FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Mit dieser Technologie jubelst du bei der EM 2016 als Erster

Damit nicht wieder der Nachbar das Tor zuerst siehst, solltest du genau überlegen, auf welchem Übertragungsweg du das nächste Deutschlandspiel anschaust.
Ganz davon abhängig, wo du wohnst, ist ein alter Röhrenfernseher nicht die schlechteste Wahl, um Fußball zu schauen. Foto: Imago

Du hängst zuhause vor dem Fernseher, das Vorrundenspiel plätschert so gemütlich vor sich hin und plötzlich: Jubelschreie aus dem Haus deiner Nachbarn. Läuft etwa parallel noch ein viel spannenderes Spiel oder hast du irgendwas auf dem Rasen verpasst? Nein, wahrscheinlich nutzt du einfach eine andere Übertragungstechnik als die Fussball-Fans nebenan.

Als Bastian Schweinsteiger am Sonntagabend in der zweiten Minute der Nachspielzeit genüsslich zum 2:0 gegen die Ukraine einschob, bist du sofort aufgesprungen, um das endgültig entscheidende Tor zu bejubeln—bei anderen flimmerten da schon längst die Szenen nach dem Schlusspfiff über die Mattscheibe.

Anzeige

Schuld am asynchronen Torjubel haben der Siegeszug der digitalen Fernsehübertragung und deren unterschiedliche technische Plattformen: Wie Jogi sich die Eier krault, kann man wahlweise über Satellit (DVB-S), Kabel (DVB-C), eine terrestrische Antenne (DVB-T) oder das Internet (IPTV) verfolgen (Digitales Fernsehen über das Handy, das sogenannte DVB-H, ist in Deutschland bisher noch immer nur eine Nischentechnologie geblieben).

Der Fortschritt in Sachen TV-Empfang sorgt nicht nur für eine unübersichtliche Vielfalt, sondern auch dafür, dass sich regelmäßig ändert, welcher Signalweg denn nun am schnellsten das Bild auf den Schirm bringt: In Berlin glücklich schätzen kann sich, wer noch immer ein analoges TV-Signal über Kabel empfängt, denn das analoge Bildübertragungsverfahren ist hier noch immer schneller als alle seine digitalen Konkurrenten. (In Hannover kann das allerdings schon wieder anders aussehen, wie Heise herausgefunden hat.)

Im Zuge der sogenannten Analogabschaltung verschwindet das analoge Kabelsignal aber bereits zunehmend aus immer mehr deutschen Netzen und wird in wenigen Jahren komplett verschwunden sein. Per Satellit und terrestrischem Empfang empfängt man schon länger keine analogen Signale mehr.

Die Ladezeiten eines Livestreams lassen sich immerhin noch zum Konsum von Bier und Chips nutzen. Foto: Imago

Da es in Berlin das analoge Kabelsignal aber noch gibt, war mein heimischer Fernseher der ideale Ausgangspunkt für ein kleines Experiment. Begeistert verfolge ich, wie die isländische Mannschaft dem haushohen Favoriten Portugal in der 50. Minute den Ausgleich einschenkt—parallel läuft auf meinem Laptop dieselbe Partie mit einer knappen Sekunde Verzögerung: Der DVB-T-Stick ist meinem Kabelanschluss dicht auf den Fersen. So ziemlich genau zeitgleich zur DVB-T-Übertragung verfolgt mein Vater das Spiel bei sich zuhause per Satellit.

Eine wirkliche Geduldsprobe legt mein Cousin hin: Er guckt das Spiel über Zattoo, eine Software, die das per IPTV übertragene Fernsehprogramm auf deinem Rechner anzeigt. Ganze 31 Sekunden vergehen, bis er ebenfalls Zeuge wird, wie Bjarnason wie aus dem Nichts die Isländer zurück ins Spiel bringt. Da ich wirklich wissen will, wer in Deutschland wann zuletzt jubelt, habe ich auch noch einen zweiten Laptop auf dem Tisch stehen und den ZDF-Livestream angemacht. Der ist tatsächlich nochmal fünfeinhalb Sekunden langsamer als Zattoo, macht also 36,5 Sekunden Verzögerung gegenüber meinem analogen Kabelsignal.

Noch finsterer sieht es wahrscheinlich nur aus, wenn man den Livestream über die ZDF-APP schaut: Wie ein User im Heise-Forum berichtet, habe er hier 1,5 Minuten Latenzzeit zu beklagen gehabt. Ein Kollege von mir hat sich übrigens die kompletten 90 Minuten des Deutschland-Spiels in der Mediathek angesehen, ohne den Livestream neu zu laden. Er bekam den Schlusspfiff schließlich rund fünf Minuten später mit als ich.

Der Analog-Digital-Vergleich muss aber nicht überall in Deutschland so ausfallen, wie in Berlin—die genauen Latenzzeiten sind auch ortsabhängig. So stellten die Kollegen von Heise fest, dass in Hannover das Satellitenfernsehen die schnellsten Bilder liefert.

Das Schönste an meinem Experiment ist derweil, dass ich es beim nächsten großen Turnier gleich noch mal machen kann. Aufgrund der rasanten Geschwindigkeit, mit der sich technische Spezifikationen und Übertragungswege im Zeitalter der Digitalisierung verändern, werden die von mir höchst unwissenschaftlich erhobenen Werte bei der WM 2018 schon wieder ganz anders aussehen.