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Indoor-Skydiving macht Spaß und tut höllisch weh

Was 1965 mit einem übermütigen NASA-Ingenieur anfing, ist mittlerweile eine In-Sportart, die es bis nach Bottrop geschafft hat. Unser Autor hat sich in den Windkanal getraut und einige blaue Flecken und echtes Agentenwissen mitgenommen.
Photo via YouTube

Als ich mich dem iFly-Komplex in Chicago—der neuesten von insgesamt 18 US-amerikanischen „Indoor Skydiving"-Anlagen—näherte, war ich unsicher, ob die verrückte Sache, die ich gleich ausprobieren würde, tatsächlich als Sport durchgehen könnte. Das monolithische Gebäude, das mehr den Eindruck einer BND-Zentrale als einer Sportstätte machte, ließ mich nicht unbedingt überzeugter werden. In dem Klotz sollen Menschen fliegen?

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„Die US-Umweltbehörde fragte uns, ob wir in dem Gebäude Energie produzieren würden?", erzählte mir iFly-Geschäftsführer Dave Janossy. „Sie fanden, es würde wie ein Atomreaktor aussehen. Ich meinte, ‚Nein, aber wir werden hier eine Menge Energie verbrauchen.'"

Was Janossy betrifft, gibt es keine zweite Meinung bei der Frage, ob Indoor-Skydiving ein Sport ist. „100 Pro", meinte er. „Die Sportart heißt Body Flight. Wir nennen es aber Indoor-Skydiving, weil die Leute damit eher etwas anfangen können."

Der Unterschied zwischen einem Flug in einem von iFlys vertikalen Windtunneln und einem Sprung aus einem Flugzeug ist offensichtlich—wenn auch nur in dem Sinne, dass das eine deutlich mehr Panik auslöst als das andere. Dank des Sicherheitsnetzes in der Röhre kann man praktisch dieselben physikalischen Eigenschaften wie bei einem „richtigen" Flug erleben, hat aber gleichzeitig die Möglichkeit, seine akrobatisch-majestätischen Figuren in der Schwebephase immer wieder zu versuchen.

Hier ist der Ort für magische Momente (und blaue Flecke). Foto: John Wilmes

Was eindeutig für die Sport-These spricht: Das Ganze ist sehr, sehr schwierig. Eine „Body Flight"-Premiere sieht so aus, dass man auf die Schnelle seine Physik-Basics auffrischt und versucht, sowas wie eine stabile Flugphase zu erreichen, aber meistens nur wild um sich schlägt und sich in einer Tour blamiert. Ich für meinen Teil bin ständig in die Wand gerauscht, während ich verzweifelt versucht habe, die vier wichtigsten Handsignale meines Guides zu entschlüsseln, der mit mir zusammen in der Röhre war—Beine beugen, Beine strecken, Kinn nach oben und natürlich entspannen.

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Weil ich weder gut im Relaxen noch im Aufbauen physischer Masse bin, wurde ich die ganze Zeit wie ein großer Papierknäuel hin und her geschleudert. Mal zog es mich nach links, dann plötzlich nach rechts, mal landete ich auf meinem Hinterteil. Kurzum: Meine Schwebephasen waren äußerst kurz. iFly schenkt allen Besuchern ein Video von ihrem „Body Flight"-Abenteuer. Ich kann nur hoffen, dass sie meins schon zerstört haben.

Dabei kann Indoor-Skydiving ganz fantastisch aussehen. Und eben auch wie Sport, wie dieses Video zeigt:

Dann habe ich nach den Ursprüngen von Indoor-Skydiving gefragt. Janossy—der vor iFly zehn Jahre bei der US Air Force gedient hat—erklärte mir, dass der erste vertikale Windtunnel in den 60er-Jahren auf einem Luftstützpunkt der Air Force in Dayton (Ohio) gebaut wurde. Dort sollte getestet werden, welche Kräfte auf Astronauten beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wirken. Genauer gesagt wollte man sicherstellen, dass die Astronauten durch die hohen Geschwindigkeiten nicht unkontrolliert durch die Raumkapsel geschleudert und so getötet werden. Später wurden erste Windtunnel auch mit weniger Speed betrieben. Hier konnten Fallschirmjäger das Tracking—eine bestimmte Art der Körperhaltung im Freifall—üben, das feindliche Radare leichter in die Irre führen kann. Doch richtiges Tracking hat noch einen weiteren lebenswichtigen Vorteil:

„Wenn du aus einem Flugzeug springst, wirst du—bevor du deinen Fallschirm öffnest—gehörig nach links und rechts geschleudert", sagte Janossy. „Die meisten Fallschirmunfälle resultieren aus Tracking-Fehlern", erklärte Janossy und schlug seine Fäuste gegeneinander, um einen Zusammenstoß in der Luft von zwei Fallschirmspringern zu simulieren. Das habe ich ihm sofort abgekauft: Wenn zwanzig von meiner Sorte Fallschirm springen würden, wären Kollisionen wohl unausweichlich—so oft, wie ich im iFly gegen die Wände geknallt bin.

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„Beim Tracking geht es um die richtige Seitensteuerung", erklärte Janossy weiter. „Es stellt sicher, dass wir nicht ineinander knallen, aber lässt uns auch wie Vögel auf dem Radar aussehen. Wie kleine statische Punkte. Während SEAL-Missionen achten die Fallschirmjäger darauf, so lange wie möglich zu tracken."

Die erste Freizeitanwendung fand im Jahr 1965 statt. Ein NASA-Ingenieur wurde eines Tages „ein bisschen übermütig" und sprang just for Fun in den Windtunnel, erzählte mir Janossy. Doch erst vor 15 Jahren hat der erste gewerblich betriebene Windtunnel in Orlando seine Pforten geöffnet. Seitdem sind in vielen Orten auf der Welt neue dazugekommen (in Deutschland in Bottrop und ab nächstem Jahr in München). Vor allem der Nahe Osten hat sich zu einem Tummelplatz für Indoor-Skydiving-Enthusiasten entwickelt.

Auch der Finanzminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Hamdan, hat seinen eigenen Windtunnel, den kein Geringerer als Novak Djokovic schon mal ausprobiert hat.

Dass man für eine solche Anschaffung in der Tat ein echter Scheich sein muss, legt das Preisschild nahe. Laut Janossy belaufen sich die Produktionskosten für einen vertikalen Windtunnel auf etwa 10 Millionen Dollar. Dazu kommen dann noch die sagenhaft hohen Energiekosten. Und man sollte auch über ein angemessen großes Anwesen samt guter Schallisolierung verfügen. Denn die Handsignale bei meinem iFly-Jungfernflug waren auch aus praktischen Gründen nötig: Die Windmaschine machte so einen Krach, dass man nicht nur sein eigenes Wort mitnichten verstehen konnte, sondern dass man das Brummen auch noch in den angrenzenden Büroräumen als nervige Rauschstörung wahrgenommen hat.

Und was in der Anschaffung sauteuer ist, hat natürlich auch für den Endkunden seinen Preis. Ein paar Minuten Indoor-Skydiving kosten rund 70 Dollar. Obwohl mir mein wunder Hintern signalisiert hat, dass ein paar Minuten für den Anfang mehr als genug sein können. Wer das Ganze aber wirklich beherrschen will, braucht nicht Minuten, sondern endlose Stunden Training (genau aus diesem Grund hätten laut Janossy auch einige Mitarbeiter hier angefangen). Endlose Stunden Training und viele blaue Flecken, bis man die Moves draufhat? Das muss einfach ein Sport sein.