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Fußball

Til Schweiger will das Abseits abschaffen—wir haben seine wahnsinnigen Argumente sprachlich analysiert

„Was is’n das für eine Scheiße mit dem Abseits?” Til, du sprichst uns aus der Seele.

Tilmann Valentin Schweiger hat Blockbuster gedreht, er hat den Tatort aufgesext und fast ein Flüchtlingsheim gebaut. Til ist ein einfacher Mann mit einfachen Wahrheiten. Gestern war er im Doppelpass zu Gast. Thema war unter anderem die mögliche Einführung des Videobeweises. Während die Gäste Für und Wider abwogen, hatte Schweiger natürlich die Lösung parat: das Abseits einfach abschaffen.

Ein revolutionärer Lösungsansatz, doch macht er überhaupt Sinn? Wir haben uns Tils Argumentationsstruktur genau angeschaut:

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Ich habe schon damals, als ich selber noch aktiv Fußball gespielt habe, immer gesagt:

Til hat vor allem in den letzten Monaten und Jahren durch gesalzene Auftritte in Talkshows sein argumentatives Handwerk gelernt. Der wichtigste Grundsatz im Schweigerschen Erklärungsbaukasten zuerst: Du musst wissen, wovon du laberst. Dass Til mal Fußball gespielt hat und seine These schon vor ewigen Zeiten formulierte, gibt seiner Aussage Tiefe und macht sie praktisch unanfechtbar.

Was is'n das für 'ne Scheiße mit dem Abseits? Das müssen wir abschaffen. Dann wird das Spiel viel attraktiver.

Til Schweiger bietet hier alles an, wie der gallige Kommentator von heute zu sagen pflegt. Umgangssprache, Verallgemeinerungen, schnelle Schlussfolgerungen und das alles in Tweet-Länge. Das brennt sich ein beim Zuschauer. Einen inhaltliche Tiefe können wir nicht festmachen, jeder KoWi-Student weiß aber, dass die erst mal tertiär ist.

Du egalisierst so viele Fehlentscheidungen und es gibt ja Tausende Fehlentscheidungen.

Wenn es kein Abseits gibt, dann gibt es auch keine Abseits-Fehlentscheidungen, Captain Obvious. Die Wiederholung des grausigen Wortes „Fehlentscheidungen" erzeugt so viele Angstgefühle, dass wir froh sind, dass niemand Buch darüber geführt hat, wie viele Fehlentscheidungen es in der Geschichte des Fußballs gab. Es waren bestimmt mindestens 3.000.

Was is'n das für nen Druss? Selbst wenn der Schiedsrichter die Größe hat zu sagen: Ja, habe ich scheiße gepfiffen, tut mir Leid—was ich ja geil finde—aber das nützt dir ja nichts, weil der Punkt kommt ja nicht zurück. Oder die Punkte kommen nicht zurück.

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Es ist davon auszugehen, dass Til Druck meint. Oder Stuss. Wer weiß das schon? Zwar holt er hier etwas aus, was aber entscheidend ist, verdeutlicht sie doch das Dilemma, in dem wir uns alle befinden. Egal, wie menschlich Schiedsrichter sind—und Schiedsrichter sind nun mal Menschen wie du und ich—das Problem bleibt das gleiche. Wunderschön hier, wie Til seinen Fußballsachverstand in einer metaphorischen Klimax macht. Ich als Fan verliere nicht nur einen, sondern am Ende gar zwei oder drei Punkte. Und am Ende bin ich als Fan verdammt nochmal machtlos. Wer kann so viel Ungerechtigkeit ertragen?

Und ich war ja immer der Meinung, das Spiel wird attraktiver. Wovon lebt denn das Spiel? Ich habe neulich ein Spiel gesehen zwischen Liverpool und Manchester United. Das war der langweiligste Kick aller Zeiten. Ne?

Auch hier holt Til das ganze Repertoire aus. Rhetorische Fragen, Vergleiche, Übertreibungen, Wiederholungen. Was ein fehlendes Abseits an dem grausigen Kick zwischen Liverpool gegen ManU geändert hat, interessiert uns immer noch.

Und ein Spiel (lebt; unterwürfige Anm. d. Red.) von Toren, von Torsituationen, von Spannung und ohne Abseits würde die Post abgehen, ey.

Til, wir fragen uns immer noch, wie genau das aussehen soll. Wäre das Spiel nicht viel langweiliger, weil es eben keine menschlichen Fehlentscheidungen gäbe. Oder weil es ein eindimensionales Kick-and-Rush-Gebolze wäre? Vielleicht drehst du einfach einen Fußballfilm und überzeugst uns vom Gegenteil. Wir haben das Gefühl, der wird bald kommen.