverzierten Rahmens wird es richtig gemütlich mit Rentieren, Tannenzweigen, Schlitten und Cartoon-Engeln—na, das macht doch richtig Lust auf die Weihnachtsfeier beim Arbeitgeber deiner Wahl, oder? Gerne hätte ich noch an dieser Stelle ein besonders gravierendes und bildstarkes Original-Beweisstück aus den Untiefen meiner vorherigen Arbeitszeit in der ARD-Nachrichtenredaktion zutage gefördert, aber man unterschreibt ja nicht umsonst eine Geheimhaltungsvereinbarung.

Die passiv-aggressive Disziplinarmaßnahme im Büro​


An alle! So geht das nicht weiter!!!

Die spießige Büro-Ansage findet sich gern über Spülmaschinen oder Kopierern, um auf den korrekten Gebrauch des jeweiligen Gerätes hinzuweisen. Und zwar ein für alle Mal, verdammt! Da diese Art Notiz schon in einem Zustand höchster Erregung verfasst wurde, ist das mit aller Müh und Not abgerungene Clipart in der Ecke ein erbärmlicher Versuch, die aggressiv gedoppelten Ausrufezeichen der im Imperativ geschriebenen und natürlich fettgedruckten Notiz irgendwie humoristisch zu kompensieren.

Hier steht gern ein Strichmännchen (im Clipart-Slang auch Screen Bean genannt), das mit erhobenem Zeigefinger seinen unordentlichen Kollegen eine Megafon-Durchsage ins Ohr brüllt.​

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Doch nicht alles ist verloren. Auf Open Clipart jedenfalls ist die Welt noch in Ordnung: Dort erstellen tausende gewissenhafte Hobby-Illustratoren unbeirrt weitere Cliparts zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen und stellen sie nach wie vor uneigennützig dem geneigten Präsentations-Zauberer zum Download zur Verfügung.

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​Es war nicht immer ganz klar, was genau die Cliparts uns eigentlich mitteilen wollten.

Auch wenn wir diese Werke enthusiastischer Clipart-Künstler gerne wertschätzen möchten, so müssen wir leider prognostizieren, dass das Clipart-Genre es in Zeiten von Gifs und Bing-Suche nun schwerer haben wird, auch irgendwie so etwas wie grafische Bedeutung im Kommunikationsalltag zu erlangen. Doch keine Panik: Wer richtig professionell wirken möchte, für den gibt es ja immer noch Comic Sans und WordArt.