FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Harvard-Forscher entwickeln einen Magneten, der Giftstoffe aus dem Blut filtert

Dieses Dialyse-Gerät säubert dein entnommenes Blut wie eine künstliche Bio-Milz.
Ein eingefangenes E.Coli-Bakterium. Bild: Harvard's Wyss Institute | Mit freundlicher Genehmigung

Die Sepsis ist ein hässlicher Bastard, mit dem eindeutig nicht zu spaßen ist:
18 Millionen Menschen erleiden weltweit pro Jahr eine Blutvergiftung, und jeder Dritte stirbt daran noch in der Behandlung. Trotz technisch gut ausgestatteter Intensivstationen ist die Sepsis die weltweit häufigste Todesursache in Krankenhäusern.

Es wird also höchste Zeit, dass sich jemand mit einer innovativen Lösung dem Problem annimmt. Statt eines weiteren Breitbandantibiotikums entwickelten Forscher aus Harvard nun eine Art Supermagneten, der einfach alle Giftstoffe aus dem Körper ziehen kann.

Anzeige

Forscher am anliegenden Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering haben nun ein dialyseähnliches Gerät vorgestellt, das mit Hilfe von Magneten Krankheitserreger aus dem Blut fischt und so zahlreiche Leben retten kann. Das Potential dieser Erfindung ist riesig, weil es auch bei Malaria und sogar Ebola funktionieren könnte.

In dem Prozess werden superglatte magnetische Kügelchen mit einen Durchmesser von 128 Millionstel Millimeter mit Opsoninen beschichtet—einem Protein, das sich an Kohlenhydrate auf Bakterien bindet—und dem Blut außerhalb des Körpers beigemischt. Ein stärkerer Magnet zieht die Erreger mit den Nano-Magnetperlen wieder aus dem Blut heraus. Dieses Verfahren filtert außer Bakterien auch Pilze und sogar Viren direkt aus dem fließenden Blut, ohne den Krankheitserreger vorher identifizieren zu müssen. Das spart wertvolle Zeit auf der Intensivstation, die für die Suche nach einem geeigneten Antibiotikum verstreicht.

Bakterien, an die sich Magnetperlen geheftet haben. Bild: Wyss Institute | Mit freundlicher Genehmigung

Denn eine Sepsis schreitet rapide voran: Sobald sich der Erreger vom ursprünglichen Infektionsherd entfernt und in die Blutbahn gelangt, schwellen die Organe an und versagen bei einemseptischen Schock nach wenigen Stunden komplett. Der Patient muss in ein künstliches Koma versetzt werden und ist nach dem Aufwachen zusätzlich besonders anfällig für posttraumatische Belastungsstörungen. Darüber hinaus können Muskeln, Nerven und das Gehirn geschädigt werden.

Anzeige

„Unser Vorbild war die Milz und ihre besonderen Fähigkeiten", so der Wyss-Forscher Dr. Michael Super—er heißt wirklich so—über das „Bio-Milz" getaufte Gerät, das 1,25 Liter pro Stunde verarbeiten kann. „Es hat über 90 Prozent der Bakterien aus dem Blut entfernt", schrieb die Forschergruppe im Fachblatt Nature Magazin.

Das Blut wird zu einer Mischbatterie gepumpt, die Spritze setzt die Magnetperlen hinzu. Bild: Harvard's Wyss Institute | Mit freundlicher Genehmigung

Eigentlich ist die Entfernung von Krankheitserregern aus dem Blut Aufgabe der Milz. Das ansonsten unauffällige brötchengroße Organ unter dem linken Rippenbogen arbeitet an der Immunabwehr mit und sortiert alte Blutplättchen aus. Unter anderem ist ihr Lymphgewebe eine Filterstation im Körper, hier lösen Antigene, die im Blut zirkulieren, Immunreaktionen aus.

In diesem feinmaschiges Filtergewebe, das den Blutfluss verlangsamt, werden Fresszellen (Phagozyten) und Antikörper produziert, die letztlich, wie so ziemlich alles andere im Körper, aus Proteinen bestehen. Die Antikörper heften sich an die Bakterien, die dann wiederum leichter an den Fresszellen hängen bleiben. Die Fresszellen vernichten die Bakterien dann und reinigen so das Blut.

Ohne Milz haben wir ein Problem, denn gefährliche Bakterien wie Pneumokokken kann das Immunsystem dann nicht mehr ohne weiteres entfernen. Es werden nicht genügend Antikörper produziert, die die Fremdkörper markieren können. Daher überleben Menschen ohne Milz zwar, allerdings sind sie infektionsanfälliger. Die externe künstliche Milz hilft dem Körper nun bei der Reinigung.

In diesen Kanälen werden die Pathogene aus dem Blut entfernt. Bild: Harvard's Wyss Institute | Mit freundlicher Genehmigung

Die US-Rüstungsbehörde DARPA hat bereits einen Vertrag mit dem Institut klargemacht, damit die Forschung an der Sepsistherapie weiter vorangetrieben werden kann.

Zwei Aspekte an diesem System sind besonders bahnbrechend: Erstens werden die Erreger physisch aus dem Blut entfernt und sind damit nach einem Durchlauf nicht mehr im Organismus vorhanden. Das Gerät entfernte in Versuchen Bakterien wie E.Coli und Staphylokokken und funktioniert aber auch bei anderen Krankheitserregern, ob diese nun resistent gegen bekannte Antibiotika sind oder nicht.

Ein weiterer enormer Vorteil des Blutmagneten ist seine Vielseitigkeit: Nicht nur zur Behandlung einer akuten Sepsis kann das Gerät genutzt werden, sondern auch für andere Krankheiten; sogar das Herausfiltern von Krebszellen und Viren ist denkbar. Dafür müssen die Nanomagnete nur mit den richtigen Rezeptoren aus kurzkettigen Eiweißen beschichtet werden. Bisher ist leider noch nicht endgültig klar, ob Ebolaviren an eine bekannte Beschichtung andocken können, doch zumindest im Reagenzglas hat das dank der klebrigen Außenstruktur des Virus schon geklappt.